
Schmuck ist nichts für kleine Kinder: Leicht verschlucken sie Ringe, Teile von Halsketten oder Armbändern und können schlimmstenfalls daran ersticken. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt jetzt besonders vor Modeschmuck für Kinder, der Blei enthalten kann. Schon geringe Mengen des giftigen Schwermetalls reichen aus, um die Intelligenzentwicklung zu beeinträchtigen. test.de klärt auf.
Bunt, glitzernd und gefährlich
Kettenanhänger, Armbänder, Fingerringe – Kinder lieben, was bunt ist und glänzt. Doch Schmuckstücke oder Teile davon lassen sich leicht verschlucken. Dann drohen kleine Kinder zu ersticken. Eine zusätzliche Gefahr geht von bleihaltigem Modeschmuck aus, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). An ihm sollten Kinder nicht einmal lutschen oder knabbern. Denn im Blut und in den Knochen wird Blei, das sich aus dem Schmuck löst, langfristig gespeichert. Aus diesen Depots kann das giftige Schwermetall wieder freigesetzt werden und so zu einer chronischen Bleibelastung führen. Im Blut hat Blei eine Halbwertszeit von etwa 35 Tagen, in den Knochen von fünf bis 30 Jahren. Die Halbwertszeit ist die Zeit, in der sich der Bleiwert im Blut bzw. in den Knochen um die Hälfte verringert.
Schwere Schäden im Gehirn
Blei ist ein Schwermetall. Es hemmt im Körper mehrere Enzyme und stört die Sauerstoff-Versorgung. Akute Vergiftungen sind zwar eher die Ausnahme, wenn bleihaltige Kleinteile verschluckt werden. Eine chronische Bleivergiftung macht sich aber unter anderem bemerkbar durch Kopfschmerzen, Müdigkeit und Abmagerung. Zudem ist Blei bei Menschen wahrscheinlich auch krebserzeugend. Bei Kindern reicht schon eine geringe Menge Blei aus, um Schäden im Gehirn anzurichten: Bei Säuglingen, Kleinkindern und Föten im Mutterleib kann Blei die Intelligenz-, Aufmerksamkeits- und Reaktionsleistungen beeinträchtigen, zu Verhaltensstörungen und Hörverschlechterung führen.
Neuer EU-Grenzwert für Schmuck
Für Schmuck gilt in der Europäischen Union seit September 2012 laut der sogenannten „Reach“-Verordnung folgende Regelung: Bleihaltiger Schmuck für Kinder und Erwachsene darf nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn der Bleigehalt weniger als 0,05 Prozent des Gesamtgewichts eines Schmuckstücks ausmacht. In zehn Gramm schwerem Modeschmuck dürften somit höchstens 5 Milligramm Blei enthalten sein.
Blei immer wieder auch in Spielzeug
Nicht nur Modeschmuck bringt gesundheitsgefährdende Bleimengen für Kinder mit sich. Immer wieder werden Blei und andere Schadstoffe auch in Spielsachen nachgewiesen. Die Grenzwerte für Schadstoffe in Puppen, Stofftieren und Co. regelt anders als bei Schmuck die EU-Spielzeugrichtlinie. Mit Hilfe des EU-Schnellwarnsystem „Rapex“ wird Spielzeug, das diese Grenzwerte überschreitet, aus dem Handel zurückgerufen. Wegen zu hoher Bleibelastungen wurde zuletzt vor Kinderschaufeln der Marken Goki und Spielmaus gewarnt. Über aktuelle Rückrufaktionen informiert auch test.de regelmäßig: Themenseite Rückruf.
Deutschland klagt und strebt Verschärfung an
Die Stiftung Warentest untersucht zudem selbst immer wieder Spielzeug auf Schadstoffe. Die Tester legen dabei strengere Maßstäbe an, weil sie die EU-Grenzwerte für zu hoch halten. Für einige Schadstoffe liegen zudem noch keine gesetzlichen Regelungen vor. Das Ergebnis der Tester: Ein Großteil der Spielsachen enthält gesundheitsgefährdende Schadstoffe. Zum Teil sogar so stark, dass kleine Kinder, die alles in den Mund stecken, damit nicht spielen sollten. Auch das deutsche Verbraucherministerium und die Bundesregierung halten die geltende EU-Spielzeugrichtlinie für nicht ausreichend. Darin vorgegebene Grenzwerte für Schwermetalle wie Blei, Quecksilber oder Arsen schätzen die Experten ebenfalls als zu hoch ein. Die Bundesregierung hat deshalb beim EU-Gerichtshof Klage eingereicht. Mit einer Entscheidung wird frühestens 2014 gerechnet.
Blei auch in der Umwelt
Blei kommt in sehr geringen Mengen auch im Trinkwasser und in unseren Lebensmitteln vor, zudem atmen wir Bleipartikel über die Luft ein. Mehr als 0,5 Mikrogramm Blei pro Kilogramm Körpergewicht sollten Kinder am Tag nicht aufnehmen, rät die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). Ein wissenschaftlich fundierter Schwellenwert, ab welcher Bleidosis mit negativen Wirkungen auf die Hirnentwicklung bei Kindern auszugehen ist, liegt jedoch nicht vor. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bereits eine tägliche Aufnahme von 0,3 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht die Intelligenz bei Kindern beeinträchtigen kann. Die WHO fordert darum sogar ein Verbot von Blei in Kinderspielzeug.
Schmuck aus Bohnen keine Alternative
Übrigens: Keine sichere Alternative, sondern ebenso gefährlich für kleine Kinder ist Naturschmuck aus Paternosterbohnensamen, warnt das BfR. Halsketten und Armbänder aus den Samen des Paternosterbohnenstrauches werden vor allem in Indien und Afrika gefertigt und hierzulande verkauft. In den glänzenden Samen, die sich als Perlen eignen, steckt das Pflanzengift Abrin – bis zu 75 Mikrogramm pro Samen. Gelangt das Gift in den Körper, kann es schwere Magenschleimhautentzündungen auslösen, zu Durchfall, Erbrechen, Krämpfen, Nieren- und Kreislaufversagen führen. 75 bis 150 Mikrogramm Abrin können für Kinder tödlich sein, bei Kleinkindern genügt eine noch geringere Dosis. Werden die Samen unzerkaut und mit heiler Schale verschluckt, besteht keine Vergiftungsgefahr. Die Schale ist zu hart, um verdaut zu werden. Samen, die als Perlen auf eine Schnur gezogen waren, weisen in der Schale jedoch in der Regel Löcher auf. Durch diese kann das Abrin austreten und lebensgefährliche Vergiftungen verursachen.
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