
Die Experten Florian Hoffmann (VZ Bremen, links) und Rüdiger Stumpf (Finanztest).
Ihnen kommt es bei einer Geldanlage nicht nur auf die Rendite an, sondern auch darauf, dass die Fondsgesellschaft ethische oder ökologische Standards einhält? Die Stiftung Warentest und die Verbraucherzentrale (VZ) Bremen haben 46 nachhaltige Investmentfonds getestet. Im Chat auf test.de standen die Experten Rüdiger Stumpf (test.de) und Florian Hoffmann (VZ Bremen) Rede und Antwort. Lesen Sie hier das Chatprotokoll.
Die Top-3-Fragen aus dem Pre-Chat
Moderator: Vor dem Chat hatten die Leser und Leserinnen bereits die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu bewerten. Hier die Top-1-Frage aus dem Pre-Chat:
Augusta: Aktienfonds mit nachhaltigem Anspruch haben in den vergangenen Jahren durchweg schlechter abgeschnitten als normale Aktienfonds. Mehr noch: Die Anleger mussten teilweise sogar höhere Verluste in Kauf nehmen. Warum ist das so? Doch nicht etwa, weil das Angebot kleiner ist?
Rüdiger Stumpf, test.de: Es ist tatsächlich so, dass Fonds von der Rendite her nicht so gut gelaufen sind wie die besten Aktienfonds, die in weltweite Unternehmen investieren. In dem Test haben wir festgestellt, dass es Fonds mit einem mittleren Chance-Risiko-Verhältnis oder auch mit einem überdurchschnittlichen gibt. Der Candriam Equities L hat z. B. eine überdurchschnittliche Finanztestbewertung und nach dem von uns geprüften Nachhaltigkeitsmaß, das sind unsere Ausschlusskriterien, erfüllt dieser Fonds davon 45 %. Unser Testsieger, der ÖkoVision, ist zum Beispiel der teuerste Fonds im Test. Käufer müssen pro Jahr 2,5 % Gebühren zahlen und zusätzlich Erfolgsgebühr. Das schmälert die Rendite des Fonds und von unserer Bewertung ist er unterdurchschnittlich. Das Spektrum der Fonds ist also sehr groß in puncto Rendite.
Moderator: ... und hier die Top-2-Frage:
Harry Hirsch: Ist der Nutzen eines Aktienfonds, der üble Branchen ausschließt nicht nur der, das eigene Gewissen zu beruhigen? Was ändert man denn, wenn man keine Aktien von diesen Unternehmen kauft?
Florian Hoffmann, VZ Bremen: Das kann man so nicht sagen. Auf jeden Fall gibt der Ansatz, problematische Branchen oder Verhaltensweisen auszuschließen, dem nachhaltigkeitsorientierten Verbraucher ein hohes Maß an Gewissheit, sich an derartigen Finanzierungen nicht zu beteiligen. Darüber hinaus kann dieser Ansatz Signale an Unternehmen senden, problematische Verhaltensweisen wirksam abzustellen oder sich ggf. aus kritischen Branchen zurückzuziehen. Voraussetzung hierfür ist ein wirksames Engagement des Fonds-Managements, die im Idealfall sehr hohe Summen verwalten, um auf Unternehmen diesbezüglich einzuwirken.
Moderator: ... und die Top-3-Frage:
ANONY: Ich möchte monatlich 1 000 EUR anlegen und zwar mittelfristig. Was ist das Beste?
Rüdiger Stumpf: Sie sollten überlegen, wie lange Sie das Geld entbehren können. Als Zweites sollten Sie den Betrag splitten und in mehrere Sparpläne legen. Wenn Sie ethisch-ökologisch anlegen wollen, haben wir in diesem Test Aktienfonds und Rentenfonds für Sie untersucht. Auf die meisten dieser Fonds sind Einzahlungen per Sparplan möglich. Wenn Sie monatlich einzahlen wollen, tun Sie das mit zwei oder drei Sparplänen. Einer davon sollte ein Aktienfonds-Sparplan sein und der zweite ein Rentenfonds-Sparplan. Sie können auch einen Aktienindexfonds als Sparplan nutzen. Zwei nachhaltige ETFs sind in unserem Test.
Verhältnis Gewinn und Nachhaltigkeit
uhwi: Wenn Unternehmen weder die Natur noch den Menschen ausbeuten, dann können sie keine vergleichbaren Gewinne machen wie Unternehmen, die dies tun, oder? Die Dividende und die Kurse müssten demnach geringer ausfallen als bei nicht-nachhaltigen Unternehmen. Muss ich als Anleger dann bescheidenere Ziele verfolgen?
Florian Hoffmann: Das kann man so zwangsläufig nicht sagen. Ausbeutung von Mensch und Natur muss nicht zwangsläufig einen Kostenvorteil innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette darstellen. Zunehmend geraten Unternehmen in massive Kritik bei derartigen Praktiken, diese wird unter anderem hergestellt durch NGOs. Ab diesem Punkt kann sich der vermeintliche Kostenvorteil ins Gegenteil verkehren, siehe die Vorkommnisse in Bangladesh in Zusammenhang mit der Textilfertigung für internationale Modeketten.
Norbert Rensburg: Der Ökovision ist ihr Testsieger. Wieso hat er eine so schlechte Finanztestbewertung? Sollte man wirklich investieren, wenn einem die Rendite trotz allen guten Gewissens nicht egal ist?
Rüdiger Stumpf: Unser Testsieger, der ÖkoVision, verlangt die höchsten Gebühren von allen Fonds im Test. Das fehlt natürlich dem Anleger bei seiner Rendite. Ob Sie diesen Fonds kaufen wollen, hängt davon ab, ob Sie sehr streng bei Ausschlusskriterien für Aktientitel sind oder ob Sie einzelne problematische Branchen tolerieren können und dafür auch höhere Renditechancen haben. Wenn Sie mehr auf Rendite achten, empfehlen wir Ihnen den Candriam Equities L, der aktuell eine überdurchschnittliche Finanztestbewertung hat.
Nach welchen Kriterien Finanztest die Fonds ausgewählt hat
Little John: Müssen die von Ihnen ausgewählten Fonds sowohl ethischen als auch ökologischen Gesichtspunkten genügen – oder reicht es, wenn eines der beiden Kriterien erfüllt ist?
Rüdiger Stumpf: In dem Test haben wir uns ethische und ökologische Kriterien angeschaut und auf dem ökologischen Gebiet haben wir uns sogar noch eine weitere Anlagestrategie der Fonds angeguckt, das sind praktisch gezielte Investitionen in Unternehmen, die regenerative Energien fördern oder Technologien zur Trinkwasseraufbereitung produzieren. Bei den ethischen Punkten ist der Ausschluss von Unternehmen, die mit Rüstung, Atomkraft und Gentechnik Geld verdienen, ein wichtiger Punkt. In unserem Test haben wir die Fonds genau nach diesen Ausschlusskriterien überprüft. Ein Fonds, der ÖkoVision, hat die Ausschlusskriterien zu 100 % erfüllt.
0815Frager: Sind Firmen, die Streumunition herstellen, nach wie vor ausgeschlossen von rein ökologischen Fonds?
Florian Hoffmann: Alle getesteten Fonds geben an, derartige Waffen auszuschließen. Ob das bei allen ethisch-ökologischen Fonds am Markt der Fall ist, haben wir aktuell nicht untersucht. Grundsätzlich gilt: Es gibt keine Mindeststandards für ethisch-ökologische Fonds wie auch für Geldanlagen im Allgemeinen. Was der Anbieter unter einer ethisch-ökologischen/nachhaltigen Geldanlage versteht, obliegt seiner Definition. Interessierte Verbraucher kommen daher nicht umhin, sich die angewendeten Nachhaltigkeitskriterien genau anzuschauen. Nur so kann überprüft werden, ob das eigene Nachhaltigkeitsverständnis mit dem des Anbieters übereinstimmt. Unser aktueller Test bietet hierfür eine gute Orientierungshilfe.
Welcher Anlegertyp bin ich?
Karo: Seit dem Sarasin-Skandal merke ich, dass viele Anlegerinnen sehr verunsichert sind. Sollte man/frau solchen Gesellschaften den Rücken kehren und Fonds in andere Nachhaltigkeitsfonds tauschen?
Rüdiger Stumpf: Sind Sie mit Ihrem Fonds unzufrieden, dann können Sie Ihre Anteile an die Fondsgesellschaft zurückgeben. Das ist günstiger als sie über die Börse zu verkaufen. In unserem Test finden Sie 33 gemanagte Aktienfonds, die wir nach Nachhaltigkeitskriterien bewertet haben. Wenn Sie wissen, was Sie für ein Anlegertyp sind, z. B. ein strenger ethisch-ökologischer, ein renditeorientierter oder ein Klimaanleger, finden Sie den für Sie besten Aktien- oder Rentenfonds. Die ausführliche Beschreibung dieser Anlegertypen finden Sie im aktuellen Test Ethisch-ökologische Fonds.
Ethikbank & Co
Beepy: Es gibt ja auch Banken, die ganz auf ökologisch-nachhaltige Konzepte setzen. Wie z. B. die Ethikbank, GLS, Triodos, etc. Ist es nicht am einfachsten, über diese Banken Geld anzulegen? Kann man sich auf deren Ausschlusskriterien verlassen?
Florian Hoffmann: Es kann sicherlich eine gute Orientierung sein, sich an derartige Finanzinstitute zu halten. Im Idealfall bieten diese nur Investmentfonds an, die zu ihrer eigenen Philosophie passen. Aber auch hier gilt: Genau hinschauen!
Rüdiger Stumpf: In unserem Test haben wir einen Aktienfonds der GLS Bank und einen von Triodos. Der GLS Bank Aktienfonds erfüllt 48 % unserer Ausschlusskriterien, der Triodos Aktienfonds erfüllt sogar 68 % unserer Ausschlusskriterien.
Nachhaltige Aktienindizes
Karo: Können Sie noch ein paar Informationen zu den nachhaltigen ETFs geben? Wonach bzw. wer gibt die Auswahl vor? Gibt es einen bestimmten Nachhaltigkeitsindex, nach dem sich diese Fonds richten? Investieren die ETFs in Aktien oder nur in Derivate?
Rüdiger Stumpf: Wir haben in unserem Test zwei Aktienindizes, die sich auf Weltaktienmärkte beziehen. Der eine ist die nachhaltige Abwandlung des Dow Jones und der zweite die nachhaltige Variante von MSCI World. Mit der Auswahl der Aktien ist beim Dow Jones die Schweizer Agentur RobecoSAM beauftragt. Beim MSCI World Socially Responsible wählt der Indexanbieter selbst die Titel aus. In unserem Test hat der Fonds auf den Dow Jones 35 % unserer Ausschlusskriterien erfüllt. Bei dem Fonds auf den MSCI World sind es 47 %. Der Vorteil an den Aktienindexfonds ist, dass sie sehr breit in jeweils über 400 Titel investieren und damit das Verlustrisiko minimieren.
Ethisch-ökologische Finanzprodukte von konventionellen Anbietern
Der Skeptiker: Liefern auch traditionelle Anbieter ethische Fonds oder schließt sich das von vorne herein aus, weil eine Trennung zum weiteren Geschäftsgebaren kaum möglich ist? Wie soll eine solche Trennung ggf. sichergestellt werden können?
Florian Hoffmann: Eine derartige Trennung ist grundsätzlich möglich. Relevant ist, in welche Unternehmen der Fonds investiert und in welche nicht. Die allermeisten Fonds in unserem Test stammen von konventionellen Anbietern, die eben auch ethisch-ökologische Fonds aufgelegt haben. Ob sich der interessierte Verbraucher mit seiner Erwartungshaltung an eine ethisch-ökologische Geldanlage bei diesen Anbietern gut aufgehoben fühlt, muss ein jeder selbst prüfen. Unser Test hat gezeigt: Die Vorstellung, was eine ethisch-ökologische Geldanlage ausmacht, variiert in der Praxis.
Geschlossene Fonds
Stefan1465: Warum vergleichen Sie nur offene Fonds? Geschlossene Fonds können doch viel leichter auf Einhaltung ethischer/sozialer/ökologischer Grundsätze geprüft werden. Worauf sollte ein Anleger bei solchen Angeboten achten?
Rüdiger Stumpf: Geschlossene Fonds halten wir für sehr riskant. In der Regel sind das Unternehmensbeteiligungen, an denen der Anleger bis zu 15 Jahre und länger beteiligt ist. Das Risiko besteht darin, dass z. B. Windkraftanlagen oder Solarparks damit finanziert werden. Wenn sich beispielsweise die Förderpolitik einer Regierung ändert, können diese geschlossenen Fonds in die Verlustzone rutschen.
Florian Hoffmann: So jüngst geschehen in Italien und in Spanien. Dies hat so einige Kalkulationen ins Wanken gebracht.
Rüdiger Stumpf: Das große Problem ist die langfristige Bindung von Anlegerkapital in diesen Fonds. Rutscht ein geschlossener Fonds ins Minus, kommt der Anleger da nicht mehr raus. Deshalb überlegen Sie bitte genau, ob Sie da Ihr Geld anlegen wollen.
Best-in-Class-Ansatz
IoBlin: Wie bewerten Sie eigentlich den Best-in-Class-Ansatz? Im Grunde genommen ist das ein ein Rumgemogele um den rein ökologischen Begriff eines Fonds.
Florian Hoffmann: Wie Sie gesehen haben, bewerten wir den angewendeten Best-in-Class-Ansatz der Investmentfonds nicht. Dieser wird im Regelfall von allen Anbietern angewendet, eine kurze Erläuterung dieses Ansatzes finden Sie im aktuellen Test Ethisch-ökologische Fonds. Ob es sich bei diesem Ansatz um ein „Rumgemogele“ handelt, kann man so pauschal nicht sagen. Wir haben diesen Ansatz in unserem aktuellen Test nicht berücksichtigt, da eine objektive Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Fonds nicht möglich ist. Jeder Fonds nutzt ein so genanntes Nachhaltigkeits-Rating. Unternehmen werden darin auf Ethik und Ökologie hin bewertet. Wie die einzelnen Prüfkriterien eines solchen Ratings gewichtet werden, lässt sich objektiv nicht in Vergleich setzen. Ausschlusskriterien hingegen bieten Verbrauchern eine verlässliche und zentrale Orientierungshilfe im Rahmen ihrer ethisch-ökologischen Geldanlage. Diesen Ansatz zu ergänzen, auch um den Best-in-Class-Ansatz, kann sinnvoll sein.
Nachhaltigkeit von Immobilienfonds
Gewissensbiss: Ich möchte mein Depot nach streng ethisch-ökologischen Grundsätzen neu ausrichten. Derzeit habe ich auch zwei Immobilienfonds (Hausinvest und Grundbesitz Europa RC). Kann ich diese guten Gewissens behalten?
Rüdiger Stumpf: Wenn Anleger jetzt anfangen, ihr Depot neu nach ethisch-ökologischen Kriterien zu strukturieren, sollten sie das nicht überhastet tun, sondern sich mehrere Jahre Zeit lassen, wenn sie etliche Positionen im Depot halten. Speziell offene Immobilienfonds haben wir nicht getestet. Inwieweit die Immobilienfonds nachhaltige Kriterien erfüllen, prüfen Sie am besten selbst. Schauen Sie sich die wesentlichen Anlegerinformationen an oder fragen Sie direkt bei der Fondsgesellschaft nach.
Zeithorizont bei Geldanlage
stefan1465: Wie sehen Sie das „Wasserknappheits“-Thema? Soll/darf man als ökologisch orientierter Anleger in solche Wasserfonds investieren?
Florian Hoffmann: Wasserfonds investieren in der Regel vornehmlich in Unternehmen, die dieses drängende ethische wie auch ökologische Thema durch z. B. Technologien oder Verfahren beherrschbar machen wollen. Hierbei ist jedoch Folgendes zu beachten: Bei einem derartigen Fonds handelt es sich um einen Themenfonds, der durch eine geringere Streuung schwankungsanfälliger ist. Hier sollte ein längerer Anlagehorizont bis zu 10 Jahre gewählt werden. Aus ethisch-ökologischer Sicht gilt zu bedenken, dass die investierten Unternehmen im Regelfall auch noch über andere Geschäftsfelder verfügen. Ob diese der eigenen Erwartungshaltung an einen ethisch-ökologischen Investmentfonds zuwiderlaufen, müssen Sie selbst prüfen. Im Regelfall finden Sie über die wesentlichen Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens über eine Suche im Internet relevante Informationen.
eumel: Ich möchte eine Einmalsumme von 50 000 Euro ethisch anlegen für eine Laufzeit von drei Jahren. Was empfehlen Sie?
Rüdiger Stumpf: Wenn Sie einen Anlagehorizont von nur drei Jahren für den gesamten Betrag haben, sollten Sie es auf ein Festgeldkonto legen. Die Zinsen sind im Moment auf dem Tiefstpunkt, deshalb erhalten Sie dafür nicht viel mehr als maximal 2,2 % Zinsen. Wenn Sie das Geld zu einer ethisch-ökologischen Bank bringen, liegen die Zinsen noch darunter. Sie können aber auch überlegen, ob Sie den Betrag splitten können. Dann ist es möglich, einen Teil für einen längeren Zeitraum in einen Fonds zu legen. Das sollten mindestens 5 Jahre sein. Den anderen Teil des Geldes, den Sie nach drei Jahren benötigen, legen Sie dann als Festgeld an. Grundsätzlich empfehlen wir für den sicheren Teil auch Staatsanleihen. Im Moment sind die Zinsen aber so gering, dass sich das für Sie nicht lohnt.
Finanztest prüft Nachhaltigkeitsversprechen
Finanztest vergleicht regelmäßig mehr als 18 000 Investmentfonds Fonds im Test. Darunter etwa 500, von denen die Fondsgesellschaften behaupten, dass sie nachhaltig investieren. Trotzdem liegen in einigen Fonds Anteilsscheine von Ölkonzernen und sogar von Firmen, die an Atomenergie beteiligt sind. Für andere Gesellschaften ist das Teufelszeug. Wie konsequent Fondsgesellschaften bei der Auswahl von Aktien und Anleihen sind, haben die Stiftung Warentest und die VZ Bremen für 46 nachhaltige Investmentfonds getestet.