
Bin ich schon drin? Ins Clubhouse kommt man derzeit nicht ohne Einladung. Die App ist gratis, sammelt aber fleißig Nutzerdaten. © Getty Images / Quelle: App Store, Screenshot Stiftung Warentest
Clubhouse ist das derzeit am häufigsten heruntergeladene Programm in Apples App Store. Toni Kroos, Gerhard Schröder, Elon Musk, Paris Hilton und viele andere Promis soll man dort treffen können – ganz persönlich wie im Privatclub. Der Eintrittspreis: Persönliche Daten. Die Stiftung Warentest hat untersucht, welche Informationen die App sammelt. Unser Bericht klärt zudem auf, womit Clubhouse gegen Datenschutzrecht verstößt.
Welche Daten erfasst Clubhouse?
Wir haben den Datenstrom der App untersucht, um zu ermitteln, welche Informationen die App sammelt und wohin sie diese schickt. Ergebnis: Clubhouse erfasst viele Daten – unter anderem:
- was für ein Handy Sie nutzen,
- bei welchem Mobilfunkanbieter Sie sind,
- welche Chaträume Sie besucht haben,
- wie lange Sie dort waren,
- wann und wie lange Sie die App insgesamt verwendet haben.*
Einige Daten sendet die App nur an Clubhouse-Server, andere an Apple und wieder andere an eine Datenanalyse-Firma in den USA (Details siehe Kasten „Wer alles Zugriff auf die Daten bekommt“).
Was erfährt der App-Anbieter sonst noch?
Der Anbieter schneidet laut eigenen Angaben all Ihre Äußerungen mit und speichert sie zumindest temporär. Wenn Sie Freunde einladen wollen, kann die App zudem Ihr gesamtes Adressbuch einsehen. Allerdings wird nach unseren Erkenntnissen nicht das komplette Adressbuch zum Anbieterserver übertragen – stattdessen erfasst der Dienst nur Telefonnummer und Name desjenigen, den Sie einladen.
Tipp: Damit die Kontaktdaten Ihrer Bekannten und Verwandten nicht ohne deren Zustimmung bei Clubhouse landen, sollten Sie jeden, den Sie einladen wollen, vorab um Zustimmung bitten – denn immerhin räumt sich Clubhouse das Recht ein, die erfassten Kontaktdaten für Marketing- und Werbezwecke zu verwenden. Wer keine Freunde einladen will, kann der App übrigens auch gänzlich untersagen, das Adressbuch einzusehen.
Warum schlagen Verbraucherschützer Alarm?
Während viele Social-Media-affine Nutzer von der neuen Chat-App begeistert sind, zeigen sich Daten- und Verbraucherschützer entgeistert. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat die hinter Clubhouse stehende Firma Alpha Exploration Co bereits abgemahnt. Auch der Datenschutz-Check der Stiftung Warentest zeigt, dass Clubhouse nicht nur datenhungrig ist, sondern zusätzlich in mehreren Punkten gegen europäisches Recht – insbesondere die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) – verstößt:
- Die Datenschutzerklärung liegt bislang nur auf Englisch vor – viele deutschsprachige Nutzer können sich daher nicht ausreichend über die Datenschutzpraktiken des Anbieters informieren.
- Es wird kein Verantwortlicher benannt, der für die Datenverarbeitung zuständig ist.
- Die Informationen zu Datenverarbeitungszwecken, den rechtlichen Grundlagen dafür und zur Speicherdauer sind lückenhaft.
- Verbraucher werden nicht ausreichend über Ihre Rechte aufgeklärt.
- Die Rechte, die sich der Anbieter für die Verwendung der Nutzerdaten einräumt, sind zu weitgehend.
- Der Anbieter hält sich nicht an die Pflicht, ein Impressum auf der Website zu veröffentlichen.
Apple greift auf Standortdaten zu
Clubhouse selbst erfasst den Standort seiner Nutzer nicht. Raus gehen die Daten aber trotzdem: In unserem Test zeigte sich, dass Apple auffallend oft Standortangaben erhielt, während wir die Clubhouse-App verwendeten. Apple kennt den Standort von iPhone-Nutzern zwar ohnehin, greift Location-Daten aber normalerweise nicht so häufig ab wie während der Nutzung der Clubhouse-App.**
Wer alles Zugriff auf die Daten bekommt
Da Clubhouse bislang nur auf iOS verfügbar ist, überrascht es nicht, dass neben dem App-Anbieter auch Apple Nutzerdaten erhält.
Einige Informationen – etwa Angaben zu dem vom Nutzer verwendeten Smartphone sowie der Name des Mobilfunkanbieters – landen allerdings bei zwei anderen Unternehmen. Eines davon heißt Data Theorem, es hat sich auf IT-Sicherheit spezialisiert. Das zweite Unternehmen ist Amplitude, eine bekannte Datenanalyse-Firma – sie überwacht detailliert, was Nutzer in der App tun. Aus solchen Verhaltensanalysen lassen sich wertvolle Informationen für Werbezwecke gewinnen.
Sowohl Amplitude als auch Data Theorem sitzen in Kalifornien – genau wie Apple und Clubhouse-Anbieter Alpha Exploration. Ähnlich wie bei vielen anderen Apps und digitalen Dienstleistungen scheinen auch die Kunden der Gratis-App Clubhouse mit ihren Daten zu zahlen. Die gesammelten Informationen fließen in die USA, wo deutlich laxere Datenschutzgesetze gelten als in der EU.
Woher rührt der plötzliche Erfolg von Clubhouse?
Das Erfolgsrezept von Clubhouse heißt vermutlich Fomo + Corona: Wenn sich eine neue Community bildet, in der man Promis, Machern und Entscheidern (virtuell) begegnen kann, will so mancher diese Chance nicht verpassen. Diese Angst, etwas zu verpassen (englisch „fear of missing out“, kurz: Fomo) wird noch verstärkt durch Gefühle von Langeweile und Isolation, wie sie der Corona-Lockdown hervorbringt. Auf Clubhouse kann man plötzlich wieder mit Hunderten von Menschen in einem Raum sein und neue Leute kennenlernen. Hinzu kommt die clevere Strategie der künstlichen Verknappung: Eine Gemeinschaft, in die nicht jeder rein kommt, übt natürlich einen großen Reiz aus – so groß, dass anfangs viele Menschen sogar bereit waren, für eine Einladung zu zahlen.
Wird Clubhouse zum Konkurrenten für Facebook & Co?
Ob Clubhouse sich zu einem erfolgreichen sozialen Netzwerk entwickelt oder nach der Pandemie in der digitalen Versenkung verschwindet (wie StudiVZ, Myspace und Google Plus), bleibt abzuwarten. Momentan sieht es eher so aus, als würde die App nicht so sehr Facebook und Instagram Konkurrenz machen als vielmehr Xing und LinkedIn: Viele Mitglieder der digitalen Elite nutzen Clubhouse offenkundig in erster Linie zur professionellen Profilierung und Auftragsakquise – und weniger zu ihrem Privatvergnügen.
Wohin die Reise auch gehen mag: Derzeit ist Clubhouse jedenfalls auf Expansionskurs. In Job-Ausschreibungen wird längst nach Android-Programmierern gesucht. Hilfreich wären allerdings auch ein paar Designer und Kuratoren, die es Nutzern erleichtern, unter den unzähligen vorgeschlagenen Themenräumen die wirklich spannenden zu finden. Derzeit gleicht das Ganze mitunter einem Glücksspiel, zumal viele Raumnamen von außen kaum erahnen lassen, worum es drinnen geht. Personalisierung und Lokalisierung wären vermutlich zwei praktische Ansätze, um die Nadeln im Heuhaufen sichtbar zu machen.
Die vielleicht interessanteste Frage ist aber, ob Clubhouse bei seiner Entscheidung bleibt, ausschließlich Live-Streams und keine Mitschnitte anzubieten. Denn sind Live-Streams wirklich ein Format der Zukunft im Zeitalter von „On Demand“?
Fazit: Clubhouse muss dringend nachbessern
Die derzeit stark gehypte App Clubhouse sammelt unnötig viele Nutzerdaten und verstößt mit ihrer Datenschutzerklärung gegen die Datenschutzgrundverordnung. Verbraucher- und Datenschützer gehen bereits gegen den amerikanischen Anbieter der App vor. Wenn Clubhouse sich langfristig in Europa als neues soziales Netzwerk behaupten will, muss es in puncto Datenschutz nachbessern.
* Aufzählung korrigiert am 12. Februar 2021
** Absatz korrigiert am 12. Februar 2021
(In der ursprünglich veröffentlichten Version hatten wir geschrieben, dass Clubhouse auch die Standortdaten des Nutzers erfasst.)
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