
Läuft Gift aus dem Hahn? Blei im Trinkwasser riecht nicht und schmeckt nach nichts.
Leitungen aus dem weichen Metall vergiften noch immer in tausenden Haushalten das Wasser. Jetzt müssen letzte Bleirohre raus.
Wasser aus dem Hahn hat in Deutschland eine hohe Qualität. Nur nicht dort, wo es noch durch alte Bleirohre fließt. Selbst kleinste Mengen des geruch- und geschmacklosen Schwermetalls schädigen auf Dauer das Nervensystem. Blei macht dumm, besonders wenn sich das Gehirn noch in der Entwicklung befindet. Ungeborene und Kleinkinder sind am stärksten gefährdet. Zum Schutz hat das Gesundheitsministerium die Trinkwasserverordnung überarbeitet. Der erlaubte Bleigehalt sinkt ab Dezember von 25 auf 10 Mikrogramm je Liter. „Nach unserer Erfahrung kann dieser Wert nicht eingehalten werden, wo es noch Bleirohre gibt“, sagt Thomas Rapp, Trinkwasserexperte im Umweltbundesamt.
Müssen die Bleileitungen raus?
Unbedingt. Andere Methoden taugen nicht als Dauerlösung. „Fest installierte Filter können schnell verkeimen und herausgefiltertes Blei wieder ins Wasser abgeben, wenn sie nicht regelmäßig gewartet werden“, so Rapp. Davon, die Rohre mit Epoxid-Harz zu beschichten, rät er ebenfalls ab. Das funktioniere nicht zuverlässig. Konsequenz: „Die Rohre müssen raus!“
Wie viele giftige Rohre gibt es noch?
Genau weiß das niemand. Offizielle Zahlen liegen nur für die Anschlüsse vor, die zum Haus hinführen. Sie gehören den Wasserwerken. Hier hat sich einiges getan: Zahlreiche Gemeinden haben in großem Umfang gesundheitsgefährdende Leitungen erneuert. Vor zehn Jahren waren allein in Hamburg noch rund 28 000 Bleirohre bekannt. Der örtliche Wasserversorger hat sie auf etwa 250 gesenkt. Bis Jahresende sollen sie ganz verschwinden. In Berlin schrumpfte die Zahl im selben Zeitraum von rund 29 000 auf noch etwa 3 800. Von einer positiven Entwicklung zeugen auch Messungen der Stiftung Warentest: Innerhalb von 15 Jahren haben wir mehr als 37 000 Proben aus Privathaushalten analysiert und beobachtet, dass die Fälle von verunreinigtem Wasser in den vergangenen Jahren zurückgingen (siehe Grafik).
Gibt es Grund zur Entwarnung?
Leider nicht. Wasserwerke interessieren sich nur für Hausanschlüsse, nicht aber für die privaten Installationen im Haus. Dafür ist der Eigentümer selbst verantwortlich. Wie viele bleihaltige Rohre vorhanden sind, ist unbekannt. Ein Risiko besteht vor allem im Norden und Osten, wo das Schwermetall zum Teil noch bis 1973 verbaut wurde – in Süddeutschland verzichtet man bereits seit 1878 auf Bleirohre. Meist sind teil- und unsanierte Altbauten betroffen. Niedersachsens Gesundheitsamt schätzt, dass es allein in dem Bundesland noch etwa 100 000 belastete Wohnungen gibt.
Wie erfahre ich, ob ich betroffen bin?

Wulstige Lötverbindungen sind ein Merkmal von Rohren aus Blei. An angekratzten Stellen glänzen sie silbrig.
Thomas Rapp, der Experte vom Umweltbundesamt, rät Verbrauchern, zunächst selbst nach Bleirohren zu suchen. „Sie liegen oft über Putz und sind leicht zu erkennen.“ Das Metall ist weich und biegsam, die Rohre sind meist gebogen verlegt. Blei glänzt silbrig, wenn man es anritzt und hat wulstige Lötstellen (siehe Foto). Ist es in der Wand versteckt, lugen Anschlüsse häufig unter Waschbecken oder hinter Wasserzählern hervor. Wer in einem Altbau zur Miete wohnt und nicht alle Rohre prüfen kann, sollte sich an den Vermieter wenden. Der ist ab Dezember verpflichtet, Mieter über giftige Leitungen zu informieren und die Reinheit des Wassers sicherzustellen.
Wer führt Wasseranalysen durch?
Darüber gibt das zuständige Gesundheitsamt Auskunft. Es bietet entweder selbst eine Wasseranalyse an oder vermittelt anerkannte Labore. Für Haushalte, in denen Schwangere oder kleine Kinder wohnen, ist die Messung vielerorts kostenlos, zum Beispiel in Niedersachsen, Hamburg und Berlin. Für alle anderen ist eine einfache Bleianalyse ab etwa 18 Euro zu haben.
Und wenn mein Wasser belastet ist?
Die Sofortmaßnahme: Lassen Sie es ein bis zwei Minuten ablaufen, bevor Sie es nutzen. Abgestandenes Wasser reichert sich stark mit Blei an – bereits nach einer Stunde steigt die Konzentration erheblich. Der Effekt ist umso stärker, je saurer das Wasser ist. Schwangere und Säuglinge sollten das Wasser gar nicht trinken oder damit zubereitete Speisen essen. Wichtig ist es, die Ursache für die Belastung zu finden und zu beseitigen. Geringe Bleiwerte können auch durch Messingarmaturen entstehen. Sie enthalten fast alle Blei, das sich lösen kann.
Wer zahlt für die neue Leitung?
Oftmals der Hausbesitzer. Das Wasserwerk muss zwar eine bleihaltige Anschlussleitung austauschen, wenn der neue Grenzwert überschritten wird. Die Kosten kann es aber auf den Eigentümer umlegen. Einige Kommunen verzichten darauf aus Kulanz. Für die Installation im Haus ist der Eigentümer verantwortlich. Ein Vermieter ist verpflichtet, bleihaltige Rohre zu erneuern, wenn das Trinkwasser zu viel von dem Schwermetall enthält. In Niedersachsen und einigen anderen Ländern bekommt er dafür Zuschüsse. In keinem Fall darf er den Austausch auf Mieter abwälzen. Die neue Leitung gilt als Sanierungsmaßnahme und nicht als Modernisierung. Stellt sich der Vermieter quer, sollten Betroffene das Gesundheitsamt einschalten.