
Antibiotika sind bei Blasenentzündung kein Muss. Eine neue Studie zeigt, dass Schmerzmittel oft ausreichen, wenn die Entzündung unkompliziert ist. So können sich Betroffene den Einsatz von Antibiotika einsparen und verhindern, dass Bakterien unempfindlich gegen die Arzneien werden. test.de fasst die Ergebnisse der Studie zusammen.
Häufiger Harndrang, Brennen beim Wasserlassen
Brennen, Stechen, Tröpfeln – ungefähr jede zweite Frau kennt die unangenehmen Symptome der Blasenentzündung persönlich. Und viele Leidgeprüfte erkranken immer wieder. Ursache sind normalerweise Bakterien. Wenn sie über die Harnröhre bis zur Blase aufsteigen und sich dort vermehren, drohen die typischen Beschwerden: Häufiger Harndrang trotz ziemlich leerer Blase, Brennen und Stechen beim Wasserlassen.
Erreger können resistent werden
Viele Betroffene mit Blasenentzündung bekommen Antibiotika verordnet. Die Arzneien bekämpfen Bakterien wirkungsvoll – mit einem Haken: Bei zu häufigem Einsatz werden Erreger dagegen unempfindlich, fachsprachlich: resistent. Im schlimmsten Fall kommt ihnen gar kein Medikament mehr bei, und gut heilbare Krankheiten werden wieder äußerst bedrohlich. In Kliniken stellen antibiotikaresistente Keime schon heute ein großes Problem dar.
Studie in Zusammenarbeit mit 42 Hausarztpraxen
Viele Ärzte versuchen, Antibiotika einzusparen – was bei Blasenentzündung gelingen kann. Das zeigt eine neue Studie von Medizinern mehrerer deutscher Unis zusammen mit 42 Hausarztpraxen. 494 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren mit akuten Harnwegsinfekten nahmen teil. Alle litten an typischen Beschwerden, aber nicht an Warnzeichen für Komplikationen wie Fieber oder Schmerzen im Nierenbereich. Sämtliche Patientinnen wurden per Zufallsprinzip aufgeteilt und erhielten entweder das Antibiotikum Fosfomyzin oder dreimal täglich über drei Tage das Schmerzmittel Ibuprofen. Die Frauen wussten nicht, zu welcher Behandlungsgruppe sie gehörten, und dokumentierten das Ausmaß ihrer Beschwerden eine Woche lang strukturiert in einem Tagebuch. Alle sollten wieder zum Arzt gehen, falls sich ihre Beschwerden nicht binnen kurzem verbesserten oder sich sogar verschlechterten. Dann bekamen sie stets ein Antibiotikum verordnet.
Zwei Drittel wurden ohne Antibiotikum gesund
Zwei Drittel der Frauen, die Schmerzmittel schluckten, wurden wieder gesund – ganz ohne Antibiotikum. Insgesamt sind der Studie zufolge also viele Antibiotika bei Blasenentzündung vermeidbar – zumal es Hinweise gibt, dass nach einer Antibiotikatherapie mehr Frauen erneut an der Infektion erkranken. In der aktuellen Untersuchung erlitten mit 11 Prozent fast doppelt so viele Frauen aus der Fosfomyzin-Gruppe nach zwei bis vier Wochen einen Rückfall wie in der Ibuprofen-Gruppe.
Bei Hinweis auf Nierenbeckenentzündung sofort zum Arzt
Allerdings hatten die Frauen, die bei der Untersuchung Schmerzmittel bekamen, etwas länger Beschwerden als die aus der Antibiotika-Gruppe: im Schnitt rund 5,6 statt 4,6 Tage. Zudem scheint etwas häufiger eine Nierenbeckenentzündung aufzutreten. Diese Komplikation droht, wenn Bakterien von der Blase hochwandern. Fünf Patientinnen aus der Ibuprofen-Gruppe bekamen eine Nierenbeckenentzündung – hingegen nur eine aus der Fosfomyzin-Gruppe. Allerdings ist das Ergebnis statistisch nicht signifikant. Das bedeutet: aus der Studie lässt sich nicht entnehmen, ob der Unterschied mit den verschiedenen Behandlungen zusammenhängt oder rein zufällig auftrat. Eine Nierenbeckenentzündung lässt sich in aller Regel gut mit Antibiotika behandeln. Bei Warnhinweisen wie Fieber und Flankenschmerz müssen Betroffene sofort zum Arzt.
Komplizierte Fälle brauchen ein Antibiotikum
Patientinnen mit Blasenentzündung können mit ihrem Arzt besprechen, ob für sie die Alternativbehandlung mit Schmerzmittel infrage kommt. Außerdem tut Ruhe und Wärme gut – und viel trinken, um Erreger auszuschwemmen. Wenn sich Beschwerden in den folgenden Tagen nicht bessern oder es Hinweise auf Komplikationen wie Fieber und Flankenschmerz gibt, ist ein Antibiotikum nötig. Das gilt auch für Schwangere – und für Männer. Sie bekommen viel seltener Blasenentzündung als Frauen, was vor allem mit ihrer längeren Harnröhre zusammenhängt. Erreger dringen nicht so leicht bis zur Blase vor wie bei Frauen – aber wenn das passiert, erkranken Männer oft ziemlich schwer.
Tipp: Welche Medikamente bei Harnwegsinfektionen geeignet sind, erklären die Arzneimittel-Experten der Stiftung Warentest ausführlich im Fachartikel in unserer Datenbank Medikamente im Test. Sie wollen das Ganze lieber in gedruckter Form? Unser Handbuch Medikamente enthält Bewertungen zu 7 000 häufig verschriebenen Medikamenten, darunter auch alle wichtigen Medikamente gegen Harnwegserkrankungen. Und was Sie bei Neigung zur Blasenentzündung sonst noch tun können, steht in unserer Meldung Blasenentzündung: Vorbeugung durch Cranberry?