Beim Servicetest Krankenkassen haben AOK Plus und Techniker Krankenkasse ein gut abgeliefert. Service und Beratung bei den anderen 19 Kassen im Test ist befriedigend. Auf Fragen zum Thema antwortet Finanztest-Expertin Sabine Baierl-Johna im Chat.
21 Kassen untersucht
Moderator: So, es ist jetzt 13 Uhr. Hier im Chat begrüße ich jetzt die Finanztest-Expertin Sabine Baierl-Johna. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und die Fragen unserer Chatterinnen und Chatter beantworten. Gleich die erste Frage an unseren Gast: Wie sieht es aus, wollen wir starten?
Sabine Baierl-Johna: Schönen guten Tag, gerne können wir anfangen!
Moderator: Damit unsere Nutzer alle auf einem Stand sind: Was haben Sie getestet und was waren die zentralen Ergebnisse?
Sabine Baierl-Johna: In der aktuellen Ausgabe von Finanztest haben wir 21 gesetzliche Krankenkassen untersucht und die Qualität der Beratungsangebote getestet.
Bei der Kassenauswahl sind wir nach Größe der Kasse gegangen und haben alle Kassenarten berücksichtigt, so dass der Großteil der gesetzlich Versicherten sich in dem Test wiederfinden kann. Um Service und Beratung der Kassen beurteilen zu können, haben wir Versicherte mit unterschiedlichen Fragestellungen zu den Kassen geschickt und geschaut, wie kompetent die Kassen persönlich, in der Geschäftsstelle, am Telefon oder per E-Mail beraten haben. Hierbei haben wir auch geschaut, wie gut Kassen erreichbar sind, ob eine schnelle Reaktion auf E-Mails erfolgt oder die Mitarbeiter freundlich und diskret vorgegangen sind. Zusätzlich haben wir noch die allgemein zugänglichen Informationen, die Kassen im Internet bieten, geprüft und hierbei sowohl den Umfang als auch die inhaltliche Qualität verglichen. Als Ergebnis: Zwei Kassen konnten das Qualitätsurteil gut erzielen, die anderen Kassen erfüllen unsere Anforderungen befriedigend.
Moderator: Im Vorfeld des Chats hatten die Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit, schon Fragen zu stellen und zu bewerten. Hier nacheinander die beiden Fragen, die mit gleicher Stimmenzahl auf Platz Nummer 1 gewählt wurden:
Kassen können mehr Leistung bieten
Shura: Mich verwirrt immer die Aussage „Die Krankenkasse XY zahlt so etwas, die Kasse XZ nicht“. Woher resultieren die unterschiedlichen Leistungen? Ich dachte, die sind gesetzlich vorgeschrieben?
Sabine Baierl-Johna: Der Großteil der Leistungen, die Krankenkassen bieten, ist gesetzlich vorgeschrieben und durch Ausführungsbestimmungen geregelt. Der gemeinsame Bundesausschuss, dem Krankenkassen, Ärzte und Krankenhäuser angehören, bestimmt zum Beispiel, welche Arzneimittel zugelassen sind oder für welche Impfungen Kassen bezahlen müssen. Darüber hinaus haben Kassen aber die Möglichkeit, mehr Leistungen zu erbringen. Diese sind auch häufig in der Satzung geregelt. So können sie zum Beispiel über gesetzlich vorgeschriebene Impfungen für Reiseimpfungen bezahlen. Sie können auch besondere Versorgungs- und Behandlungsangebote mit Ärzten oder Krankenhäusern vereinbaren. So bieten zum Beispiel viele Kassen eine homöopathische Behandlung auf KV-Karte bzw. Chip-Karte an oder bezahlen für zusätzliche Früherkennungsuntersuchungen. Auch beim Service bieten Kassen unterschiedliche Leistungen, zum Beispiel unterstützen einige ihre Versicherten bei der Vermittlung von Facharzt-Terminen oder kommen im Bedarfsfall sogar persönlich nach Hause. Diese Zusatzangebote machen den Unterschied.
Huhn: Die Geschäftsstellen sind oftmals nur noch vertriebsorientiert. Leistungen werden dort in der Regel nicht reguliert, sondern bundesweit an „Spezialisten“ verteilt. Zum Beispiel Geschäftsstelle in Gelsenkirchen, Krankengeld aus Düsseldorf, Heil- u. Hilfsmittel aus Bochum. Wo ist da noch der Unterschied zu den Direktkrankenkassen? Geschäftsstellen kanalisieren oft nur. Ein Sachbearbeiter, der die ganze Krankengeschichte nachvollziehen kann, ist Illusion. Gibt es noch Kassen mit dezentraler Leistungsbearbeitung?
Sabine Baierl-Johna: Da die Kassen unter finanziellem Druck stehen, versuchen sie ihre Arbeitsabläufe zu optimieren. Tatsächlich sind daher die Arbeitsabläufe in den letzten Jahren häufig in Kompetenzzentren zentralisiert worden. Es gibt dennoch viele Kassen, die regional stark vertreten sind und ihren Kunden Geschäftsstellen vor Ort anbieten, wo sie eine persönliche Beratung gewährleisten sollten. EDV-gestützt müssten die Kassen-Mitarbeiter auch die persönliche Krankengeschichte im Blick haben. Wenn einem die persönliche Beratung wichtig ist und die eigene Kasse keine Geschäftsstelle in der Nähe bietet, wird der Unterschied zu einer Direktkasse tatsächlich geringer.
Zwei Kassen im Test beraten kompetent
Moderator: Hier kommen schon sofort aktuelle Nachfragen zum Test:
Wuppertal53: Welche Kassen sind denn gut?
Sabine Baierl-Johna: Mit gut bewertet haben wir die AOK plus und die Techniker Krankenkasse, die beide gute Ergebnisse im Service erzielt haben. Auch die Beratung in der Geschäftsstelle und am Telefon war bei beiden Kassen fachlich kompetent und ist von uns gut bewertet worden.
Anne65: Was denken Sie, woran liegt das, dass die meisten Kassen nur befriedigend abgeschnitten haben? Mitarbeitermangel, schlechte Ausbildung???
Sabine Baierl-Johna: Wir haben im Test sieben Fragestellungen untersucht, in der Hauptsache zu sozialversicherungsrechtlichen Themen, zum Beispiel zum Zahnersatz oder zu Vorsorgeuntersuchungen. Die Kassen konnten in den meisten Fällen ihre Versicherten hierzu nur befriedigend beraten. In der Regel erfolgten die Beratungen jedoch ohne lange Wartezeiten und gleich beim ersten Besuch in der Geschäftsstelle.
Heimwerker11: Denken Sie, die Testergebnisse werden die Krankenkasse anregen, Ihren Service zu verbessern?
Sabine Baierl-Johna: Das Interesse der Kassen an den Testergebnissen ist sehr groß. Wegen des einheitlichen Beitragssatzes ist der Wettbewerb um die Kunden durch besonders guten Service auch durch die Zusatzleistungen bestimmt. Insgesamt ist das Ergebnis, was die Erreichbarkeit und das Mitarbeiter-Verhalten angeht, seit unserem 2007 durchgeführten Test besser geworden.
Bei schlechter Beratung Kasse wechslen
A-Schmidt: Wie gehe ich bei Differenzen mit meiner Krankenkasse vor?
Sabine Baierl-Johna: Je nachdem, ob es um Leistungen geht, die nicht bewilligt werden oder darum, ob man sich nicht gut und kompetent beraten fühlt. Bei Letzterem können Sie darüber nachdenken, die Kasse zu wechseln. Sie können jederzeit unter den über 100 geöffneten gesetzlichen Kassen wählen, müssen dann allerdings 18 Monate Mitglied bleiben, bevor Sie erneut wechseln können. Nur wenn die Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt, haben Sie ein Sonderkündigungsrecht. Haben Sie eine Leistung beantragt, bekommen diese jedoch nicht bewilligt, haben Sie die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Dabei müssen Sie aber unbedingt bestimmte Fristen beachten. Sie können sich Unterstützung und Beratung holen, zum Beispiel bei der unabhängigen Patientenberatung oder bei den Verbraucherzentralen.
Damian: Haben sich die großen Kassen (z.B. Barmer, Techniker Krankenkasse) eigentlich schon in Sachen Zusatzbeitrag festgelegt?
Sabine Baierl-Johna: Im Moment erheben 13 der für alle geöffneten Krankenkassen einen Zusatzbeitrag zwischen 8 Euro pauschal oder einkommensabhängig bis maximal 37,50 Euro monatlich für Besserverdienende. Anfang des Jahres hatte Stiftung Warentest die Kassen befragt, ob sie für das gesamte Jahr 2010 Zusatzbeiträge ausschließen. Über 60 Kassen haben uns dies definitiv zugesagt, einige wollten sich aber wegen der Unwägbarkeiten der Rahmenbedingungen nicht festlegen. Es empfiehlt sich, regelmäßig auf den Internetseiten der Kassen zu recherchieren, denn wenn sich eine Kasse entschließt, keinen Zusatzbeitrag zu erheben, wirbt sie auch offensiv damit. Sie können aber auch im Produktfinder Gesetzliche Krankenkassen nachschauen. Hier stellen wir neben den Zusatzleistungen, die Kassen bieten, auch aktuell dar, ob ein Zusatzbeitrag erhoben wird oder ob die Kasse diesen für 2010 ausschließt.
Bei manchen Kassen gibt es als Bonus Geld
Simon: Gibt es bei den Bonusprogrammen der Kassen große Unterschiede oder ähnelt sich das Angebot mittlerweile?
Sabine Baierl-Johna: Auch hierzu bieten wir Informationen im Produktfinder. Kassen gestalten ihre Bonusprogramme unterschiedlich. Bei einigen können Sie nur Sachprämien (zum Beispiel Sitzbälle oder Laufräder für Kinder) erhalten, andere zahlen Ihnen aber tatsächlich einen Geldbetrag aus. Die Kassen stellen aber sehr unterschiedlich hohe Anforderungen an ihre Versicherten. Um einen hohen Geldbetrag zu erzielen, muss teilweise eine nicht erbringbare Menge an Maßnahmen vom Versicherten durchgeführt werden. Wir stellen daher in unseren Untersuchungen dar, ob Kassen schon einen Gesundheitsbonus anbieten, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum Beispiel, wenn der Versicherte eine Vorsorgeuntersuchung, einen Gesundheitskurs und eine Impfung nachweisen kann. Gegebenenfalls bekommt der Versicherte hierfür schon über 50 Euro pro Jahr.
Zusatzversicherungen prüfen
FrankZ: Meine Gesetzliche Krankenkasse bietet mir in letzter Zeit immer wieder Zusatzversicherungen an. Kann ich damit den Service eines Privat-Patienten erfahren?
Sabine Baierl-Johna: Generell kann man den Leistungsumfang durch Zusatzversicherungen erweitern. Zum Beispiel eine Zahnzusatzversicherung, eine Chefarzt-Behandlung oder eine bevorzugte Unterbringung im Krankenhaus. Einige wenige gesetzliche Kassen bieten diese Zusatzleistungen als Wahltarif an. Wenn Sie diesen abschließen, sind Sie allerdings drei Jahre an Ihre Kasse gebunden und verlieren auch ein mögliches Sonderkündigungsrecht. Alle Kassen arbeiten aber auch mit privaten Versicherungsunternehmen zusammen, in der Kooperation bieten sie dann Zusatzversicherungen mit einem kleinen Rabatt an. Da man dann jedoch immer an diesen speziellen Kooperationspartner gebunden ist, kann es trotz des finanziellen Vorteils sein, dass ein anderes privates Versicherungsunternehmen diesen Zusatztarif günstiger anbietet. Wer sich für eine Zusatzversicherung interessiert, sollte daher neben dem Angebot der Kasse auch andere Angebote prüfen. In der Oktober-Ausgabe von Finanztest finden Sie eine neue Untersuchung zu Ergänzungstarifen für Zahnersatz, Heilpraktiker und Brillen. Der Test erscheint am 14. September online.
Zusatzbeiträge müssen gezahlt werden
Blade: Stimmt es, dass mittelfristig alle Kassen wegen struktureller Unterfinanzierung einen Zusatzbeitrag erheben müssen?
Sabine Baierl-Johna: Zur Milderung der schlechten finanziellen Situation plant die Bundesregierung ab dem nächsten Jahr, den allgemeinen Beitragssatz auf 15,5 Prozent anzuheben. Somit kommt mehr Geld ins System, außerdem sollen auch auf der Ausgaben-Seite Einsparungen erfolgen. Ist eine Kasse dennoch dauerhaft unterfinanziert und übersteigen die Ausgaben die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, so schreibt das Gesetz sogar vor, dass sie einen Zusatzbeitrag erheben muss. Was im nächsten Jahr passiert, können wir auch nicht vorhersagen.
Franky: Was passiert, wenn ich meinen Zusatzbeitrag nicht zahlen will?
Sabine Baierl-Johna: Man muss den Zusatzbeitrag zahlen, da er genauso ein Beitrag ist wie der allgemeine Beitragssatz. Die Kassen haben ansonsten die Möglichkeit, zu mahnen und rechtliche Schritte einzuleiten. Gegebenenfalls wird es auch eine Regelung geben, die die fälligen Beiträge mit Versäumnis- oder Strafzahlungen belegt. Wenn Sie in einer Kasse sind, die einen Zusatzbeitrag erhebt und Sie nicht auf spezielle Zusatzleistungen dieser Kasse Wert legen, haben Sie natürlich immer die Möglichkeit, zu wechseln.
Ken: Gibt es eine Altersbegrenzung für einen Kassenwechsel?
Sabine Baierl-Johna: Nein, gesetzliche Krankenkassen müssen alle Versicherungspflichtigen aufnehmen. Sie können Sie nicht wegen bestehender Krankheiten oder Ihres Alters ablehnen.
Kasse nach den Zusatzleistungen auswählen
Sven: Worauf muss ich genau achten, wenn ich meine gesetzliche Krankenkasse wechseln will? Wo kann ich mich beraten lassen?
Sabine Baierl-Johna: Generell ist ja der Großteil der Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gleich. Sie müssen für sich selbst definieren, was Ihnen an möglichen Zusatzleistungen wichtig ist und können dann entsprechend eine Kasse, die diese anbietet, wählen. Möchten Sie zum Beispiel eine Geschäftsstelle in Ihrer Nähe haben oder ist es Ihnen wichtig, eine persönliche Beratung zu Hause zu bekommen, wollen Sie möglichst umfangreiche Angebote oder Erstattungsregelungen bei Gesundheitskursen erhalten? Legen Sie Wert auf eine Mehrleistung bei häuslicher Krankenpflege oder zusätzliche Kindervorsorge-Untersuchungen? Je nach individueller Lebenssituation können verschiedene Angebote für Sie interessant sein. Diese besonderen Leistungen werden von Stiftung Warentest regelmäßig untersucht, diesbezüglich können Sie sich auf unserer Internetseite informieren oder sich auch an die unabhängige Patientenberatung oder an die Verbraucherzentralen wenden.
Moderator: So, die Chat-Zeit ist auch schon fast um: Wollen sie noch ein kurzes Schlusswort an die User richten?
Sabine Baierl-Johna: Vielen Dank für die interessanten Fragen, es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Bis hoffentlich zum nächsten Mal!
Moderator: Das waren 60 Minuten test.de-Expertenchat. Vielen Dank an die User für die vielen Fragen – die wir aus Zeitgründen leider nicht alle beantworten konnten. Vielen Dank auch an Sabine Baierl-Johna für die kompetenten Antworten. Das Transkript dieses Chats können Sie in Kürze auf test.de nachlesen.