Brustimplantate Materialtest an Frauen

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Der Traum vom straffen, großen oder proportionierten Busen per Implantat hat oft kein Happy- end. Experten sprechen sogar von „Menschenversuchen“. Umfassend informiert wird eher selten.

Der letzte Schrei auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten sind mit Implantaten aufge­polsterte Pobacken und Oberarmmuskeln – Jennifer Lopez und Arnold Schwarzenegger lassen grüßen. Nach Schätzungen gab es hierzulande im letzten Jahr mehr als 800 000 Schönheitsoperationen – so viele wie nie zuvor. In diesem Jahr wird die Zahl bereits auf mehr als eine Million geschätzt. Und die Frauen und Männer, die sich auf dem Operationstisch modellieren lassen, werden immer jünger.

Fettabsaugen rangiert dabei vorn, gefolgt von Brustvergrößerung, was etwa 5 000 Euro kostet. Silikoneinlagen nach Brustam­putation oder zur Busenvergrößerung sollen in Deutschland bis zu 150 000 Frauen eingesetzt worden sein, etwa 13 000 pro Jahr.

Der Traum von einem strafferen, größeren oder kleineren Busen hat nicht immer ein Happyend. Bei einigen Frauen führt er in einen Alptraum aus Schmerzen, zu Folgeoperationen, zum Rechtsstreit und finanziellen Belastungen. Austritt des Füllmaterials (Bleeding), Deformieren durch Verrutschen, Bruch des Implantats, Infektionen oder Probleme mit der Implantatgröße sind häufig Ursache für weitere Eingriffe. Viele Frauen klagen nach Brustimplantation über Schmerzen, Entzündungen, Schwellungen.

Ein Problem ist die Kapselfibrose, eine Verhärtung des Gewebes, die nach einiger Zeit das Implantat umschließt. Eine Verkapselung ist eine ­Reaktion des Körpers und tritt bei jedem Implantat auf. Je nach Art der Kapsel – Dicke, Festigkeit, Verkalkung – kann es zu Problemen kommen, die eine Nachoperation erfordern. Dabei müssen Implantat und Kapsel entfernt und dann ein neues Implantat eingesetzt werden. Die Kapsel darf nicht, wie früher häufiger geschehen, gewaltsam gesprengt werden: Im Implantat können feine Risse entstehen, durch die Füllmaterial austritt.

Kapselfibrose: Etwa in jedem fünften Fall

Bei Patientinnen beginnen Probleme häufig sechs Monate bis zehn Jahre nach der Implantation. Ob sich eine Kapselfibrose bildet, hängt neben der Operationstechnik und/oder dem Material von individuellen Reaktionen ab, die nicht vorhersehbar sind. Bereits im Beipackzettel der Implantate weisen Hersteller darauf hin, dass etwa jede fünfte Frau mit Brustimplantat mit einer Gewebsverhärtung rechnen muss. In Großbritannien sind Brustimplantate von der Nationalen Gesund­heits­be­hörde in die höchste Risikokategorie eingestuft worden. Ein anderer Trend dagegen in den USA: Da hat ein Beratergremium der Gesundheitsbehörde FDA in einem umstrittenen Mehr­­­heits­votum empfohlen, die Auf­­­la­gen für Silikon­im­plantate zu lockern.

Vorsicht: Soja-Implantat

Auch sojahaltige Implantate sind keine Alternative zum Silikon­implantat. Sie verursachten durch Austritt des Inhalts in das umliegende Gewebe gefährliche Komplikationen. Der Hersteller hat die Produkte inzwischen zurückgezogen. Jedes vierte Soja-Implantat sei nach etwa vier Jahren defekt, wurde auf einem Kongress in der Schweiz berichtet. Dr. Hans Rudolph, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Plastische Chirurgie, rät Frauen, Soja-Implantate entfernen zu lassen – auch bei Beschwerdefreiheit.

Wichtig: Fragen an den Arzt

Die erste Frage an den Arzt muss seiner Qualifikation als Operateur gelten. Wie viele dieser Operationen hat er schon durchgeführt, kann er seine Erfolge belegen? Der Begriff „Schönheitschirurg“ ist nicht geschützt. Mit ihm kann sich jeder Mediziner schmücken, ohne eine spezielle Ausbildung absolviert oder operative Erfahrungen auf dem Gebiet der kosmetisch-ästhetischen Operationen zu haben. Fragen Sie auch, ob der Arzt eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat.

Die meisten Patientinnen gehen davon aus, dass ihr Arzt sie gewissenhaft über alle Risiken informiert. „Tatsächlich müssen auf Anordnung des Bundesgerichtshofs Ärzte über die Risiken der Operation selbst und mögliche Komplikationen durch das Implantat aufklären“, erklärt Ursula Schielke aus Bremen, Gründerin der Selbsthilfegruppe „Frauen und Medizin“, die schon Hunderten von Beschwerden nachgegangen ist.

Produkthaftung: Lücke im Gesetz

„Über die wichtigen Fragen der Produkthaftung informieren Operateure ihre Patientinnen meist nicht, weil sie dazu nicht verpflichtet sind“, sagt Ursula Schielke. Das hat Folgen. Die Frauen haben bei Beschwerden, die auf defekte Implantate zurückgehen, kaum eine Chance, etwaige Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller geltend zu machen, wenn nicht exakte Daten zur Verfü­gung stehen: Produktname, Herstellungs- und Haltbarkeitsdatum, Produkt- und Arztinformation des Herstellers. Meist kommen die Implantate aus dem Ausland. Ein Prozess zur Produkthaftung muss nach dem im jeweiligen Herstellerland geltenden Recht geführt werden. Es ist schon schwer genug, dafür einen deutschen Rechtsan­walt zu finden. „Diese Gesetzeslücke bei der Aufklärung muss geschlossen werden, damit die Frauen wissen, worauf sie sich einlassen“, fordert Ursula Schielke.

Als Medizinprodukte müssen Brustim­plantate die für Arzneimittel üblichen, strengen Zulassungsschritte nicht durchlaufen. Es gibt noch immer keine Langzeitstudien über die Auswirkungen der Implantate auf den Organismus. Das CE-Zeichen sagt nichts über ihre medizinische Unbedenklichkeit aus, sondern nur, dass der Hersteller gesetzliche Anforderungen einhält.

Amerikanische Modelle: Tests oft in Europa

US-Implantathersteller bringen zudem neue Modelle oft erst in Europa auf den Markt, um bei Zwischenfällen Schadenersatzforderungen im eigenen Land zu entgehen, so Dr. Hans Rudolph, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie: „Wenn hier unzureichend aufgeklärt wird, sind das Menschenversuche. Sie sind um so schlimmer zu bewerten, als Brustimplantate bei Schönheitsoperationen gesunden Frauen eingesetzt werden.“ Komplikationen werden nicht zentral erfasst. Es gibt keine verlässlichen Angaben über deren Art und Anzahl. „Mir sind etwa 1 000 Fälle schwerwiegender Komplikationen bekannt, die unter anderem von verschiedenen Selbsthilfegruppen gesammelt wurden“, sagt Dr. Hans Rudolph. Es sind auch Fälle bekannt geworden, bei denen zum Beispiel Produkte mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum oder gebrauchte Implantate eingesetzt wurden, obwohl das strafbar ist.

Das Europäische Parlament hat nun einen Maßnahmenkatalog aufgestellt (siehe „Mehr Sicherheit“). Die nationalen Regierungen sind aufgefordert, die Forderungen umzusetzen.

Mit Titan: „Ein weiterer Menschenversuch“

Häufig ist die Dokumentation der Operation mangelhaft. Patientinnen erhalten die zum Implantat gehörenden, ihnen zustehenden Unterlagen nicht, nicht alle Implantate haben eine aufgeprägte Kennung mit Namen des Herstellers, Produktions- und Verfalldatum. Das EU-Parla­ment fordert einen „Implantatpass“. „Nach Entfernen sollten die Implantate untersucht und der Patientin ausgehändigt werden, um im Klagefall die Beweisführung zu ermöglichen“, fordert Ursula Schielke. Dr. Rudolph hält eine unabhängige Kontrollin­stanz für dringend erforderlich.

Die neueste Entwicklung sind Silikonimplantate mit Titanbeschichtung. Das Titan soll das „Bleeding“ in umliegendes Gewebe verhindern. Die Hersteller verweisen auf gute Erfahrungen mit Titanbeschichtungen bei künstlichen Hüftgelenken. „Wie sie sich bei Brustimplantaten verhalten, ist daraus aber nicht abzuleiten“, sagt Dr. Rudolph. „Es ist ein weiterer Menschenversuch.“

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