Das Botulinumtoxin lähmt Muskeln und glättet Falten. Wer mit der Spritze liebäugelt, sollte sich vorher gründlich informieren. Ärzte nennen die Risiken oft nicht von selbst, wie jetzt Testbesuche bei Ärzten zeigen.
Denkerfalten, Sorgenfalten, Konzentrationsfalten, Zornesfalten, Lachfältchen, Traurigkeitsfalten – Freud und Leid, Gefühle und Gedanken hinterlassen ihre Spuren. Nicht jeder hat dazu die gleiche Meinung wie Brigitte Bardot, Sexidol der sechziger Jahre, der folgender Spruch zugeschrieben wird: „Ich bin stolz auf die Falten. Sie sind das Leben in meinem Gesicht.“
„Botox to go“ in der Mittagspause

„Showroom für Schönheit“: Auffällige Werbung eines Berliner Anbieters.
Film- und Fernsehstars setzen heute auf jugendliches Aussehen bis ins hohe Alter. Was die Schönen aus dem Showgeschäft vormachen, findet auch Anklang beim breiten Publikum. Besonderer Beliebtheit erfreut sich das Modemittel „Botox“, das am ehesten mit der Faltenbekämpfung in Zusammenhang gebracht wird. Findige Vermarkter locken Kundinnen und zunehmend auch Kunden mit Werbesprüchen wie „Botox to go“ – Faltenspritzen in der Mittagspause, im Urlaub, auf „Botox-Partys“ oder auf dem Kreuzfahrtschiff.
Die Behandlung ist tatsächlich recht einfach und schnell. Das lässt leicht vergessen, dass Botulinumtoxin – so die Bezeichnung des Wirkstoffs, der Muskeln lähmt und Falten glättet – hochgiftig ist. Falsch dosiert oder unsachgemäß injiziert, kann es auch Schaden anrichten.
Offiziell nur für medizinische Zwecke
Das Präparat Botox ist hierzulande nur für medizinische Indikationen zugelassen, hauptsächlich für verschiedene Muskelverkrampfungen (siehe „Botox in der Medizin“). Für kosmetische Zwecke sind die Mittel Vistabel, Azzalure und Bocouture zugelassen (siehe Tabelle). Ärzte können jedoch auf eigene Verantwortung und mit Zustimmung der Patienten Botox und andere Botulinumtoxine außerhalb der Zulassung zur kosmetischen Behandlung anwenden. Die Mittel werden in sehr geringen Einzelportionen in die Muskeln gespritzt, die für die Falten oder Verkrampfungen verantwortlich sind.
Botulinumtoxin verhindert die Freisetzung des Botenstoffs, der für die Funktionsfähigkeit der Nerven erforderlich ist. In der Folge erhalten die Muskeln, die von diesen Nerven versorgt werden, dann keinen Impuls mehr, sich zusammenzuziehen – das Gesicht ist faltenfrei, Verkrampfungen unterbleiben. Die Wirkung lässt allerdings nach einigen Monaten nach, die Injektionen müssen deshalb regelmäßig wiederholt werden.
Wir wollten wissen, ob Ärzte, die auf ihren Internetseiten für eine ästhetische Botox-Behandlung werben, Interessenten im Vorfeld eines Eingriffs umfassend beraten.
Test bei Berliner Ärzten
Drei Frauen zwischen 30 und 50 Jahren, die ihre „Zornesfalten“ zwischen den Augenbrauen loswerden wollten, testeten für uns Beratungen für ästhetische Botox-Behandlung exemplarisch in acht Berliner Arztpraxen und Privatkliniken. Häufig waren es Hautärzte oder ästhetische Chirurgen.
„Das wird Ihr Leben verbessern“
Während die meisten Gespräche sachlich und informativ verliefen, übten zwei Ärzte durchaus Verkaufsdruck auf Testerinnen aus. So erfuhr eine der Frauen beispielsweise, dass ihr die Zornesfalten einen sehr unfreundlichen Gesichtsausdruck verleihen und sie daher unbedingt eine Behandlung brauche. „Sie werden sehen“, beteuerte der Arzt im Gespräch, „das wird Ihr Leben verbessern, denn die Menschen werden ganz anders auf Sie reagieren.“
In einem anderen Zentrum für ästhetische Medizin hieß es, eine Behandlung mit Botulinumtoxin wäre „super“ für die Zornesfalten und zudem total ungefährlich.
Risiken auch heruntergespielt
Die Risiken einer Botoxbehandlung spielten mehrere Ärzte herunter. Eine unserer Probandinnen zog nach einem Beratungstermin das Fazit: „Das Ganze war ein nettes Gespräch, das man auch im Café hätte führen können – interessant und unterhaltsam, aber über den eigentlichen Ablauf, die Nebenwirkungen, die Kosten informierte der Arzt nur auf Nachfrage.“
Schwellung, Asymmetrie, Hängelid
Die meisten Ärzte erläuterten jedoch zutreffend, für welche Falten eine Behandlung infrage kommt und welche Risiken damit verbunden sind. Am häufigsten wiesen sie auf blaue Flecken, Schwellungen oder Asymmetrien im Gesicht hin. Drei Ärzte erwähnten das Risiko eines Hängelids oder neuer Falten an anderer Stelle.
Bedenklich ist allerdings, dass nur ein einziger Arzt eine umfassende medizinische Anamnese durchführte, die Testpatientin also unter anderem nach Allergien, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskel- und Nervenerkrankungen sowie nach der Medikamenteneinnahme fragte.
Das ist wichtig abzuklären, um festzustellen, ob Patienten zum Beispiel bei Nervenerkrankungen oder Gerinnungsstörungen nicht mit Botulinumtoxin behandelt werden dürfen.
„Ich fühlte mich gut aufgehoben“
Von diesem Allgemeinmediziner mit Spezialisierung auf Botulinumtoxin war unsere Probandin geradezu „begeistert“: In dem 45-minütigen Beratungsgespräch informierte er sie über die genaue Vorgehensweise, die genutzten Präparate und ihre Dosierung, markierte in einer Zeichnung die geplanten Injektionsstellen, erklärte Wirkung und eventuelle Nebenwirkungen. „Ich fühlte mich gut aufgehoben und beraten und hatte nicht das Gefühl, dass er mir etwas verkaufen wollte.“
Auch ein anderer auf ästhetische Medizin spezialisierter Allgemeinmediziner nahm sich viel Zeit, klärte über Risiken auf und wies darauf hin, dass kurz vor und nach der Behandlung keine blutverdünnenden Medikamente wie Aspirin eingenommen werden sollten. Für ein paar Tage solle nach den Injektionen auch auf Saunabesuche und einige Sportarten verzichtet werden. Fazit: „Ich würde mich dort auf jeden Fall behandeln lassen.“
Behandlung zieht weitere nach sich
Alle besuchten Ärzte wiesen darauf hin, dass die Wirkung von Botulinumtoxin nach einigen Monaten nachlässt und dann eine erneute Behandlung ansteht. Auch mögliche Alternativen zur Injektion eines Faltenglätters kamen zur Sprache, wie die Unterspritzung von tiefen Falten mit Hyaluronsäure. Ein Arzt verband das aber mit der – eher werbenden – Empfehlung, nach ein paar Monaten auch einmal über die Beseitigung von Pigmentflecken zu sprechen. „Denn nach einer Behandlung hört man nicht auf“, wie er sagte.
Behandlung für 190 bis 390 Euro
Die meisten Beratungsgespräche waren kostenlos, einmal bezahlten wir 21 und einmal 60 Euro. Die Behandlungen sollten zwischen 190 und 390 Euro kosten. Ein Anbieter wies auf ein Sonderangebot hin: eine Botox-Jahrespauschale („Flatrate“) für 750 Euro. Kritisch daran: Man bindet sich an einen Anbieter und zahlt weitere Injektionen im Voraus. Wir raten ab. Nur ein Arzt wies in seinem Kostenvoranschlag den Preis für das Botulinumtoxin – 170 Euro – am Gesamtpreis der Faltenbehandlung von 200 Euro aus.
Ganze Ampulle berechnet?
Für eine Faltenbehandlung wird nicht der komplette Flascheninhalt gebraucht – Hintergrund von „Botox-Partys“ und Gruppenbehandlungen. Im Test bot ein Arzt an, die Botoxflasche mit anderen Patienten zu teilen, um Kosten zu sparen. Wenn Kunden eine ganze Ampulle Botulinumtoxin berechnet wird, sollte die Produktflasche vor ihren Augen geöffnet und der nicht benötigte Rest vernichtet werden.
Lösung nur vier Stunden stabil
Eine Ampulle Botulinumtoxin für mehrere Patienten zu verwenden, ist kritisch zu bewerten. Laut Hersteller darf das rezeptpflichtige Arzneimittel nur für einen Patienten verwendet werden. Die in der Flasche enthaltene Trockensubstanz wird unmittelbar vor der Injektion mit steriler Kochsalzlösung für die Injektion aufbereitet. Die Lösung ist gekühlt nur etwa vier Stunden stabil und verliert dann ihre Wirksamkeit. Auch hygienische Probleme wie eine Verkeimung sind denkbar, wenn die Lösung nicht schnell verbraucht wird.
Körper wehrt sich gegen die Substanz
Bei wiederholter Behandlung können sich Antikörper gegen Botulinumtoxin bilden, seine Wirkung kann nachlassen oder völlig ausbleiben. Zum Beispiel, wenn hohe Einzel- oder Auffrischdosen gespritzt werden oder wenn der Abstand zwischen den Faltenbehandlungen zu kurz ist. Bei deutlich ausgeprägten Falten, bei Hautüberschuss und stark lichtgeschädigter Haut ist die Wirkung von Botulinumtoxin eingeschränkt. Bei einigen Erkrankungen sollte Botulinumtoxin mit großer Vorsicht oder gar nicht angewendet werden, etwa bei einigen Nerven- oder Muskelerkrankungen. Nutzen und Risiken sollten in einem ausführlichen Gespräch abgeklärt werden. Von der Verjüngungskur in der Mittagspause ist daher abzuraten.