
Dublin. Der Lebensversicherer Standard Life führt deutsche Lebensversicherungs-Verträge in einer Tochtergesellschaft in der irischen Hauptstadt weiter. © Getty Images / Jose Maciel
Britische Lebensversicherer wie Standard Life, Clerical Medical, Friends Provident und Royal London übertragen wegen des Brexits ihre Verträge mit deutschen Kunden nach Irland oder Luxemburg. Die zuständigen Gerichte haben die Übertragungen nun genehmigt. Dadurch ändert sich der Insolvenzschutz. Kunden sind verunsichert. Sie sollten ihre Verträge aber nicht überstürzt kündigen. test.de erklärt die Hintergründe und sagt, was Kunden mit britischen Lebensversicherungen tun können.
Unser Rat
- Entscheidung.
- Es besteht kein dringender, kurzfristiger Handlungsbedarf. Sie können in Ruhe entscheiden, wie Sie mit Ihren Verträgen in Zukunft umgehen wollen. Alle Informationen dazu finden Sie unten in unserem Kasten „Was Sie jetzt tun können“.
- Beratung.
- Versicherungsberater beraten Sie gegen ein Honorar unabhängig zu Ihrer Versicherung. Fragen Sie vorab nach den Kosten und ob der Versicherungsberater sich mit britischen Lebensversicherungen auskennt. Manche dieser Berater finden Sie über den Bundesverband der Versicherungsberater oder es hilft das Vermittlerregister des DIHK. Einen kostenpflichtigen Check der Versicherung bietet auch die Verbraucherzentrale Hamburg an.
Brief beunruhigt Leser
Post von britischen Lebensversicherern sorgte bei vielen unserer Leser Ende 2018 für Unruhe: „Aufgrund des geplanten Austritts des Vereinten Königreichs aus der EU müssen wir Änderungen vornehmen, um jetzt und in Zukunft mit Ihnen Geschäftsbeziehungen pflegen zu können“, heißt es zum Beispiel im Schreiben des Anbieters Standard Life an mehr als 500 000 Kunden im deutschsprachigen Raum. Ähnliche Schreiben sandten auch Clerical Medical, Friends Provident (als Marke der Aviva-Gruppe) und Royal London an Versicherte.
Brexit sorgt für Unsicherheit
Der Brexit ist eine Premiere, die Rechtsfolgen in vielen Fällen nicht ganz klar. Besonders wenn es bei den Verhandlungen zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) nicht pünktlich zu ausreichenden Regelungen kommt. Dann drohen die Lebensversicherungs-Verträge ungültig zu werden. Laut Finanzministerium sind die Bundesregierung und die Finanzaufsicht deshalb dabei, den Fall des ungeregelten Austritts so vorzubereiten, dass es im Finanzbereich nicht zu größeren Einschränkungen käme.
Standard Life und Co sorgen vor
Auch die britischen Lebensversicherer selbst haben vorgesorgt: Sie wollen die Policen von EU-Bürgern auf bestehende oder neu gegründete Tochtergesellschaften in Luxemburg oder Irland übertragen. So würden sie weiter EU-Recht unterliegen und wären nicht von drohenden Unsicherheiten rund um den Brexit betroffen. Standard Life, Aviva (Friends Provident) und Royal London (Übertrag nach Irland) sowie Clerical Medical (Übertrag nach Luxemburg) informieren ausführlich im Internet. Canada Life wird zwar auch oft als britische Lebensversicherung geführt, hat ihren Sitz aber bereits in Irland.
Insolvenzschutz nach Übertragung schwächer
Für die Versicherten soll sich in puncto Ansprechpartner und Zahlungsflüssen vorerst nichts ändern. Anders beim Insolvenzschutz: „Bitte beachten Sie unbedingt, dass Ihr Versicherungsvertrag (...) nicht mehr unter dem Schutz des britischen Financial Services Compensation Scheme (FSCS) steht“, schreibt die Standard Life ihren Kunden.
Hintergrund: Bisher sind die Verträge im Falle einer Insolvenz des Anbieters vom britischen Entschädigungsfonds gesichert. Wird ein Versicherer zahlungsunfähig, springt der Fonds ein und bedient Versicherte weiter. Mit Protektor gibt es eine ähnliche Einrichtung auch in Deutschland. Einen vergleichbaren Entschädigungsfonds für diese Verträge gibt es weder in Irland noch in Luxemburg. Viele Leser fragten bei der Stiftung Warentest nach, ob es ein „Sonderkündigungsrecht“ gebe, da nun einseitig Änderungen an den Verträgen vorgenommen wurden. Darauf haben Kunden nach unserem bisherigen Kenntnisstand aber keinen Anspruch, da der Entschädigungsfonds kein Vertragsinhalt war, sondern ein gesetzlich vorgeschriebener Schutz.
Andere Sicherungsmechanismen greifen
Aus Sicht von Standard Life sei der Wegfall aber auch keine deutliche Verschlechterung. Ihre Kunden seien nach irischem Aufsichtsrecht durch ein Sicherungsvermögen geschützt, das getrennt vom Vermögen der Versicherung gehalten werde. Im Falle einer Insolvenz stünden diese Vermögenswerte zunächst Versicherten zu. Zudem gäbe es auch in Irland eine Finanzaufsicht, die Kunden schütze. Weiter habe ein unabhängiger Sachverständiger, der von den britischen Aufsichtsbehörden zugelassen sei, das Vorhaben geprüft. Dieser bestätige die Finanzstärke von Standard Life und halte die Insolvenz für ein „unwahrscheinliches Ereignis“.
Gerichtsverfahren abgeschlossen
Ähnliche Analysen mussten auch die anderen Anbieter vorlegen. Denn dem Übertrag mussten zunächst britische Gerichte zustimmen. Sie überprüften, dass die Belange der Versicherungsnehmer gewahrt sind. Im Fall des größten Anbieters Standard Life hat das Gericht am 19. März 2019 die Übertragung genehmigt. Damit kann sie bis zum 29. März abgeschlossen sein, teilt das Unternehmen mit. Auch der Übertragung von Verträgen der Versicherer Royal London, Aviva (Friends Provident) und Clerical Medical haben die zuständigen Gerichte inzwischen zugestimmt. Die Kunden können nach diesen Entscheidungen davon ausgehen, dass die Verträge auch im Fall eines ungeregelten Brexits weitergeführt werden können.
Mögliches Problem beim Rentenbezug
Zwar fordern im Internet schon Dienstleister auf: „Schnell vor Brexit kündigen“ – doch aus Sicht der Experten von Finanztest besteht dazu kein Anlass. Versicherte sollten gelassen ihre Optionen prüfen (siehe unten). Selbst wenn es irgendwann zu einer Insolvenz käme, wäre das in der Ansparphase wahrscheinlich kein großes Problem. Kunden halten in ihren Policen Anteile an Fonds, die ihnen zustehen. Größere Probleme hätten dagegen Personen, die schon eine Rente beziehen. Denn wenn es keine Versicherung mehr gibt, gibt es auch die Leistung Rente nicht mehr. Rentenbezieher würden mit einer Kapitalzahlung abgefunden. Das Geld könnten sie dann natürlich bei einem deutschen Versicherer wieder in eine lebenslange Rente umwandeln lassen – die gleichen Konditionen werden sie aber vielleicht nicht mehr bekommen.
Was Sie mit Ihren Verträgen tun können
- Fortführen.
- Wenn Sie mit Ihrem Vertrag zufrieden sind und Sie der abgeschwächte Schutz im Extremfall einer Insolvenz nicht stört, können Sie Ihren Vertrag wie bisher weiterführen. Insolvenzen großer Lebensversicherer sind bisher selten, die Versicherer stehen weiterhin unter einer europäischen Finanzaufsicht und durch die Fonds in den Verträgen ist ein Komplettausfall des Geldes unwahrscheinlich.
- Kapitalzahlung.
- Haben Sie eine Rentenversicherung, die in Kürze zur Auszahlung kommt, können Sie zwischen einer monatlichen Rente und einer Kapitalauszahlung wählen. Wenn Ihnen die Zukunft Ihrer britischen Police zu unsicher ist, nehmen Sie die Kapitalauszahlung. Sie können das Geld entweder in eine deutsche private Rentenversicherung stecken oder sich damit selbst einen Auszahlplan stricken. Alles dazu in unserem Test Sofortrente versus Auszahlplan.
- Verkürzen.
- Bei manchen Verträgen können Sie die Auszahlung vorziehen. Wenn Sie nur noch wenige Jahre bis zum Rentenbeginn oder Vertragsende haben, können Sie prüfen, ob eine frühere Auszahlung möglich ist.
- Kündigen.
- Als Versicherungskunde haben Sie jederzeit das Recht, Ihre Versicherung zu kündigen. Die bezahlten Kosten bekommen Sie jedoch nicht zurückerstattet. Das führt dazu, dass Sie eventuell weniger bekommen, als Sie eingezahlt haben. Hat ihr Vertrag jedoch gute Renditen erzielt und bekämen Sie bei einen hohen „Rückkaufswert“, könnte das eine Option sein.
- Beitragsfrei stellen.
- Wenn Sie den Vertrag nicht auflösen, aber vorerst oder dauerhaft keine weiteren Beiträge zahlen möchten, können Sie ihn „beitragsfrei“ stellen. Der Vertrag läuft weiter, Sie zahlen aber keine Beiträge mehr. Informieren Sie sich beim Anbieter, wie die laufenden Kosten Ihr Guthaben belasten.
- Rückabwickeln.
- In manchen Fällen waren die Widerspruchsbelehrungen älterer Lebensversicherungsverträge aus den Jahren 1994 bis 2007 fehlerhaft. Solche Verträge können Sie unter Umständen rückabwickeln und die eingezahlten Beiträge plus Verzinsung zurückbekommen. Fachanwälte unterstützen Sie dabei. Sie sollten auf eine kostenlose Ersteinschätzung achten und die Kosten des Verfahrens erfragen. Außerdem hilft es, wenn der Anwalt nachweisen kann, dass er sich mit den Besonderheiten britischer Lebensversicherungen auskennt. Alle Infos in unseren FAQ Lebensversicherung rückabwickeln.
- Verkaufen.
- Es gibt mehrere Anbieter, die Ihre Lebensversicherung aufkaufen und Ihnen dafür in manchen Fällen mehr Geld bieten, als wenn Sie kündigen würden. Leider haben wir aktuell keine Übersicht seriöser Policenankäufer.
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Diese Meldung ist erstmals am 20. Dezember 2018 auf test.de erschienen. Sie wurde am 25. März 2019 aktualisiert.
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Das Standard Life gegenüber seinen Kunden noch nie eine gute Zahlungsmoral hatte dürfte hinlänglich bekannt sein. Das aber mittlerweile laufende Zahlungen nicht nur Tage zu später kommen sondern über Wochen zurückgehalten werden ist selbst für Standard Life eine neue Qualität. Und erst nach deutlicher schriftlicher Androhung mit Anwalt und Gerichtsvollzieher wird geleistet.
Die Buchhaltung mit der man immer erst mal verbunden wird, kann grundsätzlich keine Auskünfte geben weil diese für Auszahlungen nicht zuständig ist und sonst ist am Wochenanfang in der gesamten Firma niemand erreichbar, der irgendwas zu dem Vorgang und den ausbleibenden Zahlungen sagen kann.
Und per Telefon direkt erreichbar sind zuständige Mitarbeiter grundsätzlich seitdem die Telefonanlage modernisiert wurde.
Wenn man dann schriftlich Druck macht, wird sich dann scheinheilig entschuldigt und man verweist darauf, dass die eigenen Verträge die nun so kompliziert sind und man da halt immer wieder überfordert wäre.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Als Betroffener (Clerical Medical), der gegen die Übertragung Widersrpuch eingelegt hatte, muss ich dazu noch ergänzen, das bei der Übertragung nach Luxemburg im Grunde überhaupt keine Rechtssicherheit mehr besteht.
Bereits in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich Luxemburg nicht an europäisches Recht gehalten, Gerichtsverfahren verschleppt bzw. unterdrückt und z.B. konkret im Fall der in Luxemburg abgewickelten HSBC-Fonds beim Betrug durch Herrn Madoff, der auch Anleger des UCITS III Fonds Herald (LUX) Absolute Return Fund und Thema Fund geschädigt hat, geweigert hat, entsprechende Schritte zu unternehmen (siehe hierzu http://madoff-betrug.de). Das kann ich deshalb sagen, weil ich auch von diesem Betrugsverfahren betroffen war.
Ich würde mir daher grundsätzlich überlegen, ob eine Investition in Luxemburg sinnvoll ist und muss nun leider auch bei meinem Vertrag der Clerical Medical aktiv werden, da ich persönlich nie mehr in Luxemburg investiere.