Post-Ärger

„Ein Brief muss wieder zuver­lässig und recht­zeitig ankommen“

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Post-Ärger - Da geht die Post nicht ab

Die Juristin Iwona Husemann ist Post­expertin bei der Verbraucherzentrale NRW. © Verbraucherzentrale NRW

Wirk­same Sanktions­möglich­keiten für die Aufsicht

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Verbraucher­probleme beim Brief­versand?

Das sind der Verlust von Briefsendungen und die langen Lauf­zeiten, bis Briefe ankommen.

Wie zuver­lässig sind die Mess­ergeb­nisse der Deutschen Post zu den Höchst­lauf­zeiten von Briefen?

Die Lauf­zeiten müssten von einer neutralen Stelle gemessen werden. Es ist problematisch, Ergeb­nisse zu bewerten, die ein Unternehmen liefert, das diese Briefe selber befördert. Deshalb müsste die Bundes­netz­agentur für neutrale Messungen sorgen.

Was müsste die Bundes­netz­agentur noch tun?

Sie ist ja auch für Energie und Tele­kommunikation zuständig. Sie kann dort zum Beispiel Bußgelder verhängen oder Telefon­nummern abschalten – hat also dort mehr Befug­nisse als bei der Post. Die Bundes­netz­agentur muss wirk­same Sanktionen verhängen können, wenn es im Post­markt zu Unregelmäßig­keiten kommt.

Was müsste die Deutsche Post tun?

Sie muss dafür sorgen, dass ein Stan­dard­brief wieder zuver­lässig und recht­zeitig ankommt. Der Post­vorstand muss aufhören, Nebelkerzen zu werfen, wie etwa sein Vorstoß für einen teureren „Prio-Brief“, der einen Tag nach Einwurf ankommt, neben einem Stan­dard­brief zum gewohnten Preis, der erst nach drei Tagen beim Empfänger ist – mit einer gewissen Wahr­scheinlich­keit. Dies ist den Kundinnen und Kunden der Post nicht zumut­bar.

Warum nicht?

Wenn die Verbraucher eine verläss­liche Zustellung wollen, wählen sie schon jetzt teure Premium-Produkte, zum Beispiel das Einschreiben, das 3,45 Euro zusätzlich zum Porto kostet. Neben den schon existierenden Möglich­keiten ist kein Platz für ein weiteres Produkt, das teuer ist und nicht die Zuver­lässig­keit eines Einschreibens hat.

Einen Prio-Brief mit Sendungs­verfolgung gibt es jetzt schon. Er wird nach Angaben der Post „mit einer höheren Wahr­scheinlich­keit“ am nächsten Tag zugestellt. Was halten sie davon?

Gar nichts. Der Prio-Brief kostet 1,10 Euro mehr als ein Stan­dard­brief. Dafür bekommen Kundinnen und Kunden aber weder eine Garantie, dass der Brief am nächsten Tag ankommt noch einen Zustell­nach­weis. Dieser Prio-Brief ist nicht sinn­voll, wenn nachgewiesen werden muss, dass zum Beispiel ein Vertrag recht­zeitig gekündigt worden ist. Dafür gibt es die deutlich teureren Einschreiben. Sie bieten den Nach­weis, dass eine Sendung beim Adressaten zugestellt wurde.

Keinen „Zwei-Klassen-Brief“

 Das Bundes­wirt­schafts­ministerium plant seit langem eine Reform des Post­gesetzes. Was muss aus Verbrauchersicht dort neu geregelt werden?

Wir fordern mehr Verbraucher­schutz im Brief- und Paket­dienst. So darf die Digitalisierung von Post­dienst­leistungen nicht dazu führen, dass die Menschen in ländlichen Gegenden abge­hängt werden und nur noch mit Smartphone und Bluetooth an ihre Post­sendungen kommen.

Was sollte beim Brief­versand neu geregelt werden?

Einen Zwei-Klassen-Brief darf es nicht geben. Bei den vorgeschriebenen maximalen Lauf­zeiten für Stan­dard­briefe wären zwei bis drei Tage Lauf­zeit denk­bar – statt wie bisher ein bis zwei Tage. Doch dann bitte zuver­lässig! Der Stan­dard­brief muss ein verläss­liches Kommunikations­mittel sein. Die Post­kunden wollen nicht zuerst Schnel­ligkeit, sondern Verläss­lich­keit. Das wissen wir aus unseren Verbraucherbefragungen. Wenn sich Kundinnen und Kunden darauf verlassen können, dass die Sendungen inner­halb der angekündigten Frist sicher ankommen, dann wissen sie, wann sie ihre Briefe abschi­cken müssen, um Fristen zu wahren.

Beschwerden sind „nur die Spitze des Eisbergs“

Die Post unterhält weniger Filialen als vorgeschrieben und stellt Briefe offen­bar auch nicht immer werk­täglich zu. Wie kann das sein?

Das derzeit geltende Post­gesetz sieht keine wirk­samen Sanktionen vor. Deshalb muss das neue Gesetz der Bundes­netz­agentur mehr Befug­nisse geben.

Die Bundes­netz­agentur bekommt sehr viele Kunden­beschwerden über die Deutsche Post. Der Post-Vorstand bezweifelt diese Zahlen. Kann er sich das leisten?

Die Beschwerden sprechen für sich. Aus unserer Sicht sind sie nur die Spitze des Eisbergs.

Die Post wollte im Sommer vorzeitig das Porto erhöhen. Die Bundes­netz­agentur hat dies nicht erlaubt. Zu Recht?

Wir haben in der Vergangenheit beob­achtet, dass mit steigendem Porto leider nicht auch die Qualität der Post­dienst­leistungen steigt. Dies ist jedoch eine Kern­forderung der Verbraucherzentrale NRW. Deshalb ist es gut, dass die Bundes­netz­agentur dafür gesorgt hat, dass es keine vorgezogene Porto­erhöhung gibt.

Extra­touren – auch an Sonn­tagen

Vor Weih­nachten werden sehr viel mehr Briefe, Pakete und Päck­chen verschickt als sonst im Jahr. Wird die Post das schaffen?

Nicht nur die Deutsche Post, sondern auch die anderen Anbieter werden Extra­touren fahren – auch an Sonn­tagen. Wir sehen das Bemühen der Anbieter, die Post­berge gut abzu­arbeiten. Den Verbrauchern raten wir, einen Extra-Puffer einzukalkulieren beim Verschi­cken von Geschenken, um zu gewähr­leisten, dass sie am 24. Dezember auch sicher unterm Weihnachts­baum liegen. Wer sein Geschenk mindestens zehn Tage vor Weih­nachten verschickt, kann auf der sicheren Seite sein.

Welche Tipps haben Sie noch fürs Verschi­cken der Weihnachts­post?

Wichtig sind die richtige Verpackung und das richtige Porto. Dafür bieten alle Anbieter im Internet Hilfen an. Wer seine Sendung online frankiert, bezahlt und dann einliefert, bekommt in der Regel beim Porto einen Rabatt. Auch sollte man die Preise und Angebote der unterschiedlichen Anbieter DHL, Hermes, DPD und UPS vergleichen. So über­nimmt DHL keine Haftung für ein Päck­chen. Hermes bietet an, ein Päck­chen bis zum Wert von 50 Euro zu versichern.

 

 

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  • Insomnia am 07.12.2023 um 20:12 Uhr
    Beschwerde wird abgewiegelt

    Mehrfach habe ich mich bei der Post beschwert. Da ich in der DHL App die Briefankündigung aktiviert habe, kann ich gut nachvollziehen, wann die Briefe bei der Post durchgelaufen sind. Trotzdem erklärt die Post nur lapidar, dass sie nicht wüsste woran die langen Zustellzeiten liegen.
    "...Es tut uns sehr leid, dass Sie eine Briefsendung noch nicht erhalten haben, die Ihnen bereits durch die Briefankündigung digital angekündigt wurde.
    Da die Briefankündigung bereits bei der maschinellen Bearbeitung im Briefzentrum generiert wird, kann es in Einzelfällen bis zur Zustellung verschiedene Faktoren für eine Verzögerung geben. Die konkrete Ursache dafür können wir jedoch leider nicht ermitteln.
    Über die Briefankündigung werden Ihnen auch Sendungsarten avisiert – z. B. Dialogpost, Büchersendung – für die eine Auslieferung von vier Werktagen nach der Einlieferung unser Qualitätsziel ist. Ihre Sendung könnte also durchaus noch ankommen...."

  • db2013t am 07.12.2023 um 13:54 Uhr
    Sendungsverfolgung zeigt nicht den Status

    Mir wurde ein Prio-Brief in der Sendungsverfolgung als zugestellt angezeigt. Tatsächlich kam der Brief erst zwei Tage später. Der Briefträger, den ich darauf ansprach, sagte: Die Sendungsverfolgung zeigt einfach Unsinn an.
    Vielleicht sollte die Post weniger in die Entwicklung Unsinn anzeigender Apps investieren und mehr in Personal.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 21.11.2023 um 13:36 Uhr
    Ärger mit der Post

    @20FM19: Vielen Dank für den Hinweis! Sie haben Recht. Die E-Mail-Adresse lautet
    impressum.brief@deutschepost.de
    Wir leiten Ihren Hinweis an die Redaktion weiter.

  • 20FM19 am 21.11.2023 um 13:21 Uhr
    Ärger mit der Post und Stiftung Warentest

    Gestern kam Finanztest, heute wollte ich mich bei der Post beschweren. Wegen Zustellungsproblemen bei den E-Mails hatte ich auch verschiedene Absender verwendet.
    Alle Mails wurden nicht zugestellt werden, weil Test im Heft die falsche E-Mail-Adresse hinterlegt hat!
    Auchim Heft sollte die E-Mail lauten:
    impressum.brief@deutschepost.de

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 20.11.2023 um 15:05 Uhr
    Seit 2,5 Jahren Probleme mit neuer Straße

    @pengst79: Sie können sich bei der Bundesnetzagentur beschweren:
    https://www.bnetza-post.de/lip/form/display.do?%24context=4E606464E631EC9719CF
    oder per Mail an: buergereingaben-post@bnetza.de