Früher galten sie als Wertpapiere des kleinen Mannes. Heute sind die meisten Briefmarkensammlungen nur wenig wert – doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber wie können Laien sie erkennen? Was sind alte Briefmarken heute wert? Wir haben nachgeforscht.

Bildergalerie: Kleine Unterschiede bestimmen den Wert.

Posthornsatz. In hervorragender Qualität erzielte der Satz im Jahr 2016 bei einer Auktion 3 800 Euro.

Wasserzeichen. Das Wasserzeichen entscheidet: „fallend“ 5 355 Euro, „steigend“ rund 20 Euro.

Deutsches Reich 1923 / Inflation. Ungestempelt 10 Cent wert, gestempelt 600 Euro wert.

Mao. Begehrt sind Marken aus China, besonders aus der Zeit der Kulturrevolution 1966 – 76.

Massenware. Das sind die meisten Marken, die nach dem Jahr 1950 erschienen sind.
„Das wirst Du später einmal erben“
Manch einer hat das Bild noch vor Augen: Der Vater hält einen Brief über einen Topf voll dampfendem Wasser. Vorsichtig trennt er die Briefmarke vom Papier ab und legt sie zum Trocknen zur Seite. Einige Tage später sitzt er an seinem Schreibtisch, platziert die Marke mit der Pinzette an die richtige Stelle des Briefmarkenalbums, lugt freundlich über den Rand seiner Lesebrille und sagt: „Das wirst Du später einmal erben.“
Wie kann man Briefmarken zu Geld machen?

„Pappchinese“. Sagt der Volksmund. Kurz nach Herausgabe wurde die DDR-Marke zückgezogen.
Was mag eine solche Briefmarkensammlung wert sein? Wie kann man sie zu Geld machen? Wir haben uns mit einem Nachlass auf Antwortsuche begeben. Er umfasste elf Alben – eine bunte Sammlung mit Marken aus der Zeit des Kaiserreichs, der Bundesrepublik, etlichen ungestempelten Blöcken aus der DDR oder auch dreidimensionalen Plastikmarken mit Hologramm, die beim leichten Kippen ein zweites Motiv zeigen. Sie stammen aus Umm-Al-Qiwain, einem der Vereinigten Arabischen Emirate.
Ernüchterung im Auktionshaus

Audrey Hepburn. Ein Käufer zahlte 62 500 Euro bei einer Auktion.
Ortstermin im Berliner Auktionshaus Schlegel am Kurfürstendamm, das sich auf Auktionen von Briefmarken und Münzen spezialisiert hat. Nüchtern blättert Mitarbeiter Stefan Kaphengst die Seiten jedes Albums durch. Sein ebenso nüchternes Fazit: „Dafür kriegen Sie 30 bis 40 Euro.“ Das seien Marken, von denen sehr viele auf dem Markt sind, begründet er die Einschätzung. Eine Ausnahme bildeten die drei Sätze mit den Hologrammmarken aus Umm-Al-Qiwain. Ein Satz mit je fünf Marken ließe sich für rund 5 Euro verkaufen, schätzt er. Käufer gebe es bei Ebay – nicht aber beim Auktionshaus. Für eine Versteigerung sei diese Kollektion chancenlos. In der Regel erst ab einem Wert von etwa 1 000 Euro aufwärts nimmt Kaphengst eine Briefmarkensammlung in den Auktionskatalog auf.
Der Nachwuchs fehlt
Der Versuch zeigt: Die meisten Briefmarkensammlungen stellen heutzutage keinen nennenswerten Wert dar. Der Grund: Die Zahl der Sammler sinkt stetig, der Nachwuchs fehlt. Mit Briefmarken lassen sich nur wenige Jüngere vom Smartphone weglocken. Der Berliner Händler Georg Kröger steht stellvertretend für den Trend. Er hat seinen Laden schon 2006 aufgegeben und führt sein Geschäft seitdem von zu Hause aus. Er hat noch 30 feste Kunden – der jüngste von ihnen ist 60 Jahre alt.
Ausnahmemarken erkennen

Sachsen-Dreier. Diese Marke wurde für 5 000 Euro versteigert.
Auch wenn die meisten Sammlungen wenig wert sind – Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber wie können Laien sie erkennen? Zuerst lohnt ein Blick in die Alben selbst. Vielleicht hat der Sammler dort notiert, welchen Katalogwert die eine oder andere Marke hatte. Dann kennen die Nachfahren die einstigen Raritäten, die aus der Sammlung herausstachen und vielleicht immer noch etwas wert sind.
Ebay und Michel als Orientierung
Eine erste Orientierung bietet eine Suche nach den Handelspreisen beim Online-Auktionshaus Ebay. Eine weitere, kostenpflichtige Hilfe kann der Michel-Katalog geben, der inzwischen auch online erhältlich ist (briefmarken.de). Er dient Briefmarkenfreunden als anerkannte Schätzgrundlage. Die dort genannten Preise sollten Sammler aber nicht für bare Münze nehmen. Händler zahlen vom Katalogwert im Schnitt 20 bis 30 Prozent.
Experten einbeziehen
Ergeben die Recherchen Anhaltspunkte für eine wertvollere Sammlung, sollte ihr Besitzer Experten einbeziehen. Der nächste Philatelistenverein ist über den Bund deutscher Philatelisten unter bdph.de schnell zu finden. Erben sollten bei wertvolleren Sammlungen bedenken, dass die organisierten Sammler womöglich selbst kaufen wollen und den Wert geringer schätzen, als er tatsächlich ist. Zur Sicherheit sollte der Anbieter auch im Raum bleiben, wenn der Schätzer sich die Sammlung ansieht. Es könnte vielleicht eine teure Marke dabei sein, die hinterher fehlen könnte.
Zweite Meinung einholen
Handelt es sich um eine wertvollere Sammlung, sollten die Besitzer eine zweite Meinung einholen – von Händlern oder Auktionshäusern. Beide sind an einem günstigen Ankauf interessiert. Nehmen Auktionatoren aber eine Sammlung in die Versteigerung auf, werden sie am Erlös prozentual beteiligt. „Kommt ein Mitarbeiter von Berlin zum Beispiel nach Hessen zum Hausbesuch und nimmt die Sammlung mit einem Wert von 1 000 Euro in die Versteigerung, würde unsere Provision bei 20 Prozent beginnen“, sagt Kaphengst.
Von solchen Werten können die meisten Sammler nur träumen. Sie können ihre Marken meist für nur wenige Euro bei Ebay anbieten oder auf dem Flohmarkt verkaufen. „Von einem Händler bekommen sie dort vielleicht 10 oder 15 Euro für eine Hobbysammlung“, schätzt Händler Kröger.
Mit Briefmarken Gutes tun
Da möchte mancher mit der geerbten Sammlung lieber Gutes tun. Der Vorsitzende des Philatelistenverbands Berlin-Brandenburg, Klaus D. Schult, empfiehlt für unseren Probe-Nachlass zum Beispiel: „Briefmarkenfans in der fünften und sechsten Klasse freuen sich über eine solche Sammlung.“ Über eine Spende freut sich auch die Briefmarkenstelle Bethel (Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld). In Werkstätten sortieren Behinderte die Marken und schnüren sie zu Kiloware-Paketen zusammen. Der Verkaufserlös kommt der Einrichtung zugute. Oder man behält die Alben und erinnert sich an ihren Wert jenseits von Euro und Cent. An ihnen haftet die Erinnerung, wie der Vater liebevoll seine Sammlung pflegte.