
Viele Krebspatientinnen behelfen sich bei Haarausfall zunächst mit einem Tuch. Manchen genügt diese Lösung nicht. © mauritius images / BSIP SA / Alamy
Die Haare fallen aus – viele Brustkrebspatientinnen belastet diese mögliche Nebenwirkung einer Chemotherapie. Eine spezielle Silikonkappe, die die Kopfhaut während der Chemo gleichmäßig kühlt, kann den Haarverlust deutlich mindern. Zu diesem Schluss kommen zwei neue Studien. test.de erklärt, für wen die Kühlkappe in Frage kommt, wie sie funktioniert und ob es Risiken gibt.
Chemotherapie greift auch gesunde Zellen an
Wenn aufgrund einer Chemotherapie die Haare ausfallen, wird die Krankheit Krebs für jeden sichtbar. Das belastet viele Betroffene – zusätzlich zur ohnehin schon schwer zu verarbeitenden Diagnose. Den Haarverlust verursachen hochwirksame Krebsmedikamente, sogenannte Zytostatika. Sie zerstören nicht nur Tumorzellen, sondern auch gesunde, insbesondere schnell wachsende Zellen wie die der empfindlichen Haarwurzeln: Die Haare fallen aus und wachsen kaum oder gar nicht mehr nach.
Kühlung bremst Medikamente aus

Die Kühlkappen aus weichem Silikon sind mit einem Kühlsystem verbunden. © Dignitana
Eine Kühlung der Kopfhaut soll bewirken, dass sich die Gefäße verengen und so die Haarwurzeln schlechter durchblutet werden. Folge: Geringere Mengen der Zytostatika im Blut gelangen über den Blutkreislauf an die Haarwurzeln, weniger Zellen werden zerstört, Haare fallen kaum noch aus. Nach diesem Prinzip arbeiten die Kappen, durch die ein flüssiges Kühlmittel zirkuliert – offenbar recht wirkungsvoll, wie zwei neue hochwertige Studien nahelegen, die kürzlich in der amerikanischen Medizin-Fachzeitschrift JAMA veröffentlicht wurden.
Bei jeder zweiten Patientin deutlich weniger Haarverlust
Bislang werden überwiegend Brustkrebspatientinnen mit den Kühlkappen behandelt. Auch die Probanden der beiden aktuellen Studien litten an dieser Krebsart – in einem frühen Stadium. Fazit der aussagekräftigen Scalp Cooling Alopezia Prevention-Untersuchung, kurz SCALP-Studie genannt: Von den 95 Frauen, die während der Chemotherapiezyklen eine Kühlkappe trugen, ging etwa jeder zweiten höchstens 50 Prozent ihres Schopfes aus. Außenstehende bemerken einen solchen Haarverlust meist gar nicht. Die 47 Frauen in der Kontrollgruppe ohne Kappe verloren alle mehr Haare.
Reaktion je nach Medikament unterschiedlich
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Bekamen die Frauen ein Krebsmittel, das den Wirkstoff Taxan enthielt, zeigte die Kühlhaube bessere Ergebnisse als bei einer Anthrazyklin basierten Chemotherapie. Das bestätigt die zweite Studie mit 122 Teilnehmerinnen, die ausschließlich Taxan-basierte Medikamente erhielten. Allerdings: Ganz verhindern lässt sich der Haarverlust nicht. Und es ist noch nicht geklärt, ob das Abkühlen der Kopfhaut die Wirkung der Chemotherapie in diesem Bereich beeinträchtigt. Aufschluss darüber sollen in einigen Jahren weitere Untersuchungen geben, die die Rückfallhäufigkeit der Studienteilnehmerinnen und das Auftreten von Metastasen im Kopfbereich erfassen werden.
Kühlverfahren ist recht aufwändig
Nur wenige der Probandinnen klagten über unangenehme Begleiterscheinungen der Behandlung wie Kopfschmerzen, schmerzende Haut, Übelkeit oder Frösteln. Sieben Frauen brachen jedoch die Kühlung per Kappe vorzeitig ab: Sie ertrugen die Kälte nicht. Tatsächlich ist das Verfahren kompliziert und langwierig. Für beide Studien musste die Silikonkappe bereits 30 Minuten vor dem eigentlichen Beginn der Chemotherapie auf den Kopf – und dort bis zu eineinhalb Stunden nach der Behandlung bleiben. Die Kappe ist mit einem Kühlsystem verbunden, das sich stufenweise regulieren lässt. So wurde die Kopfhaut der Probandinnen auf 15 Grad Celsius heruntergekühlt.
Zuschüsse nur auf Anfrage und im Einzelfall
In Deutschland bieten Fachkliniken- und Praxen die bis zu 2 000 Euro teure Kühlkappenbehandlung an. Zuschüsse gewähren die Krankenkassen – wenn überhaupt – nur im Einzelfall und auf Antrag, der dann vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) begutachtet wird. Im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherungen ist die Kühlkappe bisher nicht verzeichnet. Florian Lanz vom Spitzenverband der Gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, GKV, erklärt dazu auf Anfrage: „Wenn Produkte nur während der chemotherapeutischen Behandlung in der Arztpraxis oder Klinik eingesetzt werden, dann steht unseres Erachtens bereits dieser Umstand einer Qualifizierung als Hilfsmittel im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung entgegen.“ Laut der gesetzlich festgelegten Hilfsmittelrichtlinien sind Hilfsmittel „sächliche Mittel oder technische Produkte“, die beeinträchtigte Körperfunktionen ersetzen, erleichtern oder ergänzen, wie zum Beispiel Brillen, Hörgeräte oder Prothesen.
Tipp: Alle Informationen rund um die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung finden sie im Special Krankenkasse und im großen Vergleich Krankenkassen auf test.de.
Perücken aus Kunsthaar werden übernommen
Auch Haarersatz ist im Hilfsmittelverzeichnis nicht zu finden. Die meisten Krankenkassen übernehmen aber die Kosten. Der Anspruch beschränkt sich jedoch auf den Ausgleich des Haarverlustes, nicht auf modische Anforderungen. Für Perücken aus Echthaar zahlt die Kasse nur, wenn ein medizinischer Grund vorliegt, etwa eine Allergie auf Kunststoffe, sagt Michael Ihly von der Techniker Krankenkasse TK. Es lohnt sich, verschiedene Angebote einzuholen. Besondere Perückenanfertigungen können schon mal mit mehr als 2 000 Euro zu Buche schlagen. Hierfür zahlen die Kassen jedoch nicht. Und Männer haben lediglich dann Anspruch auf Haarersatz, wenn sie beispielsweise einen deformierten Schädel haben. Normalerweise ist der Haarverlust durch eine Chemotherapie nur vorübergehend. Etwa drei Monate nach dem letzten Zyklus sprießt das Haar wieder.
Tipp: Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums hat ausführliche Informationen zum Thema Haarausfall bei Chemotherapie zusammengestellt.
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