
Rosenkohl? Igitt! Was bitter schmeckt, wird an den Tellerrand verbannt. Nach dieser Maxime handeln nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene. Dabei sind viele Bitterstoffe in Chicorée, Endivie und Brokkoli oder auch in Grapefruits und einigen Apfelsorten sehr gesund. Sie können die Fettverbrennung fördern, Leber und Galle anregen und den Verdauungstrakt auf Trab bringen.
Angeborene Abneigung
Probiert ein Kind zum ersten Mal einen Schluck Kaffee, verzieht es unweigerlich das Gesicht. Dafür gibt es sogar ein Wort: gustofazialer Reflex. Für die noch untrainierten jungen Geschmacksnerven ist das Gebräu viel zu bitter. Das Kind muss die Akzeptanz der Geschmacksrichtung „bitter“ erst erlernen, bis es sie irgendwann vielleicht sogar genießen kann. Begründet ist dieses Verhalten in der menschlichen Evolution - uns schmeckt am besten, was wir am dringendsten brauchen. Zucker, also Süßes, liefert Energie, Fleisch und Fisch enthalten wichtige Eiweiße und bedienen die Geschmacksrichtung „umami“, die für Herzhaftes steht. Salzige Speisen liefern wichtige Mineralien. Ein bitterer Geschmack ließ die menschlichen Vorfahren hingegen aufschrecken – er deutete daraufhin, dass ein Nahrungsmittel giftig war. Auch ein saurer Geschmack verhieß nichts Gutes, so schmeckende Früchte waren in der Regel unreif und verursachten Magenverstimmungen.
Vorteile gehen verloren
Obwohl bitter und sauer heute meist nicht mehr als Warnzeichen gelten, sind die geschmacklichen Vorlieben des Menschen gleich geblieben. Besonders in den westlichen Industrienationen wird bevorzugt, was süß oder salzig schmeckt. In verarbeiteten Lebensmitteln sind darum häufig Aromen und Zusatzstoffe enthalten, die beide Vorlieben gleichermaßen bedienen. Zusätzlich werden Stoffe hinzugefügt, um die Bitterkeit bestimmter Zutaten zu überdecken. Auch die Landwirtschaft hat sich darauf eingestellt. Zahlreiche Gemüse- und Obstsorten wie beispielsweise Chicorée oder Brokkoli, aber auch Äpfel oder Grapefruits werden seit Jahren so gezüchtet, dass sie immer weniger Bitterstoffe enthalten und einer größeren Menge von Verbrauchern schmecken. Damit gehen zum Teil aber auch die wichtigen Funktionen dieser Lebensmittel verloren.
Was bitter im Mund, ist dem Magen gesund
So können die in der Artischocke enthaltenen Bitterstoffe die Verdauung anregen sowie Leber und Galle positiv beeinflussen. Der entscheidende Bitterstoff heißt Cynarin. Die Salat-Kandidaten Brennessel, Löwenzahn und Rauke beinhalten Bitterstoffe aus der Familie der Terpene und Polyphenole. Sie können schon im Mund die Speichelproduktion stimulieren und den Verdauungstrakt veranlassen, mehr Säure zu produzieren. Der Körper kann so etwa das mit der Nahrung aufgenommene Fett besser verarbeiten. Ähnliches gilt für Chicorée, hier versetzt der Bitterstoff Intybin den Magen in Bewegung, fördert Magensaft-Sekretion, Gallefluss und Fettverdauung.
Bitterstoff-Forschung
Einige der Bitterstoffe könnten sogar vor Darmkrebs schützen. Wissenschaftler der US-Universität Yale untersuchten die Geschmacksvorlieben bei 250 älteren Männern. Ergebnis: Je geringer die Vorliebe für Bitterstoffe, desto mehr Darmpolypen. Das sind mögliche Vorboten für Krebs. Zudem wird vermutet, dass die Bitterstoffe nach wie vor den frühmenschlichen Alarm im Gehirn auslösen, der die Essenslust bremst und signalisiert, dass die Nahrungsmittel giftig sein könnten. So stellten Wissenschaftler an der Rutgers Universität in New Jersey 2008 fest, dass Frauen, welche die Geschmacksrichtung „bitter“ nicht so gut wahrnehmen können wie andere, sechs Mal häufiger übergewichtig sind.
Bitter und lecker
Es kann also durchaus lohnenswert sein, sich auf ein bitteres Geschmackserlebnis einzulassen. Auf Bauernmärkten oder Bio-Höfen gibt es oft noch alte Obst- oder Gemüsesorten, die kaum verändert wurden und noch viele Bitterstoffe enthalten. Im Pflanzenfachhandel oder auf Samenbörsen ist entsprechendes Saatgut zu bekommen, das sich im Garten oder auf dem Balkon selbst ziehen lässt. Experten empfehlen auch Pflanzen zu wählen, die ihrer wild wachsenden Form noch möglichst ähnlich sind – etwa Löwenzahn oder Frühlingszwiebeln. Mit dem passenden Rezept wird schließlich auch Bitteres zum Genuss.
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