Die Post soll zuverlässig sein. Oft klappt das aber nicht. Post-Experte Klaus Gettwart erklärt, warum vor allem die „letzte Meile“ ein Problem ist.
Massive Probleme – nicht erst seit Corona

Klaus Gettwart ist Vorstand des Postnutzer-Verbands DVPT. Allein seine Mitgliedsunternehmen versenden täglich 6,6 Millionen Briefe mit der Deutschen Post. © Presse DVPT
Viele private Kunden beschweren sich über die Post. Sind auch Geschäftskunden von den Zustellproblemen betroffen?
Ja, es gibt seit einigen Jahren massive Probleme – nicht erst seit Corona. Anders als bei Privatpost ist die Deutsche Post AG bei Geschäftspost nicht gesetzlich verpflichtet, mindestens 80 Prozent der Briefe am Tag nach der Einlieferung zuzustellen und mindestens 95 Prozent am übernächsten Tag. Dies gilt nur für Briefe, die in die gelben Briefkästen eingeworfen werden. Aber auch für private Kunden ist dies nur eine wachsweiche Qualitätsaussage. Sie gilt nur im Mittel, verteilt übers ganze Jahr – und ist für Kunden nicht nachprüfbar. Eine solche Qualitätsaussage ist völlig unzureichend. Leider ist die Zustellqualität der Konkurrenten der Deutschen Post im Geschäftskundenbereich nicht besser.
Der Deutsche Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT) macht mit Hilfe seiner Mitgliedsunternehmen eigene Laufzeitmessungen; mit welchen Ergebnissen?
Die Laufzeitmessungen von Geschäftsbriefen machen wir seit vier Jahren. 2023 haben wir festgestellt, dass die Brieflaufzeiten sowohl im Vergleich zu 2021 als auch zu 2022 erneut schlechter geworden sind. Dies gilt leider auch für die private Konkurrenz der Deutschen Post AG. Je nach Ort der Post-Einlieferung, Entfernung zwischen Start und Ziel sowie Jahreszeit ist ein Brief im Mittel zwischen 1,1 und 2,3 Tagen unterwegs. Besonders lange Strecken, wie die zwischen Hamburg und München, haben auffallend lange Laufzeiten. Im ersten Quartal des Jahres sind die Laufzeiten immer besser als im letzten Quartal. Bei unseren Messungen schwanken die Zustellungen je nach Unternehmen zum Folgetag zwischen 35 und 86 Prozent. Das 80-Prozent-Ziel muss die Deutsche Post nur für Briefe einhalten, die in die gelben Briefkästen geworfen werden. Bei Geschäftspost gibt es keine die Laufzeit betreffende Verpflichtung. Dies ist nicht akzeptabel, denn mehr als 85 Prozent aller Briefe sind geschäftlich veranlasst.
Brieflaufzeiten unabhängig überprüfen
Die Post misst die Laufzeiten selbst und meldet sie an die Bundesnetzagentur. Reicht das?
Klare Antwort: Nein! Die Laufzeitmessungen der Post gelten, wie gesagt, nur für den sogenannten Universaldienst, also die Briefe aus den gelben Briefkästen. Die Bundesnetzagentur müsste zusätzlich die Laufzeiten der Geschäftspost flächendeckend überprüfen. Die Überprüfung müsste auch von unabhängiger Seite und nicht von der Deutschen Post selbst vorgenommen werden. Die Unternehmen fragen: Wie kann es sein, dass unsere Briefe, die sortiert eingeliefert werden und maschinenlesbar sind, länger unterwegs sind als Privatbriefe und es erhebliche Schwankungen bei der Laufzeit gibt?
Was sind die Gründe für die Probleme bei der Postzustellung?
Es gibt vereinzelt Probleme bei der Logistik und zwischen den Briefzentren. Auf bestimmten Strecken gibt es gute Postlaufzeiten, andere haben schlechte, wieder andere oft schwankende. Das Hauptproblem ist jedoch die Zustellung auf der sogenannten letzten Meile bis zum Empfänger. Die Post hat dort massive Schwierigkeiten beim Personaleinsatz. Die Personaldecke ist dünn. Die Mitarbeiter müssen immer größere Zustellgebiete abdecken. Wenn dann jemand krank wird, führt das zu sehr großen Problemen. Ein Zusteller trägt oft sowohl Briefe als auch Pakete aus. Beide werden dann nur verspätet zugestellt. Also: Das Zustellnetz der Deutschen Post ist nach unseren Messungen nicht homogen. Es gibt starke Schwankungen in allen Bereichen.
Dauerhaft zu wenig Zusteller
Es fehlen also Briefträgerinnen und Paketboten?
Ja, es fehlen Zusteller.
Warum löst die Post die Probleme nicht?
Tja, die Deutsche Post ist ein auf Profit ausgerichtetes Unternehmen. Wir haben im Grunde auch eine gute und profitable Post. Die Gewerkschaften kritisieren, dass die Zusteller nicht genug verdienen. Es ist nachvollziehbar, wenn durch Krankheit Mitarbeiter ausfallen. Aber wenn die Personalpolitik so ist, dass dauerhaft zu wenig einsatzbereite Mitarbeiter vorhanden sind, dann ist das nicht okay. Und: Der Bund ist an der Post beteiligt. Das ist auch ein Problem.
Wieso? Ist es nicht auch eine Chance?
Ja, wenn der Bund der Post mehr auf die Finger gucken würde. Aber die Gesetzeslage ist nicht ausreichend. Sie muss geändert werden.
Mehr Befugnisse für die Postaufsicht
Was genau muss besser werden?
Die Bundesnetzagentur als Kontrollorgan der Postmärkte muss mehr Kompetenzen, mehr Geld und mehr Personal bekommen. Sie muss die Laufzeiten für Geschäfts- und Privatpost flächendeckend überprüfen. Wir wollen, dass per Gesetz eine Laufzeit-Zusage gegeben wird, die wirklich eingehalten wird. Wenn 95 Prozent der Briefe am übernächsten Tag nach der Einlieferung garantiert ankommen, ist das eine bessere und konkretere Aussage als die wachsweiche Formulierung im derzeit geltenden Postgesetz. Unternehmen brauchen Gewissheit, wann genau ihre Briefe ankommen – natürlich auch, dass sie schnell ankommen. Noch wichtiger ist aber, dass die Laufzeit-Zusage eingehalten wird. Es gibt eine Menge Geschäftsbriefe, die zwei, drei Wochen unterwegs sind bis zum Empfänger. Das ist für eine Fristeinhaltung bei Vertragsabschlüssen oder Ausschreibungen nicht akzeptabel. Die Bundesnetzagentur muss Qualitätseinbußen der Post schärfer sanktionieren und sollte Portoerhöhungen nur dann zustimmen können, wenn die Post zuverlässig arbeitet.
Die Post wollte in diesem Jahr das Briefporto außerplanmäßig erhöhen. Die Bundesnetzagentur hat dies abgelehnt. Eine richtige Entscheidung?
Ja, die Bundesnetzagentur hat das Ansinnen der Deutschen Post sehr kompetent begründet abgelehnt. Wir sind nicht gegen angemessene Preise, doch die Deutsche Post verdient bereits jetzt gut. Und sie hat keine überzeugende Begründung für die Portoerhöhung vorgebracht. Am 1. Januar 2025 kann sie die Preise wieder regulär anpassen. Doch bis dahin sind die Preise festgelegt. Es gibt keinen Grund, sie vorher zu erhöhen.
Nicht jeden Werktag Post
Privatkunden beschweren sich, dass die Post nicht jeden Werktag kommt. Haben Geschäftskunden dies auch festgestellt?
Die Deutsche Post muss Briefe laut Postgesetz werktäglich also an 6 Tagen die Woche zustellen. Aber die Bürger merken, dass dies eben nicht werktäglich erfolgt – und die Unternehmen stellen dies auch fest. Die Post muss besser und unabhängig kontrolliert werden. Am wichtigsten ist: Der Brief muss in der zugesagten Zeit ankommen.
Die Post hat derzeit 116500 Zustellerinnen und Zusteller – genau so viel wie 2022. Das ist nicht gerade wenig.
Die Zustellung ist aber trotz leicht sinkender Briefmengen schlechter geworden. Das sieht jeder, der die Briefankündigung per E-Mail oder in der Post-App nutzt. So erfährt der Empfänger, wann ein Brief im Zielbriefzentrum angekommen ist, und kann dann feststellen, mit welchem Zeitverzug er im Briefkasten landet. Auch die Unternehmen bekommen eine Ankündigung, wann die Briefe im Zielbriefzentrum angekommen sind. Doch die Ankündigungen passen nicht zusammen mit der eigentlichen Zustellung. Einzelne Briefe kommen erst Tage später an.
Lohnt sich für Ihre Mitglieder eine Beschwerde bei der Post, wenn die Zustellung nicht klappt?
Wir machen die Laufzeitmessungen, damit wir und unsere Mitglieder die Post damit konfrontieren können. Die konkreten Zahlen für die verspätete Zustellung kann die Post dann nicht vom Tisch wischen. Dann finden Gespräche statt zwischen der Post und den betroffenen Unternehmen. Die Post geht den Problemen nach, um sie abzustellen. Indem man lange Laufzeiten konkret nachweist, kann man Druck auf die Post ausüben. Außerdem gibt es die private Konkurrenz zur Deutschen Post AG, auch wenn die Konkurrenzunternehmen nur einen Marktanteil von 15 Prozent haben. Viele Unternehmen splitten ihre Sendungen soweit es möglich ist: ein Teil läuft über private Zusteller, ein Teil über die Deutsche Post AG, um Preisvorteile zu nutzen und für Konkurrenz zu sorgen. Leider können die Wettbewerber nicht überall zustellen. Die Deutsche Post AG ist in einer komfortablen Lage. Die Marktsituation und der Wettbewerb sind aus Verbraucher- und Unternehmenssicht nicht zufriedenstellend.
Ist die Deutsche Post bei der Beförderung von Paketen besser als bei der Briefzustellung, weil die Konkurrenz im Paketgeschäft größer ist?
Ja, im Paketgeschäft hat sie mit einem Marktanteil von etwa 40 Prozent nicht diese Vormachtstellung wie im Briefverkehr. Sie hat im Paketbereich also wesentlich mehr Konkurrenz. Hinzu kommt, dass Pakete im Gegensatz zu Briefen durch die Zustellinformationen für den Absender und den Empfänger bis zur Übergabe überprüfbar sind. Diese Laufzeitkontrollen, die immer weiter steigenden Mengen und die Konkurrenz im Paketgeschäft sind die wesentlichen Gründe, warum die Deutsche Post im Paketbereich recht gut unterwegs ist.
Mehr Qualität durch ein neues Postgesetz
Ein neues Postgesetz, das Verbesserungen bringen soll, lässt seit Jahren auf sich warten. Warum dauert das so lange?
Der Gesetzentwurf soll noch in diesem Jahr kommen! Es muss im Gesetz stehen, dass die Bundesnetzagentur mehr Überprüfungs- und Kontrollmöglichkeiten bekommt – auch im Geschäftskundenbereich. Kartellrechtlich hat die Deutsche Post eine marktbeherrschende Stellung. Deshalb muss auch bei ihrer Dienstleistung für Geschäftskunden genauer hingeschaut werden. Wir brauchen einen Qualitätsmonitor. Die Post soll bekannt geben, welche Laufzeiten es in welchen Zustellgebieten gerade gibt und wo Verzögerungen eintreten. Die Wagenburgmentalität der Deutschen Post muss aufhören. Die Basis dafür muss das neue Postgesetz schaffen.
Was empfehlen Sie für die Versendung von Weihnachtsbriefen und -karten?
Die Absender sollten ihre Weihnachtspost frühzeitig vorbereiten und damit rechnen, dass sie im Schnitt fünf Tage unterwegs ist.
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@20FM19: Vielen Dank für den Hinweis! Sie haben Recht. Die E-Mail-Adresse lautet
impressum.brief@deutschepost.de
Wir leiten Ihren Hinweis an die Redaktion weiter.
Gestern kam Finanztest, heute wollte ich mich bei der Post beschweren. Wegen Zustellungsproblemen bei den E-Mails hatte ich auch verschiedene Absender verwendet.
Alle Mails wurden nicht zugestellt werden, weil Test im Heft die falsche E-Mail-Adresse hinterlegt hat!
Auchim Heft sollte die E-Mail lauten:
impressum.brief@deutschepost.de
@pengst79: Sie können sich bei der Bundesnetzagentur beschweren:
https://www.bnetza-post.de/lip/form/display.do?%24context=4E606464E631EC9719CF
oder per Mail an: buergereingaben-post@bnetza.de
Wir haben im März 2021 für unseren Neubau in einer neuen Straße die Anschrift/Hausnummer von der örtlichen Stadtverwaltung zugewiesen bekommen.
Laut der Stadt wurde das auch an die Post weitergeleitet. Leider haben wir jedoch bis heute massive Probleme mit dieser Adresse. Schon mehrfach wurden Pakete und Briefe wieder als unzustellbar zurückgeschickt.
Zuletzt z.B. Briefe mit wichtigen Informationen der Rentenversicherung oder ein wichtiges Gutachten.
Auch Zeitungs-Abos die wir abschließen wollten wurden vom Verlag wieder storniert weil die Post die Adresse als ungültig bezeichnet. Seit 6 Wochen wird mir auch eine Zeitschrift die jetzt 1,5 Jahre problemlos geliefert wurde nicht mehr zugestellt.
Mehrere Kontaktversuche mit der Post blieben erfolglos. Die reagiert einfach nicht. Die Stadtverwaltung hingegen verweist auf die Post.
Wir sind hier langsam am verzweifeln.
Mich würde einmal interessieren, welche wirtschaftlichen Schäden durch diese mangelhafte Zustellungpraxis der Deutschen Post AG der Bevölkerung und der Deutschen Wirtschaft entstehen.
Bei uns scheint die Post auch nicht regelmäßig zu erscheinen - einmal haben wir uns mit Nachbarn gemeinsam bei Bundesnetzagentur und Deutscher Post AG beschwert. Es gab eine kurze Besserung.
Wenn ich aber daran denke, wie viele abonnierte Zeitschriften ich bereits erneut anfordern musste, wie viele erwartete Rechnung nur durch Anruf bei der Handwerksfirma noch fristgerecht bezahlt werden konnten, muss ich mich schon fragen, wie hoch der volkswirtschaftliche Schaden durch die Deutsche Post AG für die Bundesrepublik ist.