Die eigene Firma kann man auch in der Mietwohnung gründen.
Frei sein. Das wollen viele Existenzgründer. Frei von der Stechuhr, frei von der betrieblichen Urlaubsplanung und frei von den Launen des cholerischen Vorgesetzten. Stattdessen auch mal montags bis neun Uhr schlafen und dafür die verspätete kreative Phase bis nach Mitternacht ausdehnen.
Freiheit von finanziellen Zwängen gibt es für den Neustarter jedoch nicht. Denn bevor er den ersten Euro verdient hat, muss er zunächst viele ausgeben. Auch wenn es zunächst noch ohne Angestellte geht - ohne Büro ist der Sprung in die Selbstständigkeit kaum denkbar.
Mietvertrag durchlesen
Egal, ob Anwältin oder Grafiker - leichter wird der Schritt in die Selbstständigkeit, wenn sie ihre Existenz von der ohnehin gemieteten Wohnung aus aufbauen. Bevor der Mieter ein Firmenschild an die Haustür schraubt, sollte er jedoch immer erst einen Blick in den Mietvertrag werfen. Häufig hat man sich nämlich darin verpflichtet, jede gewerbliche Nutzung zu unterlassen. Oder der Vermieter hat sich darin das letzte Wort dazu vorbehalten.
Die Klausel in einem der handelsüblichen Einheitsmietverträge lautet: "Der Mieter darf die Mieträume zu anderen als Wohnzwecken nur mit Zustimmung des Vermieters benutzen."
Über die Nutzung ihrer Wohnung wollen die Eigentümer mitbestimmen, weil ein Gewerbebetrieb durch Lärm oder Parkplatzmangel häufig Ärger mit den Nachbarn verursacht. Vor allem können sie aber für gewerblich genutzte Räume eine höhere Miete verlangen.
Arbeitszimmer immer erlaubt
Viele Tätigkeiten in der Wohnung gelten jedoch noch gar nicht als verbotenes oder zumindest erlaubnispflichtiges Gewerbe. Das betrifft insbesondere Nebentätigkeiten in geringem Umfang. "Die Einrichtung eines üblichen Arbeitszimmers kann nie verhindert werden", betont Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.
"Kein unerlaubter gewerblicher Gebrauch", entschied etwa das Landgericht Frankfurt am Main in einem Fall, in dem ein Bewohner eine Ecke im Schlafzimmer für Buchhaltungs- und Bürotätigkeiten per Computer genutzt hatte (Az. 2/17 S 42/95).
Macht der Vermieter laut Vertrag jegliche gewerbliche Nutzung von seiner Zustimmung abhängig, so muss der Mieter zwar auch vor Einrichtung seiner Büroecke nachfragen. In derart geringfügigen Fällen muss der Vermieter die Erlaubnis aber zwingend erteilen, urteilten die Frankfurter Richter. Das gelte zumindest, wenn weder eine Belästigung der Nachbarn zu befürchten sei noch eine Veränderung oder Beschädigung der Wohnung.
Das Landgericht Hamburg hielt ebenfalls gelegentliche Büroarbeiten und geschäftliche Besprechungen für zu wenig störend, um ein unerlaubtes Gewerbe anzunehmen (Az. 311 S 203/91).
Grenze für Tagesmütter
Auch das Landgericht Schwerin entschied, dass Mietern nicht generell verboten werden darf, in der Wohnung in geringem Umfang beruflich oder gewerblich tätig zu sein. Die Richter meinten allerdings, dass diese Grenze überschritten werde, wenn die Firma auch noch Laufkundschaft anzieht.
Im konkreten Fall hatte eine Mieterin in einem Zimmer ihrer Wohnung gemeinsam mit einem Geschäftspartner ein Ingenieurbüro eröffnet und am Haus ein Firmenschild angebracht (LG Schwerin, Az. 6 S 96/94).
Zu weit ging dem Landgericht Berlin das Verhalten einer Tagesmutter, die in ihrer Mietwohnung werktags fünf Kinder gegen Entgelt betreute (Az. 61 S 56/92). Die Betreuung von bis zu drei weiteren Kindern in einer 90-Quadratmeter-Wohnung erlaubte dagegen das Landgericht Hamburg einer Tagesmutter mit eigenem vierjährigen Kind (Az. 7 S 63/82).
Die Grenze zwischen erlaubt und verboten ist nicht eindeutig. Doch je intensiver die Wohnung genutzt wird und je mehr der Geschäftsbetrieb die Nachbarschaft beeinträchtigt, umso mehr spricht dafür, dass eine Erlaubnis des Vermieters nötig ist.
Betreibt der Mieter ein laut Vertrag verbotenes Gewerbe ohne Zustimmung des Wohnungseigentümers, kann er von diesem abgemahnt werden. Schlimmstenfalls kann der Wohnungseigentümer den Vertrag sogar fristlos kündigen. Deshalb zahlt es sich in der Regel aus, Zweifelsfälle rechtzeitig mit ihm zu besprechen, um so eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Zögert der Vermieter, kann auch die Vereinbarung einer Probefrist helfen. Während dieser Zeit kann der Vermieter prüfen, ob seine Bedenken tatsächlich begründet sind.
Genehmigung der Behörden
So sehr Städte und Gemeinden an Existenzgründern interessiert sind häufig haben auch sie etwas gegen Firmengründungen in der Wohnung, zumindest wenn diese ohne Genehmigung erfolgen. In vielen Bundesländern schreiben Zweckentfremdungsverordnungen für die darin aufgezählten Orte vor, dass Eigentümer oder Mieter bestimmte Wohnungen nur mit amtlicher Erlaubnis in Gewerberaum umwandeln dürfen. Wer die Regeln missachtet, dem droht ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro.
Doch mit zunehmendem Wohnungsleerstand wurden die ersten Verbotsnormen bereits aufgeweicht. So darf die Anwältin in Berlin inzwischen in ihrem Wohnzimmer auch ohne Genehmigung eine Kanzlei aufmachen. Mittlerweile steht nämlich allen Hauptstädtern die Existenzgründung in der Wohnung frei, solange der entstehende Gewerberaum weniger als 50 Prozent der gesamten Wohnung einnimmt.
Da die Regelungen zur Zweckentfremdung in den Ländern sehr unterschiedlich sind und auch die Abgrenzung zwischen Wohnnutzung und Gewerbe nicht immer ganz einfach ist, gilt aber auch hier: Lieber erst beim Wohnungsamt anfragen, bevor man durch Eigenmächtigkeiten fahrlässig eine Geldbuße riskiert.
Gewerbe im Wohngebiet
Ärger kann es auch mit den Bauämtern geben, denen Gewerberäume in Wohngebieten von Gesetzes wegen meist ein Dorn im Auge sind. Zwar dürfen Freiberufler wie Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer selbst in reinen Wohngebieten vereinzelt Wohnungen als Büroräume nutzen. Je mehr Freiberufler bereits in dem Haus arbeiten, umso schwerer wird jedoch die Büroeröffnung im gemieteten Apartment.
Bezogen auf das ganze Haus darf einem neuen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zufolge im Normalfall nämlich maximal die Hälfte der gesamten Wohnfläche des Hauses oder eine Wohnung komplett in Büroraum umgewandelt werden. Abweichungen von dieser Regel seien nur ausnahmsweise möglich (Az. 4 C 8/00).
Im Zweifel gilt deshalb hier dasselbe wie bei der Zweckentfremdung: Wer Wohnraum kommerziell nutzen will, muss sich das genehmigen lassen, in diesem Fall vom örtlichen Bauamt.
Streitpunkt Werbeschild
Wenn der Vermieter das Büro in der Wohnung genehmigt hat und eine Zweckentfremdungsgenehmigung nicht benötigt wird, hat man noch lange kein Recht auf eine große Leuchtreklame am Haus. Selbst ein kleines Firmenschild darf nicht ohne Zustimmung des Hauseigentümers angebracht werden. Besteht das Haus aus Eigentumswohnungen, muss die ganze Eigentümergemeinschaft zustimmen. Größere Reklame muss häufig sogar vom Bauamt abgesegnet werden.
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