Nach dem Kanzler-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz sind viele Fragen offen geblieben. Was wollen die Parteien eigentlich konkret erreichen? Knapp 820 Seiten umfassen die Wahlprogramme von Union, SPD, Linken, Grünen, FDP und AfD. Neben wolkigen Slogans stecken darin konkrete Pläne und neue Ideen. Unser Wahl-ABC erklärt, was rund um die Themen Geld, Recht, Gesundheit und Wohnen wichtig ist. Und wir zeigen, wo sich die Parteien in wesentlichen Punkten unterscheiden.
Arbeit und Bildung
Arbeitsverträge. SPD, Grüne und Linke fordern ein Verbot befristeter Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund. Die FDP lehnt ein Verbot ab. Bisher gilt: Ein Vertrag, der ohne Grund begrenzt wird, darf nicht länger als zwei Jahre laufen. Wenn er kürzer ist, etwa ein Jahr, darf er noch zweimal verlängert werden, aber nur so, dass die Laufzeit insgesamt nicht mehr als zwei Jahre ergibt.
Arbeitszeit. Die Union plant für Betriebe ab einer bestimmten Größe einen Rechtsanspruch auf Teilzeit für eine begrenzte Zeit. Sie will damit die Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung nach der Teilzeit erleichtern.
Bisher gibt es zwar einen Anspruch auf Teilzeit, ein Anspruch auf Rückkehr zur vollen Stelle besteht aber nur nach Elternzeit.
Auch SPD, Grüne und Linke wollen den Rückkehranspruch für alle, die befristet Teilzeit statt Vollzeit arbeiten möchten.
Die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit von bisher zehn Stunden soll nach Plänen der FDP aufgehoben werden. Stattdessen will sie eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden festschreiben. Die Linke fordert Vollzeitarbeit zwischen 30 und 35 Stunden pro Woche und eine Höchstarbeitszeit von 40 Stunden. Die Grünen möchten eine „flexible Vollzeit“ – Beschäftigte wählen zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche.
FDP und SPD wollen Langzeitkonten attraktiver machen, auf denen Arbeitszeiten angespart werden. Die FDP will, dass auf solchen Konten auch Boni, Resturlaub oder Sonderzahlungen gutgeschrieben werden können.
Bafög. Die SPD plant, die Bafög-Fördersätze zu erhöhen und die Altersgrenze deutlich anzuheben. Außerdem sollen auch Teilzeitstudiengänge und Weiterbildungs-Master gefördert werden. Die Linke fordert die Erhöhung des monatlichen Höchstsatzes von 735 Euro auf 1 050 Euro – rückzahlungsfrei.
Ein neues Bafög-System wollen die Grünen: einen „Studierendenzuschuss“ für alle und zusätzlich einen „Bedarfszuschuss“ für Studenten aus ärmeren Elternhäusern, beides rückzahlungsfrei.
Die FDP strebt elternunabhängige Förderung an: 500 Euro Zuschuss und obendrauf ein Darlehensangebot.
Schule. Einigkeit zwischen Union, SPD, Grünen und Linken: Die Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter muss weiter verbessert werden.
SPD und Union wollen einen Rechtsanspruch auf einen Hortplatz, Grüne und Linke wollen das Ziel durch mehr Betreuung in Ganztagsschulen erreichen.
Auto
Elektromobilität. Im Jahr 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos in Deutschland zugelassen werden - so steht es bei den Grünen und der Linken. Die Union setzt sich für einen Ausbau der Tank- und Ladestationen ein: Insgesamt 50 000 neue sollen entstehen.
Tempolimit. Den Autoverkehr entschleunigen wollen die Grünen. Ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen ist Teil ihres Wahlprogramms. Die Linke fordert zusätzlich eine Beschränkung auf Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften. Gegen ein Tempolimit sind Union, FDP und AfD.
Familie
Baukindergeld. Die CDU will Familien beim Kauf oder Bau einer selbst genutzten Immobilie zehn Jahre lang mit 1 200 Euro pro Kind und Jahr unterstützen. Die SPD nennt ihren geplanten Zuschuss Familienbaugeld, beziffert die Höhe aber nicht in ihrem Programm. Gefördert werden sollen Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen.
Die AfD will für Familien den Erwerb von Wohneigentum durch „zinslose Darlehen, Zuschüsse und Erlass der Grunderwerbsteuer erleichtern“.
Lesetipp: Wo Immobilien besonders teuer oder günstig sind, zeigt unsere große Untersuchung Kaufen oder mieten? Preise für 115 Städte und Kreise.
Familienarbeitszeit und Familiengeld. Plan der SPD: Eltern von Kindern unter acht, die beide ihre Wochenarbeitszeit auf 26 bis 36 Stunden reduzieren, bekommen bis zu zwei Jahre ein Familiengeld von 300 Euro im Monat, Alleinerziehende 150 Euro.
Familientarif oder Familiensplitting. Der Familientarif mit Kinderbonus ist eine Idee der SPD, die das Ehegattensplitting ablösen soll: Jedem Elternteil sollen pro Kind 150 Euro im Jahr zusätzlich als Abzug von der Steuerlast gewährt werden. Außerdem soll der Ehepartner mit dem höheren Einkommen einen Betrag von bis zu 20 000 Euro auf den anderen übertragen können. Paare, die bereits verheiratet oder verpartnert sind, können zwischen alter und neuer Regelung wählen.
Die CDU will den Kinderfreibetrag von 7 356 Euro im Jahr an den Erwachsenenbetrag (8 820 Euro) angleichen. Einkommen in dieser Höhe bleibt steuerfrei. Die FDP will Kinderfreibeträge anheben und Betreuungskosten bis zum Höchstbetrag voll absetzbar machen.
Grüne, Linke und AfD möchten wie die SPD das Ehegattensplitting abschaffen, die FDP hält daran fest. Die Linke will stattdessen „familienfreundliche Steuermodelle“, ohne sie zu konkretisieren. Die AfD will ein Familiensplitting, welches das Familieneinkommen vor Versteuerung auf die Mitglieder einer Familie rechnerisch verteilt.
Die Grünen wollen eine einkommensunabhängige Kindergrundsicherung, die Kindergeld und Kinderfreibeträge ersetzt („Familienbudget“). Bereits Verheiratete und Verpartnerte können entscheiden, ob sie Ehegattensplitting, Kindergeld und Kinderfreibeträge behalten oder in die neue Regelung mit Kindergrundsicherung wechseln.
Lesetipp: Vor welche Probleme Alleinerziehende gestellt sind, zeigt unsere Mutmacher-Folge Reina Becker kämpft für eine gerechte Familienbesteuerung.
Kindergeld. Derzeit gibt es 192 Euro im Monat für das erste und zweite Kind, 198 für das dritte und ab dem vierten Kind 223 Euro. Die Union möchte die Sätze um 25 Euro pro Kind erhöhen. Die Linke will 328 Euro pro Kind. Die SPD plant ein einkommensabhängiges Kindergeld. Nach Plänen der Grünen erhalten Eltern mit geringem Einkommen neben dem Familienbudget (siehe oben) einen Kindergeldbonus. Die FDP will für Kinder einen eigenständigen Rechtsanspruch auf die bisher den Eltern zustehenden kindesbezogenen Leistungen und plant ein „Kindergeld 2.0“: Darin werden alle sozialen Leistungen für Kinder zu einem Paket zusammengefasst und von einer zentralen Stelle ausbezahlt.
Kita-Gebühren. SPD, Grüne und Linke wollen die Kita-Gebühren abschaffen.
Lesetipp: Alle wichtigen Infos rund um die Themen Kita, Betreuung, Tagesmutter bündeln unsere FAQ Kinderbetreuung.
Gesundheit
Krankenversicherung. Eine Bürgerversicherung, die alle – auch Beamte und Selbstständige – einschließt, ist zentrales Thema der SPD. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen außerdem wieder denselben Beitragsanteil an die Krankenkasse zahlen, der Zusatzbeitrag der Arbeitnehmer entfällt. Ärztliche Behandlungen sollen von gesetzlichen und privaten Versicherern einheitlich vergütet werden. Wer sich neu versichert, hat künftig keine Wahl zwischen gesetzlicher und privater Versicherung.
Linke und Grüne wollen die private Krankenversicherung sofort abschaffen. CDU und FDP halten am dualen System fest.
Pflege. Die SPD will pflegenden Angehörigen während der sechsmonatigen Pflegezeit drei Monate Lohnersatzleistungen zahlen. Die Berechnung soll ähnlich wie beim Elterngeld sein. Die Linke fordert eine Pflegevollversicherung, die alle Kosten übernimmt, während die CDU das Schonvermögen für den Elternunterhalt anheben will. Erst ab 100 000 Euro Einkommen sollen Kinder für pflegebedürftige Eltern aufkommen müssen.
Rente
Mindestrente. Die Linke plant eine Mindestrente von 1 050 Euro im Monat. Die SPD will für Rentner, die lange gearbeitet haben, eine „Solidarrente“ in Höhe von 10 Prozent über der Grundsicherung einführen. Die Grünen nennen ein ähnliches Konzept „Garantierente“. Die AfD will, dass Rentenansprüche teilweise nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden, um diese zu erhöhen.
Rentenalter. Das reguläre Eintrittsalter für die Rente steigt aktuell für Jahrgänge ab 1964 auf 67 Jahre. CDU, SPD und Grüne wollen es dabei belassen. Die Grünen planen für Bürger ab 60 flexible Modelle mit Teilzeitanspruch. Die FDP will, dass Arbeitnehmer ab 60 den Zeitpunkt ihres Renteneintritts selbst wählen können – bei entsprechenden Abschlägen. Die Linken planen, zu einer Rente mit 65 zurückzukehren. Wer 40 Jahre gearbeitet hat, bekommt schon mit 60 die volle Rente.
Rentenniveau. Die Standardrente nach 45 Jahren Durchschnittsverdienst beträgt zurzeit knapp 1 200 Euro nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen, aber vor Steuern. Das entspricht 48 Prozent des durchschnittlichen Gehalts bei gleicher Berechnung. Nach bisheriger Planung soll das Rentenniveau bis 2030 unter 45 Prozent sinken, der Beitragssatz zur Rentenversicherung von 18,7 Prozent auf 21,8 Prozent steigen. Die CDU hält daran fest. Die FDP will die Renten neu berechnen: Grundlage soll die durchschnittliche Lebenserwartung der jeweiligen Generation sein. Die SPD möchte das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren, den Rentenbeitrag auf maximal 22 Prozent begrenzen und mehr Steuern ins Rentensystem leiten. Die Linke will das Niveau auf 53 Prozent anheben, dazu will sie die Beiträge erhöhen.
Rentenversicherung. Die SPD will Selbstständige einbeziehen, die nicht über ein Versorgungswerk abgesichert sind. So soll die gesetzliche Rentenversicherung zu einer „Erwerbstätigenversicherung“ ausgebaut werden. Die Idee der Grünen: In einer „Bürger*innenversicherung“ haben nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige und Minijobber die Möglichkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Linke plant ein ähnliches Modell für alle Erwerbstätigen. Außerdem will sie, dass langfristig die Beitragsbemessungsgrenze wegfällt, die die Rentenbeiträge und -ansprüche von Gutverdienern deckelt.
Lesetipp: Jeder muss seine Altersvorsorge planen – bloß wie? Wie hilfreich Banken, Versicherungen und gesetzliche Rentenversicherung dabei sind, zeigt unser Praxistest Rentenberatung.
Steuern
Abgeltungsteuer. SPD, Grüne und Linke wollen die pauschale Steuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge abschaffen und zur Individualbesteuerung zurückkehren. Steuerzahler müssten dann auf Kapitalerträge wieder ihren persönlichen Einkommensteuersatz zahlen. Union und FDP wollen das nicht.
Finanztransaktionsteuer. Auch das leidige Thema „Finanztransaktionsteuer“ beschäftigt die Parteien. Die FDP lehnt die Einführung einer Steuer auf alle Transaktionen mit Aktien, Anleihen und Devisen ab. Die Linke ist dafür und plant einen Steuersatz von 0,1 Prozent „bei jeder Finanztransaktion“. Pro Finanztransaktionssteuer, aber weniger konkret als die Linke sind CDU und SPD in ihren Wahlprogrammen.
Grundfreibetrag. Grüne, Linke und AfD wollen den Grundfreibetrag erhöhen, der bei jedem einen Teil des Einkommens steuerfrei stellt: Die Linke will ihn von derzeit 8 820 Euro im Jahr auf 12 600 Euro erhöhen.
Solidaritätszuschlag. Die Union will den Soli schrittweise ab 2020 abschaffen. Die SPD will ihn ab 2020 „für die unteren und mittleren Einkommen“ beerdigen. Die FDP möchte ihn bis Ende 2019 loswerden. Zur Erinnerung: Der Soli wurde 1991 für ein Jahr eingeführt. Ab 1995 wurde er wieder erhoben, um die deutsche Einheit zu finanzieren.
Spitzensteuer. Nach dem Willen von Union und SPD soll der Spitzensteuersatz von 42 Prozent künftig für Singles erst ab einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von 60 000 Euro einsetzen. Derzeit sind 42 Prozent bereits bei mehr als 53 665 Euro fällig. Der Spitzensteuersatz wird auf Beträge angewendet, die über dieser Grenze liegen.
Nach dem Plan der SPD steigt der Steuersatz für höhere Einkommen weiter bis auf 45 Prozent ab 76 200 Euro Jahreseinkommen. Bisher zahlen diesen Satz nur Spitzenverdiener mit einem Einkommen von knapp 255 000 Euro. Die Grünen wollen den Spitzensteuersatz nur oberhalb von 100 000 Euro Einkommen anheben. Die Linke fordert einen Steuersatz von 53 Prozent ab 70 000 Euro und eine zweistufige Reichensteuer von 60 Prozent ab 260 533 Euro und 75 Prozent für Einkommen oberhalb von einer Million Euro.
Vermögensteuer. Die Grünen wollen eine „ergiebige“ Vermögensteuer für „Superreiche“. Auch die Linke fordert eine solche Abgabe. Die Union, die AfD und die FDP sind dagegen.
Wohnen
Grunderwerbsteuer. Einen hohen Freibetrag auf die Grunderwerbsteuer für private Bauherren will die FDP: Erst ab einer Kaufsumme von 500 000 Euro sollen sie die Steuer zahlen. Immobilienspekulationen sollen jedoch uneingeschränkt besteuert werden.
Eine Begünstigung für Familien, die zum ersten Mal bauen oder Wohneigentum erwerben, plant die SPD. Ihnen soll ein Freibetrag von bis zu 200 000 Euro gewährt werden. Auch die Union plant Freibeträge für Familien, äußert sich aber nicht zur Höhe. Die AfD will Familien die Steuer erlassen.
Mietpreisbremse. Die Parteien streiten um die kürzlich eingeführte Mietpreisbremse. Erklärt ein Bundesland eine Gemeinde zum „angespannten Wohnungsmarkt“, dürfen Vermieter bei Neuvermietungen als Miete maximal 110 Prozent der ortsüblichen Miete nehmen. SPD und Grüne wollen das verschärfen. So sollen Vermieter nach dem Willen der SPD die vorherige Miete offenlegen. Die Linke will die geltenden Regelungen „durch eine echte Mietpreisbremse ersetzen, die flächendeckend, bundesweit, unbefristet und ausnahmslos gilt“. Die CDU lehnt eine Verschärfung ab, FDP und AfD möchten die Mietpreisbremse abschaffen.
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- Mehr Kindergeld, höhere Freibeträge, weniger Steuern: Vor allem Familien und Berufstätige sahnen ab. Wir sagen, wie Sie die Steuergeschenke einlösen.
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- Entscheidet der Bundesfinanzhof zugunsten der Steuerzahlenden, gewinnen rückwirkend alle mit, die sich eingeklinkt haben. Stiftung Warentest stellt wichtige Prozesse vor.
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- Ob Kita oder Au-pair – Eltern wollen ihren Nachwuchs in guten Händen wissen. Aufwendungen für die Aufsicht können sie sich teilweise über die Steuererklärung zurückholen.
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Kommentarliste
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Die Positionen zur Förderung der privaten Vorsorge wären auch noch interessant. Riester ja/nein oder neues Modell oder alles nichts etc.
Was das Parteiprogramm oder gar Kandidaten sagen und dann gemacht wird, sind zweierlei. Frau Merkel verkündigte, mir ihr gäbe es keine PKW-Maut. Die FDP ging mal in den Wahlkampf, mit der Aussage, keine Steuern zu erhöhen und erhöhte nach der Wahl dann gleich drei Stück.
Wo es verkehrstechnisch notwendig ist, wird die Geschwindigkeit auf Autobahnen eingeschränkt. Nur wo dies nicht nötig ist, gibt es keine Tempolimits. Und das alles mit den niedrigsten Opferzahlen in Europa und sogar mit den niedrigsten Opferzahlen seit Beginn der Erhebungen in Deutschland.
Auch in der SPD-Fraktion gibt es keine Mehrheit für ein Tempolimit. So bleibt die Bundesrepublik das einzige Land Europas, das freie Fahrt für freie Bürger garantiert. Merküwürdiger Freiheitsbegriff, kommt ja auch vom ADAC.