Mit günstigen Beiträgen will die private Krankenversicherung Kunden gewinnen. Der Preis dafür sind oft Lücken im Leistungsspektrum und eine hohe Selbstbeteiligung. Alle Fragen zur privaten Krankenversicherung beantwortete die Finanztest-Redakteurin Ulrike Steckkönig in unserem Expertenchat. Lesen Sie hier das Transkript des Chats.
Wie finde ich die richtige Krankenversicherung?
Moderator: So, es ist jetzt 13 Uhr. Hier im Chat begrüße ich Ulrike Steckkönig. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und die Fragen unserer Chatterinnen und Chatter beantworten. Gleich die erste Frage an unseren Gast: Wie sieht es aus, wollen wir starten?
Ulrike Steckkönig: Ja, sehr gerne. Von mir aus kann es losgehen.
Moderator: Vor dem Chat hatten die Leser und Leserinnen bereits die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu bewerten. Hier die TOP 1 Frage aus dem Pre-Chat:
Marlo: Worauf sollte ich bei der Auswahl einer privaten Krankenkasse achten?
Ulrike Steckkönig: Eine Private Krankenversicherung sollte man sich nicht in erster Linie nach dem Beitrag auswählen sondern nach den Leistungen. Sie sollten mindestens so umfangreich sein wie die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Gefährliche Leistungslücken bei besonders günstigen privaten Angeboten sind zum Beispiel, dass Kosten für Psychotherapie, für Hilfsmittel oder für Heilmittelbehandlungen (wie z.B. Krankengymnastik) nicht übernommen werden, oder dass der Versicherer die Honorare von Ärzten oder Zahnärzten nur in einem begrenzten Umfang erstattet bekommt. Das bedeutet: Alles, was die Versicherung nicht zahlt, muss der Patient aus eigener Tasche tragen.
Moderator: Hier eine aktuelle Nachfrage:
Kalli: Sehr geehrte Frau Steckkönig, da ich nicht von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln kann, möchte ich in einen Basistarif der privaten Krankenversicherung wechseln. Worauf muss ich achten?
Ulrike Steckkönig: Der Basistarif ist bei allen Versicherungsgesellschaften identisch und entspricht von seinen Leistungen her in etwa der Gesetzlichen Krankenversicherung. Er kostet derzeit rund 570 Euro im Monat (plus Pflegeversicherung). Das entspricht dem Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung.
HB: Welchen Selbstbehalt halten sie für sinnvoll/angemessen? Sollte man die Selbstbeteiligung mit zunehmendem Lebensalter verringern? Da ich (männlich/ 44 Jahre) in Deutschland wohne, aber im Ausland arbeite, bin ich bei einer Privaten Krankenversicherung versichert mit 2 500 Euro Selbstbeteiligung pro Jahr.
Ulrike Steckkönig: 2 500 Euro finde ich persönlich ganz schön viel. Denn Selbstbehalte können von der Versicherungsgesellschaft ebenso wie die Beiträge auch einseitig erhöht werden. Außerdem ist es im Krankheitsfall nicht möglich, einen Selbstbehalt wieder zu reduzieren. Wer sich für einen Tarif mit Selbstbehalt interessiert, sollte sicherheitshalber den jährlichen Selbstbehalt durch 12 teilen und zum Monatsbeitrag addieren. Arbeitnehmer müssen außerdem wissen, dass sich der Arbeitgeber zwar an den Beiträgen, nicht aber am Selbstbehalt beteiligt.
Von der Privaten zurück in die Gesetzliche
Hippokrates: Wie lauten denn die aktuellen Regelungen, wenn ich von der privaten Krankenversicherung zurück in eine gesetzliche Krankenkasse wechseln möchte?
Ulrike Steckkönig: Sie kommen aus der privaten Krankenversicherung in der Regel nur dann zurück in die gesetzliche Krankenkasse, wenn Sie wieder versicherungspflichtig werden. Als Arbeitnehmer heißt das, dass Ihr Einkommen unter der Versicherungspflichtgrenze von derzeit 4.125 Euro brutto im Monat liegen muss. Aber auch das hilft nichts, wenn Sie bereits das 55. Lebensjahr erreicht haben. Ab diesem Alter gibt es so gut wie keine Möglichkeit mehr, in die gesetzliche Kasse zurückzukehren. Bei selbstständigen privat Versicherten spielt das Einkommen keine Rolle. Sie haben praktisch keine Möglichkeit mehr, sich gesetzlich zu versichern – es sei denn Sie würden Ihre Selbstständigkeit aufgeben und eine versicherungspflichtige Anstellung finden, bevor Sie 55 Jahre alt werden.
Roadrunner: Was geschieht, wenn meine private Krankenversicherung pleite geht? Kann ich danach zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln oder muss ich zu einer anderen privaten Kasse?
Ulrike Steckkönig: Bislang ist in Deutschland noch keine private Krankenversicherungsgesellschaft pleite gegangen. Nach den Schwierigkeiten am Lebensversicherungsmarkt haben die privaten Versicherer außerdem eine Sicherungseinrichtung namens „Medicator“ ins Leben gerufen, die in solchen Fällen einspringen soll. Im Normalfall würden die Versicherten eines insolventen Unternehmens wahrscheinlich „gerettet“, indem die Versichertenbestände auf ein anderes Unternehmen übertragen werden. Sollte es jedoch zu einer „richtigen“ Pleite kommen, hätten die Kunden des insolventen Unternehmens das Recht, in den Basistarif jedes anderen privaten Versicherers aufgenommen zu werden. In die gesetzliche Krankenversicherung kommen sie jedoch nicht zurück.
Moderator: Und noch eine aktuelle Frage aus dem Chat:
HB: Wie lange muss mein Einkommen unter der Pflichtversicherungsgrenze liegen, um als Arbeitnehmer von der privaten Krankenversicherung wieder in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln zu können?
Ulrike Steckkönig: Wenn Sie versicherungspflichtig werden, können Sie sofort in die gesetzliche Krankenversicherung. Allerdings muss dieses versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis dann mehr als 12 Monate bestehen, sonst haben Sie anschließend kein Recht, sich freiwillig gesetzlich weiterzuversichern. Und noch etwas: Ein Minijob reicht nicht aus, um wieder zurück in die gesetzliche Krankenversicherung zu kommen.
Familienangehörige nicht beitragsfrei mitversichert
Lisa98: Sind Familien bei den privaten Krankenversicherungen generell mitversichert oder gibt es hier Sonderregelungen?
Ulrike Steckkönig: Familienangehörige sind in der privaten Krankenversicherung nie mitversichert. Die beitragsfreie Mitversicherung (siehe dazu auch die Leserfrage aus Finanztest 07/2008) gibt es nur in der gesetzlichen Krankenversicherung. In der privaten Krankenversicherung benötigt jede Person einen eigenen Vertrag und es müssen dafür auch Beiträge gezahlt werden.
AFarnbacher: Nachwuchs: Wann ist es sinnvoll mit einem Kind auch unterhalb der Bemessungsgrenze zu einer privaten Versicherung zu wechseln? Ich bin bei einer gesetzlichen Krankenkasse, meine Frau ist privat versichert und beihilfeberechtigt. Meine Frau ist verbeamtet, wir verdienen beide (Frau 3.000 Euro brutto, Ehemann 3.650 Euro brutto).
Ulrike Steckkönig: Wenn Sie selbst versicherungspflichtig beschäftigt sind, haben Sie selbst gar nicht die Wahl, sich privat zu versichern. Demzufolge bestünde nur die Möglichkeit, das Kind privat zu versichern, da das Kind ja Anspruch auf Beihilfe vom Dienstherren Ihrer Frau hat. Den Beitrag für die private Krankenversicherung des Kindes müssten Sie dann jedoch selbst bezahlen. Ich wüsste aber nicht, warum Sie das tun sollten, da das Kind ja momentan bei Ihnen in der gesetzlichen Kasse beitragsfrei mitversichert ist (wie ich annehme).
RHW: Wenn ein Elternteil gesetzlich und ein Elternteil privat versichert ist, kann es sich aufgrund der Einkommenshöhe ergeben, dass das Kind zeitweise kostenlos in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, zeitweise aber nicht?
Ulrike Steckkönig: Ja, das ist richtig. Bei Ehepaaren, von denen eine Person gesetzlich, die andere privat versichert ist, kann das Kind nicht mehr beitragsfrei versichert sein, wenn der privat versicheret Partner mehr verdient als der gesetzlich versicherte und das Einkommen des privat Versicherten außerdem über der Versicherungspflichtgrenze von derzeit 4 125 Euro brutto im Monat liegt. Im Extremfall kann es sogar passieren, dass das Kind in jährlichem Turnus zwischen beitragsfreier Mitversicherung und kostenpflichtiger Versicherung hin- und herspringt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das privat versicherte Elternteil selbstständig ist und schwankende Einkünfte hat. Die Regeln für die beitragsfreie Familienversicherung von Kindern und Ehepertern haben wir hier erklärt.
Vertragsbedingungen und Zukunftsaussichten
Marwil: Können Laien die komplexen Versicherungsbedingungen einer privaten Krankenversicherung überhaupt selbstständig und richtig erfassen? Auf welche Punkte sollte jeder Versicherte besonders achtgeben?
Ulrike Steckkönig: Das ist selbst für Experten oft schwierig, deswegen empfehlen wir auch, sich an einen Versicherungsberater oder -makler zu wenden oder eine Verbraucherzentrale aufzusuchen. Auch unsere Checklisten (siehe oben) helfen weiter, um ein konkretes Angebot auf den Leistungsumfang hin zu prüfen.
Stefan: Gibt es bei den Privaten auch einen Arbeitgeberzuschuss bzw. wie ist dieser geregelt?
Ulrike Steckkönig: Der Arbeitgeberzuschuss ist analog geregelt wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Arbeitnehmer bekommen maximal die Hälfte ihres Beitrages, aber nur höchstens so viel wie die Hälfte des Höchstbeitrages der gesetzlichen Krankenversicherung.
Frühlingsblume: Welche Chancen habe ich als Frau mit Anfang 30, bei einer privaten Krankenversicherung nicht zu hoch eingestuft zu werden? Welche private Krankenversicherung ist da empfehlenswert? Gab es nicht erst kürzlich eine Entscheidung darüber, dass Frauen und Männer in Zukunft gleiche Tarife zahlen?
Ulrike Steckkönig: Diese Entscheidung mit den gleichen Beiträgen für Männer und Frauen ist noch nicht in deutsches Recht umgesetzt. Dieses Jahr und im kommenden Jahr ist da wahrscheinlich noch nichts zu erwarten (siehe Meldung „Für Mann und Frau gleich“ aus Finanztest 04/2011). In der privaten Krankenversicherung zahlen Sie als Frau deutlich höhere Beiträge als ein gleich alter Mann. Außerdem sollten Sie bedenken, dass Kinder in der privaten Krankenversicherung nicht beitragsfrei mitversichert werden können. Falls Sie trotzdem Angebote der privaten Krankenversicherer vergleichen wollen, bieten wir eine Computeranalyse an. Für 18 Euro können Sie dort Angebote nach Ihren persönlichen Vorgaben erhalten.
Vorerkrankungen und Altersgrenze
Unzufrieden: Gibt es private Krankenversicherungen, die über 70-Jährige, und das mit Vorerkrankungen, aufnehmen? Ich bin 72, Beamtin und freiwillig in der DAK versichert.
Ulrike Steckkönig: Private Krankenversicherer müssen nicht mit jedem Interessenten einen Vertrag schließen. Lediglich beim Neueintritt in den Beamtenstand gibt es Sonderregelungen. Deshalb halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass Sie in Ihrem Alter und mit Vorerkrankungen noch ein Angebot bekommen und falls Sie eines bekämen, wäre es wahrscheinlich deutlich teuer. Also deutlich teurer als in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Moderator: Hier eine aktuelle Nachfrage:
Comper: Gibt es eine Altersgrenze, ab der von einem Wechsel zur privaten Krankenversicherung abzuraten ist?
Ulrike Steckkönig: Wir raten generell Frauen ab Mitte 30 und Männern ab Mitte 40 von einem Wechsel in die private Krankenversicherung ab – für Beamte gelten allerdings andere Regeln, denn für sie ist eine gesetzliche Krankenversicherung aus ökonomischen Gründen meist nicht sinnvoll. Sie erhalten von ihrem Dienstherrn zwar die Beihilfe, die einen Teil ihrer Behandlungskosten deckt, jedoch keinen Arbeitgeberanteil zu Krankenkassenbeiträgen.
Fragesteller: Gibt es bei Rückenerkrankungen (Bandscheibe o.ä.) überhaupt sinnvolle und finanzierbare Möglichkeiten, in die private Krankenversicherung zu wechseln oder sollte man bei entsprechenden (bekannten) Erkrankungen besser von vornherein in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben?
Ulrike Steckkönig: Diese Frage kann ich aus der Entfernung schlecht beantworten, da ich weder eine Ärztin noch eine Versicherungsgesellschaft bin. Es hängt sicherlich stark von der Erkrankung ab, wie sich die Versicherungsgesellschaften in diesem Fall verhalten werden. Ob jemand mit Vorerkrankungen einen Vertrag bekommt – und wenn ja, zu welchen Konditionen oder mit welchen Leistungsausschlüssen – ist nicht einheitlich geregelt. Jede Versicherungsgesellschaft hat dafür ihre eigenen Regeln, die sie auch nicht veröffentlicht. Es kann also passieren, dass Sie mit derselben Erkrankung von Versicherer A einen hohen Risikozuschlag und von Versicherer B einen Leistungsausschluss bekommen und Versicherer C Sie vielleicht ohne Einschränkungen annimmt.
Was tun bei Streit mit dem Versicherer?
Hopfenperle: Warum können private Krankenversicherungen Gesundheitschecks durchführen?
Brasch: Die privaten Krankenversicherungen neigen dazu, Gesundheitsrisiken sehr breit auszuschließen (z.B. werden bei Schlafstörungen alle Krankheiten im psychischen und Nervenbereich ausgeschlossen). Was muss ich mir gefallen lassen und gibt es eine neutrale Instanz für solche Leistungseinschränkungen, z.B. Vertrauensarzt?
Ulrike Steckkönig: Private Krankenversicherer stellen im Antrag Gesundheitsfragen, weil sie das Risiko prüfen müssen, das sie mit dem Vertragsschluss eingehen. Die Versicherten sind verpflichtet, wahrheitsgemäß und vollständig zu antworten. Wer dabei schummelt, kann im schlimmsten Fall seinen Versicherungsschutz verlieren. Wenn jemand bei Vertragsschluss bereits Erkrankungen hat, haben die Versicherer das Recht, dafür entweder Risikozuschläge zu verlangen, oder sie schließen die betreffende Erkrankung vom Versicherungsschutz aus. Je nach Diagnose können diese Ausschlüsse sehr umfangreich sein, so dass der Versicherungsschutz für den Kunden unter Umständen gar nicht mehr viel wert ist. Eine neutrale Instanz gibt es für die Begutachtung solcher Fälle nicht. Die privaten Krankenversicherer haben für Streitigkeiten zwischen Versicherungsgesellschaften und Kunden jedoch einen Ombudsmann (siehe Interview aus Finanztest 03/2011, www.pkv-ombudsmann.de). Krankenversicherer können auf die Risikoprüfung nicht verzichten, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet sind ihre Beiträge risikogerecht zu kalkulieren. Außerdem handelt es sich bei privaten Versicherungsgesellschaften nicht um soziale Institutionen oder öffentliche Körperschaften (wie es die gesetzlichen Krankenkassen sind) sondern um Unternehmen, deren Zweck die Erzielung von Gewinnen ist.
HB: Welche Möglichkeiten gibt es zur Schlichtung bei Streitigkeiten mit der privaten Krankenversicherung zu Abrechnungen/abgelehnten Erstattungen etc.?
Ulrike Steckkönig: Zur Streitschlichtung gibt es den Ombudsmann (siehe oben) der privaten Krankenversicherung. Anders als der Ombudsmann für die übrigen Versicherungen hat dieser jedoch keine Entscheidungsbefugnis, sondern kann lediglich vermitteln. Bei Rechtsstreitigkeiten mit dem privaten Krankenversicherer sind Versicherte schlechter gestellt als bei entsprechenden Auseinandersetzungen mit einer gesetzlichen Krankenkasse. In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es ein Widerspruchsrecht und die Kosten für Gerichtsverfahren am Sozialgericht sind gesetzlich begrenzt. Mit privaten Versicherern müssen Kunden sich zivilrechtlich streiten, das heißt das Prozesskostenrisiko ist sehr viel höher, da sich die Anwaltsgebühren und Gerichtskosten nach dem Streitwert richten.
Laufzeiten
Lollarerin: Werden beim Wechsel von einer gesetzlichen Krankenversicherung zu einer privaten Krankenversicherung die Mindestlaufzeiten der gesetzlichen Krankenversicherung hinfällig?
Ulrike Steckkönig: Wenn Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer erstmals wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze versicherungsfrei werden, können Sie innerhalb von 14 Tagen Ihren Austritt aus der gesetzlichen Krankenkasse erklären und dann in eine private Krankenversicherung eintreten. Mindestlaufzeiten gibt es in diesem Falle nicht, selbst dann, wenn Sie in einem Wahltarif ihrer gesetzlichen Krankenkasse mit einer Bindungsfrist von mehreren Jahren sein sollten.
L4ur4: Können Studierende bei der Exmatrikulation wieder in die gesetzlichen Kassen wechseln?
Ulrike Steckkönig: Die Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht erlischt mit dem Ende des Studiums. Grundsätzlich können Sie also wieder in eine gesetzliche Krankenkasse aufgenommen werden – ob es tatsächlich klappt, hängt davon ab was Sie nach Ihrem Studium tun. Nehmen Sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung an, ist alles kein Problem. Falls Sie sich jedoch selbstständig machen, haben Sie kein Anrecht auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung, da Sie ja zuletzt privat versichert waren.
Was tun bei steigenden Beiträgen
Moderator: Und noch eine aktuelle Nachfrage:
Fragesteller: Ich höre im Bekanntenkreis häufig, dass man heutzutage auch als junger Selbstständiger (30 Jahre) – wenn man es sich leisten kann – besser in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben und eine private Zusatzversicherung abschließen sollte. Ist das grundsätzlich zutreffend?
Ulrike Steckkönig: Das ist eine Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss. Aufs ganze Leben gerechnet kann es gut sein, dass Sie mit der Gesetzlichen Krankenversicherung besser fahren – denn die zunächst günstigeren Beiträge der Privaten Krankenversicherung steigen kontinuierlich an, unabhängig davon, ob Ihr Einkommen so gut bleibt wie es aktuell ist. Spätestens im Rentenalter zahlen Versicherte in der Regel deutlich mehr für den privaten Versicherungsschutz als für die gesetzliche Krankenkasse.
Jeck: Lohnt sich ein Wechsel in die private Krankenversicherung nach der Gesundheitsreform überhaupt noch? Die Beiträge steigen hier ja mittlerweile auch rasant an.
Ulrike Steckkönig: Die Beiträge steigen in der privaten Krankenversicherung schon immer stärker, als sie dies in der Gesetzlichen Krankenversicherung tun. Vorsichtig geschätzt müssen Sie davon ausgehen, dass Ihr Versicherungsbeitrag im Rentenalter mindestens das Dreifache dessen beträgt, was Sie heute bezahlen. Wir haben aber auch Fälle vorliegen, bei denen es das Fünffache ist.
Privat versichern sollten Sie sich also nur dann, wenn Sie in jungen Jahren Rücklagen ansparen können, um sich die später höheren Beiträge dann auch leisten zu können.
Tina K.: Wie kann ich beurteilen, ob eine Beitragserhöhung grundlegend oder in ihrer Höhe gerechtfertigt ist? Bin ich als privat Krankenversicherter nicht einer willkürlichen Beitragsentwicklung ausgeliefert?
Ulrike Steckkönig: Das können Sie selbst als Versicherte kaum überprüfen. Jede Beitragsanpassung eines privaten Krankenversicherers wird durch einen Treuhänder überprüft – wenn der das Okay gibt, gilt die Beitragserhöhung als gerechtfertigt. Der Treuhänder überprüft aber nur, ob die Versicherung die mathematischen Grundsätze richtig angewendet hat. Wenn Sie selbst Ihrer Versicherungsgesellschaft in die Karten schauen wollen, müssen Sie sich den Zugang zu den Kalkulationsgrundlagen wahrscheinlich gerichtlich erstreiten und dann selbst einen Gutachter beauftragen. Das dauert lange, ist teuer und führt möglicherweise auch nicht dazu, dass Beitragsanpassungen zurückgenommen werden. Einen Gutachter werden Sie wahrscheinlich benötigen, da die wenigsten Menschen über versicherungsmathematische Kenntnisse verfügen, die es ihnen ermöglichen würden, die Kalkulationen selbst nachzurechnen.
Stichwort: Basistarif
Marc: Stimmt es, dass jede private Krankenversicherung einen Tarif anbieten muss, der die ähnlichen Leistungen hat wie gesetzliche Krankenversicherung?
Ulrike Steckkönig: Ja, das stimmt. Der Gesetzgeber hat die Unternehmen verpflichtet, den sogenannten „Basistarif“ anzubieten. Er ist bei allen Versicherern gleich und entspricht von den Leistungen her in etwa der gesetzlichen Krankenversicherung und darf auch nicht mehr kosten als der Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für Rentner, die schon länger privat krankenversichert sind, gibt es außerdem den ebenfalls brancheneinheitlichen Standardtarif, dessen Leistungen ebenfalls dem Niveau der gesetzlichen Kassen gleichen.
Marc: Darf man in diesen Basistarif jederzeit ohne erneute Gesundheitsfragen wechseln?
Ulrike Steckkönig: Jede Versicherungsgesellschaft muss jeden Antragsteller in den Basistarif aufnehmen. Gesundheitsfragen müssen zwar trotzdem beantwortet werden – sie führen jedoch nicht zur Ablehnung oder zu Risikozuschlägen.
Altersrückstellungen übertragen
Micio: Was passiert mit meinen für das Alter gebildeten Beitragsrückstellungen, wenn ich a) die private Krankenversicherung wechsle, b) wieder in die gesetzliche Krankenversicherung wechsle wegen niedrigerem Verdienst? Denn ich könnte ja rein theoretisch kurz vor Rentenbeginn meine Beschäftigung so kürzen, dass ich unter der Beitragsbemessungsgrenze bin und wieder gesetzlich versichert bin. Sind dann meine Altersrückstellungen bei der privaten Krankenversicherung futsch?
Ulrike Steckkönig: Wenn Sie von einer privaten Versicherungsgesellschaft zur anderen wechseln, können die Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifs übertragen werden. Wechseln Sie jedoch zur Gesetzlichen Krankenversicherung, verbleiben die Alterungsrückstellungen beim privaten Versicherer. Die Rückkehr zur gesetzlichen Krankenkasse kurz vor Rentenbeginn ist allerdings ausgeschlossen – denn ab dem 55. Geburtstag kommen Sie selbst bei einem sehr geringen Arbeitseinkommen nicht mehr zurück in die gesetzliche Krankenkasse.
Christian: Der Arbeitgeberanteil zur privaten Krankenversicherung ist begrenzt auf den Höchstbeitrag aus der Gesetzlichen Krankenversicherung. Wie berechnet sich dieser Anteil als Rentner (Zuschuss der Rentenversicherung)?
Ulrike Steckkönig: Der Rentenversicherungsträger behandelt Sie so, als ob Sie gesetzlich versichert wären. Er führt also den selben Prozentsatz ihrer gesetzlichen Rente als Beitragszuschuss an die private Krankenversicherung ab, wie bei einem gesetzlich Versicherten. Aktuell wären das 7,3 Prozent. Der Unterschied zu einem gesetzlich krankenversicherten Rentner ist, dass Ihre privaten Krankenversicherungsbeiträge im Rentenalter nicht niedriger werden, auch wenn Ihr Einkommen sich stark verringert..
Sonderkündigung und Tarifwechsel
Moderator: Noch eine aktuelle Frage aus dem Chat:
Lissy67: Gilt das Sonderkündigungsrecht bei Beitragserhöhungen auch bei Wahltarifen?
Ulrike Steckkönig: Da sind wir jetzt wieder bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Seit Anfang dieses Jahres gilt eine neue gesetzliche Regelung: Sie besagt, dass auch Versicherte in Wahltarifen ein Sonderkündigungsrecht haben, wenn die gesetzliche Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt oder einen bestehenden Zusatzbeitrag erhöht.
Reiku: Kann ich immer innerhalb einer Privaten Krankenversicherung zu einem anderen Tarif wechseln und muss die private Krankenversicherung den Wechsel akzeptieren? In bin jetzt 50 Jahre und würde gerne in einen gleichwertigen Tarif wechseln, der zur Zeit Neueinsteigern angeboten wird. Kann die private Krankenversicherung dies ablehnen?
Ulrike Steckkönig: Sie haben grundsätzlich das Recht, innerhalb einer Versicherungsgesellschaft in gleichartige Tarife zu wechseln – wenn es Leistungsunterschiede geben sollte, kann der Versicherer die „Mehrleistungen“ des neuen Tarifes für Sie ausschließen. Manchmal informieren Versicherer ihre Kunden nicht bereitwillig über günstigere Alternativen. In diesem Fall sollten Sie sich beraten lassen und auch beim Versicherer nachfragen. Sie können aber auch günstige Tarife ihres eigenen Versicherers mit Hilfe unserer Computeranalyse für 18 Euro suchen lassen.
Moderator: So, die Chat-Zeit ist auch schon fast um: Wollen sie noch ein kurzes Schlusswort an die User richten?
Ulrike Steckkönig: Also erst einmal vielen Dank für die zahlreichen Fragen und für das engagierte Mitchatten, das hat mir Spaß gemacht. Alle diejenigen, die aktuell vor der Wahl stehen, sich privat zu versichern und die Angebote mit auffallend niedrigen Beiträgen vorliegen haben, sollten vielleicht einmal einen Blick in unsere aktuelle Veröffentlichung werfen (Test“Billigtarife Private Krankenversicherung“ aus Finanztest 4/2011). Dort gibt es unter anderem eine kurze Checkliste, auf welche gefährliche Leistungslücken in Verträgen Sie achten sollten.
Moderator: Das waren 60 Minuten test.de-Expertenchat. Vielen Dank an die User für die vielen Fragen, die wir aus Zeitgründen leider nicht alle beantworten konnten. Vielen Dank auch an Ulrike Steckkönig, dass Sie sich die Zeit für die User genommen haben. Das Transkript dieses Chats können Sie in Kürze auf test.de nachlesen. Das Chat-Team wünscht allen noch einen schönen Tag.
Analyse: Private Krankenversicherrung
Produktfinder: Gesetzliche Krankenkassen
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Bin seit 21 Jahren Privat krankenversichert und bin sehr zufrieden. Ich habe lediglich 1 Mal PKV gewechselt, weil meine damalie Versicherung nicht so kostengünstig wie meine jetzige Versicherung bei höherem Selbstbehalt war. Ich denke der Kardinalfehler ist insbesondere bei Angestellten PKV Tarife zu wählen ohne Selbstbehalt. Bei MacTarifCheck in Youtube ist schön zu sehen, dass durch die kostenlose Nutzung solche Tarife ausgebombt werden, weil jeder Versicherte ohne Hemmung den Tarif nutzt.
Meine Erfahrung ist, dass ein höherer Selbstbehalt (ausser bei Kindern) deutlich zu einem stabilen Beitrag beiträgt. Außerdem habe ich einen Tarif gewählt mit hoher Rückerstattung bei Leistungsfreiheit (3 Monatsbeiträge) weil ich selbst, wie auch die anderen Mitglieder natürlich versuchen Disziplin zu wahren um ein viertel meiner Beiträge zurück zu erhalten. Vorsorge sollte aber nicht zum Selbstbehalt gehören, denn dieses muß jedes Jahr sein!
Ich bin seit 28 Jahren privat krankenversichert und zahle jetzt als Rentner etwa ein drittel meiner gesetzlichen Rente als Beitrag! Etwa vier mal so viel wie ich als gesetzlich versicherter zuzahlen müsste.
In diesen 28 Jahren ist der Beitrag trotz dreimaliger Tarifumstellung auf weniger Leistung um gute 460% gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist der Höchstbeitrag bei der GKV nur um 160% gestiegen.
Leider sagt einem der Vertreter der diese Verträge verkauft diese Wahrheit NICHT! Ich würde diesen Schritt nicht wieder machen wenn ich noch einmal die Gelegenheit hätte.
@kochi, Lämpchen und Minette3: Bitte stellen Sie Ihre Fragen direkt im Chat. Die Fragen der test.de-Nutzer und Antworten der Finanztest-Expertin können Sie hier im Internet auch nachlesen. Weitergehende Fragestellungen richten Sie bitte an den Finanztest Leserservice: finanztest@stiftung-warentest.de
Kommentar vom Autor gelöscht.
Aufgrund meines Alters (57) wahrscheinlich nicht. Aber als freiwillig versicherte Beamtin bezahle ich fast 600 € im Monat ohne Zusatzversicherungen. Besteht eine Möglichkeit den Betrag zu reduzieren?