
Mobilität. Im Schnitt beträgt in Deutschland der CO2-Ausstoß pro Kopf für Flugreisen 0,58 Tonnen jährlich. Auto, Bus und Bahn schlagen mit 1,61 Tonnen zu Buche.
Das moderne Leben ist sehr oft schlecht fürs Klima. Mit CO2-Zertifikaten lässt sich der Schaden zum Teil wieder ausgleichen.
Die Kanaren gehören zu den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen. Allein im Jahr 2016 sind 3,1 Millionen Menschen aus Deutschland auf die Inseln geflogen. Hin und zurück werden dabei rund 1,9 Tonnen Kohlendioxid (Glossar) in die Luft geblasen. Pro Urlauber, nicht pro Flug.
CO2 trägt wesentlich zum Klimawandel bei, weil es verhindert, dass Wärme ins Weltall entweicht. Am besten wäre es, nicht zu fliegen. Wer aber nicht auf den ersehnten Urlaub verzichten will, der kann – sozusagen als zweitbeste Möglichkeit – den CO2-Ausstoß, den er mit seinem Flug verursacht, kompensieren. Kompensieren heißt, dass an anderer Stelle CO2 eingespart wird. Der Urlauber zahlt dafür.
Flüge besonders schädlich
Wer verschiedene Anbieter vergleicht, wird schnell feststellen, dass ein- und derselbe Flug unterschiedlich schädlich eingestuft wird. Für die Strecke Frankfurt-New York liegt die Klimabelastung demnach zwischen 2,3 und 3,8 Tonnen CO2.
Die Differenzen rühren aus den verschiedenen Rechenmethoden. Einen starken Einfluss hat der RFI-Faktor. RFI steht für Radiative Forcing Index. Er bezieht ein, dass der Treibhauseffekt von Flugemissionen in großen Höhen besonders stark ist. Der Weltklimarat hält einen Faktor von 2,7 für sinnvoll.
Wir waren mit einem RFI-Faktor größer 1,8 zufrieden. In der Praxis reicht die Bandbreite von 1 bis 3.
Drei von sechs sind sehr gut
Finanztest hat Organisationen unter die Lupe genommen, die eine freiwillige CO2-Kompensation anbieten. Im Test sind sechs Anbieter, die sich auch an Privatkunden wenden.
Von den sechs haben drei die Note sehr gut erhalten: Das sind Atmosfair, Klima-Kollekte und Primaklima. Myclimate hat gut abgeschnitten, Klimamanufaktur und Arktik sind nur ausreichend (Testergebnisse CO2-Kompensation).
Hauptaugenmerk lag bei unserer Bewertung auf der Qualität der Kompensation. In das Gesamturteil flossen außerdem ein: die Transparenz der Anbieter und, wie sie geführt und kontrolliert sind.
Mit ihren Kanarenflügen kommen die Deutschen auf rund 5,8 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Im Vergleich dazu ist der Markt der freiwilligen Kompensation noch klein: Im Jahr 2016 haben die sechs getesteten Anbieter zusammen im Geschäft mit Privatkunden rund 170 000 Tonnen CO2 kompensiert. Sie unterstützen dazu überwiegend Klimaprojekte mit erneuerbaren Energien oder zur Energieeffizienz in Entwicklungsländern.
Weniger Energie beim Kochen

Wohnen. Am deutschen CO2-Ausstoß pro Kopf machen Heizen und Strom allein mehr als ein Fünftel aus: 2,5 Tonnen jährlich.
Für eine Ersparnis von rund 130 000 Tonnen zeichnet allein Testsieger Atmosfair verantwortlich. Im afrikanischen Ruanda zum Beispiel versorgt Atmosfair Haushalte mit effizienten Öfen. Das spart Brennstoff: „Ein Großteil der Bevölkerung kocht mit Holzkohle und Feuerholz“, heißt es bei Atmosfair. Außerdem schont die Umstellung die Waldbestände. „In Ruanda wird mehr Feuerholz eingeschlagen als nachwächst.“
In einem anderen Projekt baut Atmosfair Biogasanlagen für Bauern in Nepal. Zwei Kühe reichten aus, um einen Hof rund um die Uhr mit Biogas zu versorgen. Auch das spart Feuerholz. „Ebenfalls in Nepal helfen wir beim Wiederaufbau von Gasthäusern nach dem Erdbeben und statten sie mit Solaranlagen aus“, sagt Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. Nicht nur in diesem Beispiel geht die CO2-Kompensation mit Aufbauhilfe einher. Viele Projekte funktionieren ähnlich.
Sonne statt Kerosin
Auch bei der Klima-Kollekte: „Wir kombinieren Klimaschutz mit Armutsbekämpfung“, sagt Geschäftsführerin Olivia Henke. Verbraucher finden Projekte mit Kochstellen, etwa in Indien, Nicaragua, Kenia sowie ebenfalls Ruanda. Zum Angebot der Klima-Kollekte gehören außerdem Biogasanlagen sowie ein Projekt im indischen Distrikt Tumkur, wo mit Kerosin betriebene Lampen durch Solarlampen ersetzt werden.
Primaklima hingegen konzentriert sich auf das Thema Wald. Der Verein betreibt zum Beispiel Wiederaufforstungsprojekte im Kibale-Nationalpark in Uganda und in Bolivien.
Unser Rat
CO2-Kompensation. Wenn Sie den CO2-Ausstoß für eine Reise ausgleichen wollen, können Sie einem Anbieter von CO2-Kompensation Geld für ein Klimaschutzprojekt spenden. Auch für andere klimaschädliche Aktivitäten ist das möglich.
Testsieger. Die besten Klimaschutzprojekte finden Sie bei Atmosfair, der Klima-Kollekte und Primaklima. Atmosfair und die Klima-Kollekte unterstützen vor allem Projekte mit erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz. Bei Primaklima finden Sie Waldprojekte.
Steuer. Ausgleichszahlungen an Anbieter von CO2-Kompensation können Sie als Spende von der Steuer absetzen (außer bei Arktik und Klimamanufaktur).
Wald ist umstritten
Wald speichert CO2, Aufforstungen scheinen daher die Lösung schlechthin für das Klimaproblem zu sein. Doch als CO2-Kompensation sind Aufforstungen umstritten. Wenn Bäume wachsen, benötigen sie dazu CO2. Verrottet ein Baum oder wird das Holz verbrannt, wird das CO2 aber wieder freigesetzt. Henriette Lachenit von Primaklima stellt klar: „Für die CO2-Kompensation wird selbstverständlich nur der Baumbestand angerechnet, der dauerhaft auf der Fläche steht.“ Ist der Wald ausgewachsen, bleibt das CO2 in den Bäumen zwar weiterhin gebunden, aber es wird kein neues CO2 mehr gespeichert. Dann gibt es auch keine neuen Zertifikate mehr.
Was auf jeden Fall für Aufforstung spricht: Waldprojekten werden mehr gute Nebeneffekte zugeschrieben als anderen Klimaschutzprojekten. Wald verhindert Erosion, dient als Wasserspeicher und bietet Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.
Was es kostet
Die Preise für die Kompensation reichen von 5 Euro pro Tonne CO2 bei der Klimamanufaktur bis 23 Euro bei Atmosfair und der Klima-Kollekte. Die Unterschiede hängen unter anderem von der Art der Projekte ab. Die Preise sind nicht in unsere Bewertung eingeflossen.
Die Projekte müssen gut sein
Entscheidend für das Testurteil war vor allem die Qualität der Kompensation. Um sie messen zu können, haben wir die Zertifikate bewertet, mit denen den Projekten die CO2-Einsparung bescheinigt wird.
Die besten Noten gab es für Zertifikate, die nach dem Gold Standard ausgestellt sind. Der Gold Standard ist ein Gütesiegel für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern (Glossar). Er wurde 2003 vom WWF und anderen Umweltverbänden entwickelt und will sicherstellen, dass Projekte nicht nur dem Klima, sondern auch den Menschen nützen.
Am besten abgeschnitten haben in diesem Punkt Atmosfair und die Klima-Kollekte, die zu 100 beziehungsweise 99 Prozent mit den besonders anspruchsvollen Gold-Standard-CER-Zertifikaten arbeiten. Die Projekte von Primaklima sind nach dem etwas weniger strengen Gold Standard VER zertifiziert.
Mitentwickeln ist gut
Gut fanden wir es auch, wenn die Anbieter sich an der Projektentwicklung beteiligen. Atmosfair zum Beispiel engagiert sich bei allen Projekten selbst, ebenso wie Primaklima. Auch die Klima-Kollekte ist vor Ort und begleitet und berät dort ihre Projektpartner.
Myclimate und Klimamanufaktur beteiligen sich zum Teil auch, kaufen aber häufig Zertifikate. Arktik kauft ausschließlich.
Ausgeschlossen sein sollten Zertifikate der ersten Generation des Kyoto-Protokolls, die zu geringe Anforderungen stellen, sowie Ex-ante-Zertifikate, die Kompensation bescheinigen, die es noch gar nicht gegeben hat.
Kein Freibrief für Klimasünder
Wichtig war uns auch, dass die Anbieter auf ihrer Internetseite deutlich machen, dass es besser ist, CO2 zu sparen, als es zu kompensieren. Jeder Flug schadet der Umwelt, gleich ob an anderer Stelle CO2 eingespart wird oder nicht.
Die Klimaprojekte sollten zudem nicht an anderer Stelle Schaden anrichten. Das ist etwa bei großen Wasserkraftwerken der Fall. Sie erzeugen klimafreundlichen Strom, schaden aber erheblich der Natur und beim Bau werden oft Menschenrechte verletzt.
Die Projekte sollen zusätzlichen Nutzen bringen. Deshalb sind sie nur ausnahmsweise in Industrieländern angesiedelt, weil diese sich gemäß Kyoto-Protokoll ohnehin zu Einsparungen verpflichtet haben. Daher zählt etwa das Projekt zur Erhaltung der Meetschower Moorkuhlen bei Gorleben nicht zu den zertifizierten CO2-Kompensationsprojekten. Moore sind natürliche CO2-Speicher. Wer will, kann zum Beispiel bei Arktik für das Projekt 1 Euro extra zahlen.
Auch das Bildungsprojekt von Atmosfair an Schulen ist nicht zertifiziert: Kinder lernen, wie sie Energie sparen können und was der Klimawandel bedeutet.
Verstecken gilt nicht
Weil es nicht ihr eigenes Geld ist, mit dem die Anbieter von CO2-Kompensation arbeiten, sondern das der Verbraucher, stellen wir hohe Anforderungen an die Transparenz. Wer zahlt, soll wissen, wohin sein Geld fließt. Ebenfalls in das Gesamturteil eingeflossen ist, wie die Anbieter sich organisiert haben. So sollten sie verhindern, dass Geld veruntreut werden könnte, etwa durch das Vier-Augen-Prinzip oder externe Wirtschaftsprüfung.
Über ihre Klimaschutzprojekte informieren alle, aber nur Atmosfair und Primaklima haben unsere Erwartungen voll erfüllt. Arktik und die Klimamanufaktur indessen veröffentlichen keinen Jahres- oder Tätigkeitsbericht mit Vermögensübersicht, Einnahmen und Ausgaben. Verbraucher erkennen nicht, wie viel Geld in die einzelnen Projekte geflossen ist. Genauso wenig erfahren sie, wie hoch die Verwaltungs- und Werbekostenquote ist.
Wir haben die Quoten berechnet: Myclimate liegt am unteren Ende mit rund 6 Prozent, Atmosfair kommt auf rund 10 Prozent. Bei der Klimamanufaktur sind die Verwaltungs- und Werbekosten mit mehr als 30 Prozent am höchsten – allerdings ist die Firma noch im Aufbau, sie ist erst seit 2014 am Markt.
Vertriebswege
Verbraucher können den gewünschten CO2-Ausgleich über die Internetseiten der Anbieter abwickeln. Mitunter können sie sich aussuchen, welche Art von Projekt sie unterstützen wollen. Jeder Anbieter bietet einen Rechner, mit dem Urlauber ermitteln können, wie viel CO2 bei ihrem Flug, ihrer Busreise oder ihrer Kreuzfahrt anfällt.
Bei manchen Reiseanbietern können Verbraucher die Kompensation direkt auf der Internetseite buchen. Lufthansa zum Beispiel kooperiert mit Myclimate. Der CO2-Rechner von Lufthansa kalkuliert jedoch nur mit einem RFI-Faktor (siehe oben Flüge besonders schädlich) von 1, damit wird nicht komplett kompensiert.
CO2 in allen Lebenslagen
Das Kompensieren ist nicht nur auf Reisen beschränkt. Wer will, kann seinen CO2-Fußabdruck für ein ganzes Jahr bestimmen und kompensieren.
Klimaverträglich wäre ein Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 zwischen ein und zwei Tonnen. Tatsächlich verursachen die Deutschen im Schnitt rund 11 Tonnen im Jahr.