Jeder zweite von 18 Stollen im Test schneidet gut ab. Alle 5 Dresdner sind geschmacklich spitze – von den 13 Marzipanstollen können nur wenige mithalten.
Der Papst hatte seine Hände im Spiel. Genauer gesagt Papst Innozenz VIII. Mit dem sogenannten Butterbrief sorgte er im Jahr 1491 dafür, dass das heute beliebte Weihnachtsgebäck zu einer Leckerei wurde. Davor bestand Christstollen nur aus Mehl, Wasser, Hefe und Rüböl und war eher eine karge Angelegenheit. Gehaltvolle Zutaten wie Butter waren in der vorweihnachtlichen Fastenzeit tabu. Das änderte sich erst dank der päpstlichen Erlaubnis.
Der Dresdner Christstollen ist der wohl bekannteste und ein klassischer Butter-Rosinen-Stollen. Fünf Vertreter des sächsischen Kulturguts haben wir für unseren Test ausgewählt – zusammen mit 13 Marzipanstollen. Darunter sind bekannte Marken wie Niederegger, Lieken Urkorn, Bahlsen, Dr. Quendt oder Lafer Confiserie Collection, teils zu gehobenen Preisen, aber auch Stollen vom Discounter für knapp 3 Euro pro Kilo. Die Hälfte schneidet gut ab. Die Markenprodukte liegen klar vorn. Alle 5 Dresdner Stollen sind gut sowie 4 der 13 Marzipanstollen. Der Rest ist befriedigend, bis auf die Stollen von Norma und Aldi (Nord). Sie erreichen nur ein Ausreichend.
Die Dresdner haben es drauf
Das Wichtigste beim Stollen ist der Geschmack. Alle fünf Dresdner Stollen erreichen hier die Note sehr gut. Sie schmecken sehr aromatisch, nach Butter und ausgewogen nach Trockenfrüchten. Die Stollen von Emil Reimann und Lafer Confiserie Collection fallen sensorisch besonders positiv auf. Den Unterschied bei den Dresdnern macht vor allem der Preis – sie kosten zwischen 6 und 20 Euro pro Kilogramm.
Von aromatisch bis leicht gärig
Die Marzipanstollen unterscheiden sich sowohl preislich als auch geschmacklich. Gerade die Discounterware überzeugt im wichtigsten Prüfpunkt nicht. Schlusslichter sind die Stollen von Norma und Aldi (Nord). Für sie reicht es sensorisch nur für ein Ausreichend. Das Aldi-Produkt riecht leicht essigsäuerlich und schmeckt leicht gärig. Der Stollen von Norma hat eine sehr kompakte, feuchte und rissige Krume; das Gebäck schmeckt leicht brotartig und flach – die Festtagslaune hebt das nicht.
Zwei andere Marzipanstollen sind dafür sehr aromatisch: Einer kommt von Emil Reimann aus dem Stollenmekka Dresden, der andere von Niederegger aus der Marzipanhochburg Lübeck. Mit 20 und 22 Euro pro Kilo haben beide zwar einen stolzen Preis, enthalten aber auch Marzipanrohmasse – die höchste Qualitätsstufe von Marzipan. Rohmasse wird aus blanchierten und geschälten Mandeln hergestellt, die mit bis zu 35 Prozent Zucker versetzt sein dürfen. Alle anderen Stollen sind mit Edelmarzipan gefüllt. Das klingt gut, heißt aber, dass der Mandelanteil im Marzipan geringer ist. Edelmarzipan besteht zu mindestens 70 Prozent aus Rohmasse, der Rest ist wiederum Zucker. Die besten preiswerten Marzipanstollen für 5 und rund 7 Euro pro Kilo bieten Edeka und Real. Sie schneiden geschmacklich und insgesamt gut ab.
Mit EU- und Stollen-Siegel
Welcher Stollen sich „Dresdner Christstollen“ nennen darf, ist gesetzlich geregelt. Laut EU-Verordnung muss er in der sächsischen Landeshauptstadt oder einer von zwölf Ortschaften im Dresdner Großraum hergestellt werden, dann darf er das EU-Siegel „geschützte geografische Angabe“ tragen. Inhaber der Marke Dresdner Stollen ist der gleichnamige Schutzverband. Er vergibt außerdem das goldene Stollensiegel. Erst beide Siegel „verleihen einem Stollen die Auszeichnung, ein ‚echter‘ Dresdner zu sein“, schreibt der Verband im Internet.
Butter ist beim Dresdner Pflicht
Ein Einheitsrezept für Dresdner Stollen gibt es nicht, bestimmte Zutaten sind aber vorgeschrieben. Dazu zählen Mehl, Milch, Zucker, Hefe, Butter beziehungsweise Butterschmalz, Sultaninen, Zitronat und/oder Orangeat sowie Mandeln. Nicht erlaubt ist Margarine, andere pflanzliche Fette sind nicht explizit verboten. So ist es nicht zu beanstanden, dass vier der fünf Dresdner Pflanzenfett, meist Palmfett, im Dekorzucker enthalten. Das ist ein Gemisch aus Trauben- oder Puderzucker, Stärke und pflanzlichem Fett. Es hält länger als Puderzucker, wird also aus optischen Gründen eingesetzt. Beim Stollen vom Dresdner Backhaus steht kein Dekorzucker im Zutatenverzeichnis. Dafür liegt ein Tütchen Puderzucker bei, falls ein Kunde ein bisschen nachpudern möchte.
Während für Dresdner Stollen die Butter im Teig ein Muss ist, dürfen andere Stollensorten auch Margarine oder sonstige Fette und Öle enthalten. Bei den Marzipanstollen im Test ist es fast immer Palmfett zusammen mit Rapsöl. Niederegger verwendet auch Butterreinfett. Nur Emil Reimann backt ausschließlich mit Butter, Palmfett findet sich allein im Dekorzucker.
Keine leichte Zwischenmahlzeit
Marzipanstollen gibt es, nach Belieben des Herstellers, in Mini-und Maxi-Versionen. Der kleinste im Test wiegt 250 Gramm. Beim Dresdner ist auch das Gewicht vorgeschrieben: Er muss auf mindestens 500 Gramm kommen. Verbreitet ist die 1-Kilo-Variante. Ob groß, ob klein: Für die schlanke Linie ist Stollen nichts, schon wegen des hohen Fettgehalts. 100 Gramm Dresdner haben im Schnitt 417 Kilokalorien, 398 sind es bei den Marzipanstollen. Für Naschkatzen empfiehlt sich nach dem Genuss ein etwas längerer Adventsspaziergang.
Benzol-Fund gibt Rätsel auf
Schadstoffe in den Stollen trüben die Festtagslaune kaum. So fanden wir die Schimmelpilzgifte Ochratoxin A und Aflatoxine nur in einigen Produkten und nur in sehr geringen Mengen. Auch auf Mineralöle haben wir geprüft. Gesättigte Mineralöle (MOSH) wiesen wir in allen Produkten nach – aber nur geringe Gehalte. Die besonders kritischen aromatischen Mineralöle (MOAH) waren nicht nachweisbar.
Das Marzipan haben wir auch auf Benzol untersucht. Benzol ist krebserregend. Wir atmen es hauptsächlich durch Abgase oder Zigarettenqualm ein. In neun Marzipanstollen konnten wir es nachweisen. Stark belastet waren sie aber nicht: Würde ein 60 Kilogramm schwerer Erwachsener täglich ganze 6 Kilogramm des höchstbelasteten Stollens essen, wäre die Aufnahmemenge hinsichtlich möglicher Krebsrisiken noch immer wenig bedenklich. Im Prüfpunkt Schadstoffe ist daher kein Stollen schlechter als befriedigend. In der Umwelt entsteht Benzol durch Verbrennungsprozesse, im Marzipan möglicherweise aus dem Aromastoff Benzaldehyd der Bittermandeln. Auch wenn wir deutlich weniger Benzol durch Lebensmittel aufnehmen als aus der Atemluft, sollte der Gehalt so gering wie möglich sein. In den Marzipanstollen von Niederegger, Emil Reimann, Edeka und Real ließ sich Benzol nicht nachweisen.
Von flüsternden Rosinen

Zitrusnote. Die Stollenzutaten Orangeat und Zitronat bestehen aus kandierten Schalen von Bitterorange und Zitronatzitrone.
Obwohl 7 von 18 Produkten geschmacklich ein seltenes Sehr gut einheimsen, sind die gebackenen Kalorienbomben nicht jedermanns Sache. Das liegt vor allem an den Rosinen. Damit geizen die Stollenbäcker im Test nicht. Allen voran die Dresdner legen auf die getrockneten Weinbeeren großen Wert. „Es müssen viele sein, die im Teig eng beieinanderliegen, sodass sie – wären sie in der Lage, miteinander zu sprechen – flüstern können“, sagt André Bernatzky vom Dresdner Stollenverband. Sonst handle es sich nämlich um einen ungewünschten „Schreistollen“.
Rosinen gehören traditionell in einen Stollen. Den Dresdnern sind sie als Zutat durch die EU-Verordnung sogar vorgeschrieben. Wer selbst bäckt, kann sie aber durch getrocknete Cranberries ersetzen, Rezept für Christstollen. Die Dresdner müssen davon ja nichts erfahren.