Ärger mit der Post

„Es fehlen Zusteller“

18

Unternehmen und Kommunen sind darauf angewiesen, dass die von ihnen versandte Post zuver­lässig zugestellt wird. Oft klappt das aber nicht. Experte Klaus Gett­wart erklärt, warum vor allem die „letzte Meile“ ein Problem ist.

„Massive Probleme – nicht erst seit Corona“

Ärger mit der Post - Was tun, wenn der Brief nicht kommt?

Klaus Gett­wart ist Vorstand des Post­nutzer-Verbands DVPT. Allein seine Mitglieder versenden täglich 6,6 Millionen Briefe mit der Deutschen Post. © Presse DVPT

Viele private Kunden beschweren sich über die Post. Sind auch Geschäfts­kunden von den Zustell­problemen betroffen?

Ja, es gibt seit einigen ­Jahren massive Probleme – nicht erst seit Corona. Anders als bei Privatpost ist die Deutschen Post AG bei Geschäfts­post nicht verpflichtet, mindestens 80 Prozent der Briefe am Tag nach der Einlieferung zuzu­stellen und mindestens 95 Prozent am über­nächsten Tag. Und für private Kunden ist dies nur eine wachs­weiche Qualitäts­aussage. Sie gilt nur im Mittel, verteilt übers ganze Jahr – und ist für Kunden nicht nach­prüf­bar. Sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen und Kommunen ist eine solche Qualitäts­aussage völlig unzu­reichend.

Der Deutsche Verband für Post, Informations­technologie und Tele­kommunikation (DVPT) macht mit Hilfe seiner Mitglieds­unternehmen eigene Lauf­zeit­messungen; mit welchen Ergeb­nissen?

Die Lauf­zeit­messungen von Geschäfts­briefen machen wir seit vier Jahren. Je nach Ort der Post-Einlieferung, Entfernung zwischen Start und Ziel sowie Jahres­zeit ist ein Brief im Mittel zwischen 1,1 und 2,3 Tagen unterwegs. Besonders lange Stre­cken, wie die zwischen Hamburg und München, haben auffallend lange Lauf­zeiten. Im ersten Quartal des Jahres sind die Lauf­zeiten besser als im letzten Quartal. Bei unseren Messungen schwanken die Zustel­lungen zum Folgetag zwischen 43 und 85 Prozent. Das 80-Prozent-Ziel muss die Deutsche Post nur für Briefe einhalten, die in die gelben Briefkästen geworfen werden. Bei Geschäfts­post gibt es keine die Lauf­zeit betreffende Verpflichtung. Dies ist nicht akzeptabel ist, denn mehr als 85 Prozent aller Briefe sind geschäftlich veranlasst.

Die Post misst die Lauf­zeiten selbst und meldet sie an die Bundes­netz­agentur. Reicht das?

Klare Antwort: Nein! Die Lauf­zeit­messungen der Post gelten wie gesagt nur für den sogenannten Universaldienst, also die Briefe aus den gelben Briefkästen. Die Bundes­netz­agentur müsste auch die Lauf­zeiten der Geschäfts­post, die bei der Deutschen Post einge­liefert wird, flächen­deckend über­prüfen – wie sie sich die Zahlen aus dem Universaldienst­bereich von der Post melden lässt. Die Unternehmen fragen: Wie kann es sein, dass unsere Briefe, die sortiert und maschinenles­bar sind, länger unterwegs sind als einen Tag, und es erhebliche Schwankungen bei der Lauf­zeit gibt?

Was sind die Gründe für die Probleme bei der Post­zustellung?

Es gibt vereinzelt Probleme bei der Logistik und zwischen den Briefzentren. Auf bestimmten Stre­cken gibt es gute Post­lauf­zeiten, andere haben schlechte, wieder andere oft schwankende. Das Haupt­problem ist jedoch die Zustellung auf der sogenannten letzten Meile bis zum Empfänger. Die Post hat dort massive Schwierig­keiten beim ­Personal­einsatz Die Personal­decke ist dünn. Die Mitarbeiter müssen immer größere Zustell­gebiete abdecken. Wenn dann jemand krank wird, führt das zu sehr großen Problemen. Ein Zusteller trägt oft sowohl Briefe als auch Pakete aus. Beides wird dann nur verspätet zugestellt.

„Die Post ist sehr auf Profit ausgerichtet“

Es fehlen also Briefträgerinnen und Paketboten?

Ja, es fehlen Zusteller.

Warum löst die Post die Probleme nicht?

Tja, die Deutsche Post ist ein hoch profitables Unternehmen. Wir haben im Grunde auch eine gute Post. Die Post ist sehr auf Profit ausgerichtet. Die Gewerk­schaften kritisieren, dass die ­Zu­steller nicht genug verdienen. Es ist nach­voll­zieh­bar, wenn durch Krankheit Mitarbeiter ausfallen. Aber wenn die Personal­politik so ist, dass dauer­haft zu wenig einsatz­bereite Mitarbeiter vorhanden sind, dann ist das nicht okay. Und: Der Bund ist an der Post beteiligt. Das ist auch ein Problem.

Wieso? Ist es nicht auch eine Chance?

Ja, wenn der Bund der Post mehr auf die Finger gucken würde. Aber die Gesetzes­lage ist nicht ausreichend. Sie muss geändert werden.

Mehr Befug­nisse für die Post­aufsicht

Was genau muss besser werden?

Die Bundesnetzagentur als Kontroll­organ der Post­märkte muss mehr Kompetenzen, mehr Geld und mehr Personal bekommen. Sie muss die Lauf­zeiten für Geschäfts- und Privatpost flächen­deckend über­prüfen. Wir wollen, dass per Gesetz eine Lauf­zeit-Zusage gegeben wird, die für kürzere Zeit­fenster wirk­lich einge­halten wird. Wenn 95 Prozent der Briefe am über­nächsten Tag nach der Einlieferung garan­tiert ankommen, ist das eine bessere und konkretere Aussage als die wachs­weiche Formulierung in der derzeit geltenden Verordnung. Unternehmen brauchen Gewiss­heit, wann genau ihre Briefe ankommen – natürlich auch, dass sie schnell ankommen. Noch wichtiger ist aber, dass die Lauf­zeit-Zusage einge­halten wird. Es gibt eine Menge Geschäfts­briefe, die zwei, drei Wochen unterwegs sind bis zum Empfänger – etwa bei Vertrags­abschlüssen für Auto-Versicherungen. Das ist nicht akzeptabel. Die Bundes­netz­agentur muss Qualitäts­einbußen der Post schärfer sanktionieren und sollte Porto­erhöhungen nur dann zustimmen können, wenn die Post zuver­lässig arbeitet.

Lohnt sich für Ihre Mitglieder eine Beschwerde bei der Post, wenn die Zustellung nicht klappt?

Wir machen die Lauf­zeit­messungen, damit wir und unsere Mitglieder die Post damit konfrontieren. Die konkreten Zahlen für die verspätete Zustellung kann die Post nicht vom Tisch wischen. Dann finden Gespräche statt zwischen der Post und den betroffenen Unternehmen. Die Post geht den Problemen nach, um sie abzu­stellen. Indem man lange Lauf­zeiten nach­weist, kann man Druck auf die Post ausüben. Außerdem gibt es den privaten Briefmarkt, wenn auch nur mit einem Markt­anteil von 15 Prozent. Viele Unternehmen splitten ihre Sendungen soweit es möglich ist: ein Teil läuft über private Zusteller, ein Teil über die Deutsche Post AG, um Preis­vorteile zu nutzen und für Konkurrenz zu sorgen. Leider gibt es davon zu wenig im Brief­bereich. Die Deutsche Post AG ist in einer komfort­ablen Lage. Die Markt­situation ist aus Verbraucher- und Unter­nehmens­sicht nicht zufrieden­stellend.

Ist die Deutsche Post bei der Beför­derung von Paketen besser als bei der Brief­zustellung, weil die Konkurrenz im Paket­geschäft größer ist?

Ja, im Paket­geschäft hat sie mit einem Markt­anteil von etwa 40 Prozent nicht diese Vormacht­stellung wie im Brief­verkehr. Dort liegt ihr Markt­anteil bei 85 Prozent. Sie hat im Paket­bereich wesentlich mehr Konkurrenz. In beiden Bereichen, Brief und Paket, ist die Post hoch profitabel. Außerdem: Verlorene Pakete mit den verlorenen Wert­gegen­ständen darin haben beim Bürger eine größere Aufmerk­samkeit als Briefsendungen. Hinzu kommt, dass Pakete im Gegen­satz zu Briefen durch die Zustell­informationen für den Absender über­prüf­bar sind. Diese Aufmerk­samkeit, der Verdienst, die immer weiter steigenden Mengen und die Konkurrenz im Paket­geschäft sind die wesentlichen Gründe, warum die Deutsche Post im Paket­bereich recht gut unterwegs ist. Aber auch hier schläft die Konkurrenz nicht.

18

Mehr zum Thema

18 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

Profilbild Stiftung_Warentest am 02.01.2023 um 18:19 Uhr
Art. 10 GG, § 206 StGB

@joe76: Danke für Ihre Hinweise. Ja, sie haben natürlich Recht, dass das Portal des Bundesministeriums für Justiz für die Verlinkung der gesetzlichen Regelungen besser ist. So ist das auch eigentlich üblich. wir ändern die Links umgehend.

joe76 am 02.01.2023 um 11:16 Uhr
Briefankündigung mit Sendungsverfolgung nutzbar?

Ich werde durch die Post & DHL App zu Briefen informiert, die an mich unterwegs sind.
Auf dem Schwarzweiß-Foto kann ich jeweils erkennen, wer Absendende ist.
Die Briefankündigung erfolgt für ganz normale Briefe, die nicht per Einschreiben versandt wurden.
Wäre es technisch möglich, über diesen Weg, die Briefe mitzuverfolgen?
Zum Beispiel wie bei Paketsendungen:
Paketsendungen an mich kann ich oft live mit der App verfolgen und weiß dann, wie viele hundert Meter das DHL-Lieferfahrzeug noch von meiner Lieferadresse entfernt ist.
Die Zustellenden müssten dann die Briefe scannen, kurz bevor sie sie in den Briefkasten werfen oder bei den Empfangenden direkt abgeben, damit sie im System als zugestellt erfasst werden.
Dafür würde ich auch 1 € für einen Standardbrief zahlen.
P.S. Übrigens:
Ein per Einschreiben an mich versandter Brief wurde mir nicht per App angekündigt.
Er war aber bereits einen Tag nach Aufgabe bei mir; wohl weil er aus meinem Wohnort abgeschickt wurde.

joe76 am 01.01.2023 um 21:39 Uhr
Bitte offizielle und werbefreie Weblinks (2)

Hier der staatliche Weblink zum Briefgeheimnis im Artikel 10 des Grundgesetzes vom Bundesministerium der Justiz / Bundesamt für Justiz:
* https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_10.html

joe76 am 01.01.2023 um 21:20 Uhr
Leistung hat ihren Preis - keine Diskriminierung

Vielleicht werden die Leistungen der Menschen, welche Briefe austragen nicht hoch genug entlohnt. „Leistung muss sich lohnen.“, heißt es sonst.
Haben die Menschen, die Briefe austragen keine ausreichende Machtposition, um höhere Entlohnungen und Arbeitserleichterungen durchzusetzen? (Gewerkschaften?)
Mich würde ein aktueller Test zur DE-Mail interessieren.
Diese sollte doch schneller und sicherer sein als die konventionelle Briefpost. Doch ist es dazu inzwischen still geworden.
Ich bekomme nur von der Deutschen Rentenversicherung meinen jährlichen Bescheid per DE-Mail (Anbieter: fp-demail.de). Die Deutsche Telekom hat ihren DE-Mail-Dienst wohl inzwischen mangels Wirtschaftlichkeit eingestellt.
Ich bezweifle, dass es gut ist, alternativ auf Menschen argumentativ herumzuhacken, die das Bürgergeld beziehen. Das eine hat mit dem anderen nicht unbedingt etwas zu tun.
Ich frage mich auch, ob solche Argumentationen in Richtung Diskriminierung und Volksverhetzung gehen.

joe76 am 01.01.2023 um 20:47 Uhr
Bitte möglichst offizielle und werbefreie Weblinks

Hier der staatliche Weblink zum § 206 des Strafgesetzbuches vom Bundesministerium der Justiz / Bundesamt für Justiz:
* https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__206.html