
Lichtscheu. Mit Wärme und Wasser versorgt, reift Chicorée in 22 Tagen zum Idealgewicht.
Feldsalat und Rucola wachsen derzeit oft noch unter Glas oder Folie. In ihren Blättern fanden wir viel Nitrat. Erfreulich schadstoffarm: Chicorée, der im Dunkeln gedeiht.
Es ist stockfinster. Im Lichtkegel der Taschenlampe von Landwirt Andreas Engemann lugen blassgelbe Spitzen zu Tausenden aus Holzregalen hervor: „Im Hellen wird Chicorée grün und bitter, deshalb die Dunkelheit“, sagt Engemann. Chicorée sprießt ohne Licht – und steht auf deutschen Tellern im Schatten anderer Salate. Vielleicht verschafft ihm unser Testergebnis neue Freunde: Anders als die zeitgleich geprüften Feld- und Rucolasalate enthält er kaum Nitrat oder Schadstoffe.
Anbau mit Taschenlampe
Auf dem Engemannschen Hof sprießen im Jahr 120 Tonnen Chicorée. Nach Abschluss unserer Tests besuchen wir den Biohof. Wir wollen herausfinden, was der Anbau mit dem guten Abschneiden zu tun hat. Der Chicorée der Engemanns ist mit einer glatten 1,0 einer der beiden Sieger in unserem Schadstofftest. Zu haben ist er bei Denn‘s, einer der großen deutschen Biomarkt-Ketten. Ebenfalls top ist der Chicorée vom Landgut Pretschen bei Alnatura. In beiden haben wir weder Nitrat nachgewiesen noch Pestizide, Chlorat oder Perchlorat.
Nitrat in Feldsalat und Rucola
Wir haben zehn Chicorée sowie je neun Feldsalate und Rucola untersucht, eingekauft im Discounter, Supermarkt und Biohandel. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Sorten: Während Chicorée durchweg gute und sehr gute Ergebnisse im Schadstofftest erzielt, sind die meisten Feldsalate wegen Nitratbelastung befriedigend und die meisten Rucola wegen noch stärkerer Nitratbelastung ausreichend – mit zwei Ausnahmen: Bei den Feldsalaten liegt die Bio-Ware von Denn‘s deutlich vorn, von den Rucola ist der von Edeka gerade noch befriedigend.
Erst die Wurzel, dann das Vergnügen

Erste Ernte. Aus den Zichorienwurzeln sprießt später Chicorée.
Die saubere Karriere des Chicorée beginnt im Freien. „Zuerst bauen wir auf dem Acker Zichorienwurzeln an“, erzählt Engemann. Die Wurzel reife unter grünen Blättern ab Mai bis zur Ernte im Herbst. „Wir düngen mit Kompost. Die lange Vegetationszeit ermöglicht der Wurzel, Nährstoffe wie Kalzium, Phosphor und auch Nitrat optimal für ihr Wachstum zu verwerten.“
Der Chicorée selbst komme nicht mit Dünger in Kontakt, denn: „Chicorée sprießt aus der Wurzel, in der Natur erst nach dem Winter“, sagt Erdmann. „Wir beschleunigen das und schicken die Rüben im Kühlhaus in den Winterschlaf.“ Dort ruhen sie – bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Frühlingserwachen in der Treiberei

Im Gitter. Chicorée treibt in erwärmtem Wasser.
Frühestens nach drei Wochen wecken Engemanns Mitarbeiter die Wurzeln. Sortiert und einheitlich gekappt, stecken sie sie in die Gitter flacher Holzkisten. Dann beginnt für die Pflanzen der kontrollierte Frühling – im Dunkel der Treiberei.

In der Treiberei. Andreas Engemann mit einem Wurzelspross.
Dort muss Engemann gegen das Rauschen von Wasser anbrüllen: „In einem großen Kreislauf versorgt hier 17 Grad warmes Wasser die Wurzeln jeder einzelnen Kiste.“ Vorsichtig nimmt der Landwirt eine kürzlich eingesetzte Zichorienrübe heraus und legt feine, weiße Härchen frei: „Die Wärme gibt ihr das Startsignal zu wachsen, der Spross kommt schon nach zwei Tagen.“ In dieser Phase zehrt Chicorée nur aus der Wurzel. „Grundsätzlich dürfen Produzenten dem Wasser Nährstoffe zusetzen, wir machen das nicht und generell ist das im Bioanbau unüblich“, sagt Engemann. Im Test hatte auch Chicorée aus konventioneller Landwirtschaft sehr niedrige Nitratwerte. Anders als Blattsalate speichert Chicorée Nitrat in der Wurzel, nicht in den essbaren Blättern.
Im Winter hohe Nitratgehalte
Dass wir in Feldsalat und Rucola deutlich mehr Nitrat fanden, hat weitere Gründe: Zum einen nehmen diese Pflanzen für ihr Wachstum besonders viel von der Substanz aus dem Boden auf. Zum anderen brauchen sie Licht, um den Nährstoff optimal für ihr Wachstum zu verwerten – und davon bekamen die getesteten Salate, im Januar gekauft, wegen kurzer Tage wenig. Alle Rucola wuchsen zudem in Folientunneln oder Treibhäusern, die sie schützen, aber nicht alles Licht durchlassen. Eine intensive Versorgung mit nitrathaltigem Dünger kann die Gehalte zusätzlich erhöhen.
Die Risiken von Nitrat
Nitrat selbst ist relativ harmlos. Im Körper, bei falschem Transport oder Lagerung des Grünzeugs kann es aber zu Nitrit reagieren – und Nitrit sich im Körper zu Nitrosaminen umwandeln. In Tierversuchen waren viele von ihnen krebserregend. Für Erwachsene hält die Weltgesundheitsorganisation (WHO) täglich bis zu 3,7 Milligramm Nitrat pro Kilo Körpergewicht für sicher.
Viele Rucola nur ausreichend
Der gesetzlich erlaubte Höchstgehalt für Rucola liegt im Winter bei 7 Gramm Nitrat pro Kilo. Wir haben Rucola mit ausreichend bewertet, wenn sie mehr als die Hälfte davon enthielten. Bei acht von neun war das der Fall. Für Chicorée und Feldsalat ist kein gesetzlicher Höchstgehalt festgelegt. Wir haben uns am Höchstgehalt für Gartensalat aus geschütztem Anbau im Winter orientiert: 5 Gramm Nitrat pro Kilo. Etwas mehr als die Hälfte davon schöpft der Rewe-Feldsalat aus. Dafür bekam er ein Ausreichend. Sieben Feldsalate sind gering belastet, der von Denn‘s sehr gering.
Gemessen an der Empfehlung der WHO heißt das: Ein Erwachsener mit 60 Kilo Körpergewicht könnte vom Feldsalat mit dem höchsten Nitratgehalt im Test sein Leben lang täglich gut 80 Gramm am Tag essen – etwa die Hälfte einer typischen Schale. Die entsprechende Portion des nitratreichsten Rucola dürfte 40 Gramm schwer sein, ein Drittel der typischen Schale. Voraussetzung: Der Salatfreund nimmt aus anderen Quellen kein Nitrat auf. Gemüse ist zwar die Hauptquelle, aber auch über Gepökeltes nehmen wir Nitrit auf. Und mancherorts findet sich Nitrat im Trinkwasser. Zum Vergleich: Vom nitratreichsten Chicorée im Test kann ein 60 Kilo schwerer Erwachsener täglich 350 Gramm essen, bis er den Höchstgehalt ausschöpft. Das sind ungefähr zwei dicke Kolben.
Auf Saisonware setzen
Im Winter ganz auf Grünes zu verzichten, ist keine gute Idee. Die positiven Effekte von Gemüse und Obst bewerten sowohl die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit als auch das Bundesinstitut für Risikobewertung höher als die Risiken durch zu viel Nitrat. Verbraucher sollten auf abwechslungsreiche Gemüseauswahl achten und von Natur aus Nitratreiches wie Rucola saisongerecht verzehren (Saisonkalender).
Pestizide sind kein Problem
Weniger Sorgen müssen Salatliebhaber sich wegen anderer Schadstoffe machen, wie unser Test zeigt. Eine unerfreuliche Ausnahme ist der Rucola von Real: In ihm fanden wir deutliche Mengen Perchlorat – allerdings noch unterhalb des EU-Referenzwerts.
Zu viel Perchlorat kann die Schilddrüse hemmen, Jod aufzunehmen. Müdigkeit und Infektanfälligkeit sind möglich. Vorsichtig sollten Menschen mit Störung der Schilddrüsenfunktion, mit Jodmangel sowie Kinder sein. Gesundheitlich bedenkliche Rückstände von Pestiziden oder Chlorat fanden wir in keinem einzigen Salat. Besonders sauber waren die Chicorée.
Lichtdicht verpackt in lila Papier
Das Schattendasein der Zichorienwurzeln bringt also Gutes hervor. Sind die Kolben auf ihnen groß genug, werden sie von Hüllblättern und Strunk getrennt und in lichtdichtes Wachspapier geschlagen. Auch nach der Ernte sollten sie im Dunkeln bleiben – sonst wird aus dem Wintersalat eine bittere Angelegenheit.