Botox Kaum hilf­reich gegen Kopf­schmerzen

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Botulinumtoxin als Waffe gegen Kopf­schmerzen – diese Hoff­nung hat sich weit­gehend zerschlagen. Das ergibt eine neue Analyse ameri­ka­nischer und japa­nischer Forscher. Danach wirkt das Nervengift gegen zwei wichtige Kopf­schmerzarten gar nicht und gegen chro­nische Migräne nur ein biss­chen. Zudem erscheint die Studien­lage dürftig. test.de sagt, für wen die Behand­lung mit Botox in Frage kommen könnte – und welche Arznei­mittel Migränepatienten sonst helfen.

Für schlaffe Muskeln, gegen schlaffe Haut

Nervengift, Muskel­entspanner, Faltenglätter: Botulinumtoxin Typ A (zum Beispiel im Präparat Botox) kommt schon länger medizi­nisch und kosmetisch zum Einsatz. Es ist in Deutsch­land als Arznei­mittel gegen einige Erkrankungen zugelassen. Dazu zählen Schiefhals, Lidkrampf und halb­seitige Gesichts­lähmung. Daneben ist es welt­weit das häufigste Mittel zur nicht-chirurgischen Faltenglättung. Dazu wird es in die Gesichts­muskeln gespritzt, die die Falten verursachen, und lässt sie erschlaffen, wodurch die Faltentiefe abnimmt. Die Wirkung tritt nach zwei bis sieben Tagen ein und bleibt für etwa drei bis vier Monate erhalten. Das Mittel muss fachmän­nisch angewendet werden. Bei fehler­hafter Injektion kann es auch unerwünschte Muskelpartien lähmen. Dann hängen beispiels­weise die Brauen oder die Augen­lider herab.

Bei wichtigen Kopf­schmerzformen nicht wirk­sam

Dass Botulinumtoxin auch gegen Kopf­schmerzen wirken könnte, fiel zufäl­lig auf: Personen, die sich das Mittel zur Faltenglättung spritzen ließen und an chro­nischen Kopf­schmerzen litten, gaben an, dass sich diese verbesserten. Dieser Hinweis wurde in klinischen Studien wissenschaftlich über­prüft. In der Fach­zeit­schrift „Jama“ (Journal of the American Medical Association) haben amerikanische und japa­nische Forscher nun eine ernüchternde Analyse all dieser Daten veröffent­licht. Demnach scheint Botulinumtoxin bei zwei wichtigen Kopf­schmerzformen – der episo­dischen, also nur gelegentlichen Migräne und dem chro­nischen Spannungs­kopf­schmerz – nicht zu wirken.

Bei chro­nischer Migräne nur geringe Effekte

Bei einer dritten wichtigen Kopf­schmerzform, der chro­nischen Migräne, hilft Botulinumtoxin – aber nur ein biss­chen. Bestenfalls verhindert es zwei bis drei schmerz­geplagte Tage pro Monat. Und selbst dieser Effekt ist nicht besonders gut belegt. Die Auswahl der Studien­teilnehmer war nämlich zweifelhaft. Manche hatten angegeben, über­mäßig Schmerz­mittel einzunehmen – das heißt, an mehr als zehn Tagen im Monat. Doch in diesen Mengen können Arznei­mittel selber Dauer­kopf­schmerzen verursachen. Dieser „medikamenteninduzierte Kopf­schmerz“ ist in erster Linie durch das Absetzen der Medikamente zu behandeln – ganz sicher nicht durch die Gabe weiterer, wie etwa Botulinumtoxin.

In Deutsch­land nur für bestimmte Migränepatienten zugelassen

In Deutsch­land ist Botulinumtoxin seit 2011 für Erwachsene mit chro­nischer Migräne zugelassen – aber nur, wenn vorbeugende Medikamente, wie etwa Meto­prolol und Propranolol, nicht ausreichend wirken. Für dieses Einsatz­gebiet wird Botulinumtoxin alle zwölf Wochen ins Muskelgewebe von mehr als 30 Stellen im Kopf- und Nacken­bereich gespritzt. Allerdings fehlen noch Erfahrungen zur sicheren Anwendung. So lässt sich nicht ausschließen, dass das Mittel Nacken- und Gesichts­muskeln lähmt, so dass beispiels­weise Brauen oder Augen­lider herab­hängen oder Schluck­störungen auftreten. Alles in allem kommt Botulinumtoxin also nur für ganz bestimmte Patienten in Frage. Diese Voraus­setzungen müssen erfüllt sein:

  • Es handelt sich sicher um chro­nische Migräne.
  • Andere präventive Medikamente waren wirkungs­los oder werden nicht vertragen.
  • Ein medikamenteninduzierter Kopf­schmerz kann ausgeschlossen werden.
  • Die Anwendung erfolgt durch einen in der Behand­lung der chro­nischen Migräne erfahrenen Neurologen.

Erkennungs­zeichen der chro­nischen Migräne

Patienten mit chro­nischer Migräne haben seit mindestens drei Monaten an wenigs­tens 15 Tagen pro Monat Kopf­schmerzen. Dabei muss es sich an mindestens acht Tagen sicher um Migräne handeln. Diese lässt sich daran erkennen, dass die in der Regel starken Schmerzen oft nur auf eine Seite des Kopfes beschränkt sind, sich klopfend oder pulsierend anfühlen und bei Bewegung verschlimmern. Damit es sich sicher um Migräne handelt, muss außerdem mindestens eines er folgenden Symptome hinzukommen: Übel­keit, Erbrechen, Licht- oder Geräusch­empfindlich­keit.

Medikamente beim Migräne­anfall

Im Fall einer Migräneattacke sollten Patienten früh­zeitig und in ausreichend hoher Dosis ein Schmerz­mittel schlu­cken – zum Beispiel 1 000 mg Azetylsalizylsäure, 400 bis 600 mg Ibuprofen, 50 bis 100 mg Diclofenac oder 1 000 mg Parazetamol. Schmerz­mittel als Brause­tabletten sind vorteilhaft. Bei zusätzlicher Übel­keit ist es sinn­voll, ein Medikament dagegen mit dem Wirk­stoff Domperidon oder Metoclopramid einzunehmen – und zwar vor dem Schmerz­mittel, damit dieses besser aufgenommen wird. Wenn diese Behand­lung nicht ausreicht, können spezielle Migränemedikamente weiterhelfen: die Triptane (Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Zolmitriptan). Diese unterscheiden sich unter­einander gering­fügig in Wirk­eintritt, Wirk­dauer und Neben­wirkungen. Menschen mit Vorerkrankungen am Herzen, also hohem Blut­druck, Angina pectoris oder einem früheren Herz­infarkt, dürfen Triptane nicht einnehmen.

Kopf­schmerzen durch Schmerz­mittel

Wichtig bei Triptanen und Schmerz­mitteln: Patienten sollten sie höchs­tens zehn Tage pro Monat und nicht länger als drei Tage hinter­einander einnehmen. Im Über­maß können sie nämlich selbst Kopf­schmerzen verursachen. Deshalb bekommen viele Patienten, die öfter als sieben Tage pro Monat an Migräneatta­cken leiden, nach ärzt­licher Absprache Arznei­mittel zum Vorbeugen. Die besten Belege für eine Wirk­samkeit liegen für die Wirk­stoffe Meto­prolol und Propranolol vor.

Genaueres Wissen zur Migräne und ihrer Behand­lung gibt es bei der Stiftung Warentest in der Arzneimitteldatenbank sowie im test-Spezial Migräne. Infos zur kosmetischen Anwendung finden Sie finden Sie im Test zu Botox.

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