Blei im Trinkwasser Neue Umweltkarte

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Blei im Trinkwasser - Neue Umweltkarte

23 700 Wasserproben hat die Stiftung Warentest in den vergangenen zehn Jahren auf Schwermetalle untersucht. Und aus den Ergebnissen jetzt aktuell eine Umweltkarte zum Thema Blei im Trinkwasser erstellt. Ergebnis: In vielen Regionen Deutschlands ist das Problem noch nicht gelöst. Das gilt besonders für Ballungsregionen Nord- und Ostdeutschlands. Hier wiesen jeweils mehr als 5 Prozent der eingesandten und analysierten Wasserproben einen Bleianteil über dem aktuell geltenden Grenzwert auf. test.de klärt auf, bringt Tipps zum Thema und bietet den kostenlosen Download der Umweltkarte. Endgültige Klarheit über die Belastung bringt die Trinkwasser-Analyse der Stiftung. Hinweis: Die Trinkwasser-Analyse wurde eingestellt.

Grenzwert sinkt

Ursache für erhöhte Bleikonzentrationen im Trinkwasser sind Wasserrohre aus Blei - verwendet im Haus oder bei der Hausanschlussleitung. Einzig mögliche Konsequenz: Diese Bleirohre müssen raus. Das Problem: Die Aufnahme kleiner Bleimengen über längere Zeit hinweg beeinträchtigt die Blutbildung und Intelligenzentwicklung von Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern. Zum Schutz dieser Risikogruppe wurde der Grenzwert für Blei im Trinkwasser zum 1. Dezember 2003 auf 25 Mikrogramm pro Liter gesenkt. Zuvor betrug er noch 40 Mikrogramm. Ab 1. Januar 2013 sinkt der Wert weiter auf dann 10 Mikrogramm pro Liter.

Bis über 10 Prozent belastet

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Rot bedeutet: erhöhtes Risiko. Die komplette Umweltkarte (hier Ausschnitt) erhalten Sie im Download.

Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt die Umweltkarte Blei im Trinkwasser (pdf) der Stiftung Warentest. Sie basiert auf 23 700 Wasserproben der vergangenen zehn Jahre. Die Karte weist die besonders belasteten Regionen ­aus: Rot gekennzeichnet sind vor allem die nord- und ostdeutschen Ballungsgebiete, aber auch die Bonner Gegend und Frankfurf am Main. Mehr als fünf Prozent der aus diesen Gebieten eingesandten Proben überschritten den aktuellen Grenzwert von 25 Mikrogramm pro Liter. Innerhalb der Regionen ist das Risiko jedoch unterschiedlich: In Gegenden mit hohem Altbaubestand sind oft deutlich mehr als 5 Prozent der Proben belastet, während Gemeinden mit hohem Neubauanteil kaum oder gar nicht betroffen sind. In Leipzig, Bremen und Hamburg lag der Anteil bleihaltiger Proben bei über 10 Prozent. Grund für die unterschiedliche Risikoverteilung: Im süddeutschen Raum verzichteten die Verantwortlichen bereits seit 1878 auf das Verlegen von Bleileitungen zur Trinkwasserversorgung. Im übrigen Deutschland war damit teilweise erst 1973 endgültig Schluss.

Zehntausende Bleirohre

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Schwierige Diagnose: Oft sind Bleirohre erst nach Abschlagen des Putzes zu erkennen. Vorsicht: Bei dieser Mischinstallation ragte nur das Kupferrohr aus der Wand...

Auf Nachfrage bestätigen auch Gesundheitsämter und Wasserversorger die Probleme: Allein von den Hausanschlussleitungen – sie führen von den unter der Straße verlegten Hauptwasserleitungen aus ins Haus – sind in Deutschland noch Zehntausende aus Blei: in Hamburg 28 000, in Leipzig 7 000, in Erfurt 5 750.... Bis zum Jahr 2013 wollen alle Kommunen ihr öffentliches Netz saniert haben. Erschreckend ist oft der Kenntnisstand über die Bleiinstallationen in den Altbauten. Die meisten der von der Stiftung befragten Gesundheitsämter und Wasserversorger mussten hier passen. Beispiel Magdeburg: In welcher Größenordnung noch Bleileitungen vorhanden sind, „wissen wir nicht“, so die Antwort des Gesundheitsamts. Auch der Verweis an die dortigen Wasserwerke ergab nur die Auskunft, dass dazu „keine Angaben“ vorliegen. Anderswo gibt es zumindest Schätzungen: Das Schweriner Gesundheitsamt hält etwa 10 Prozent der Hausinstallationen für bleihaltig, die Wasserwerke in Gera 6 Prozent. In Kiel gehen die Verantwortlichen von 5 bis 10 Prozent aller vor 1950 errichteten Gebäude aus.

Vorbild Frankfurt am Main

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...und das Bleirohr war unterm Putz verborgen.

Positiv: Frankfurt am Main verfügt über eine Erhebung der betroffenen Häuser. Nach der Devise: „Frankfurt trinkt bleifrei!“ wurde 1997 ein „Bleiprojekt“ ins Leben gerufen. Die Hausanschlussleitungen sind mittlerweile bleifrei. Wo es noch Blei in den Häusern gibt, werden die Eigentümer nach und nach vom Gesundheitsamt angeschrieben. Können diese den Austausch der Leitungen nicht nachweisen, muss das Trinkwasser untersucht werden. Bei überhöhten Werten heißt es: binnen eines Jahres sanieren. Der Druck hat Erfolg. Auch bei den von uns untersuchten Proben aus dem Frankfurter Raum hat der Anteil belasteter Wässer merklich abgenommen.

Leere Kassen bremsen

Andere Kommunen tun sich schwerer. Viele prüfen allenfalls auf Anfrage und bei angezeigten Mängeln. Oft hapert es an der Zusammenarbeit zwischen Wasserwerk und Gesundheitsamt. So werden in Hamburg aus datenschutzrechtlichen Gründen bislang keine Adressen an das Gesundheitsamt weitergegeben. Ursache für die bescheidenen Fortschritte bei der Sanierung sind selten mangelndes Problembewusstsein und fehlendes Engagement. Im Gegenteil: Wer bei den Ämtern oder Versorgern anfragt, trifft oft auf hilfsbereite Mitarbeiter. Häufig fehlt es einfach an Geld und Personal. Hier und da gibt es Faltblätter, aber selten ein offensives Vorgehen. Gesundheitsämter finanzschwacher Landkreise und Städte können regelmäßige Trinkwasseruntersuchungen nicht einmal für alle Krankenhäuser, Kinderbetreuungsstätten und Altenheime gewährleisten, klagte der Amtsleiter einer mittelgroßen Stadt. Andere Insider bedauern, dass bei Auseinandersetzungen oft aufwändige Analysen nötig seien und kein generelles Verbot den Austausch alter Rohre vereinfache.

Betroffene müssen aktiv werden

Für Betroffene gibt es oft nur einen Weg: Selbst aktiv werden. Wie, lesen Sie in den Tipps zum Thema. Dass auch Hausbe­sitzer häufig positiv reagieren, zeigt das Beispiel von Angelika S. aus Berlin: Nachdem die Analyse der Stiftung Warentest einen hohen Bleigehalt ihres Trinkwassers bestätigt hatte, übermittelte sie den Befund an den Vermieter. Wenige Monate später rückten die Handwerker an. Die Fotos stammen aus diesem Haus. Sie haben jetzt nur noch dokumentarischen Wert.

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