
Aus dem Wasserhahn sollte generell nur kaltes Wasser getrunken werden. © Getty Images / Thanasis Zovoilis
Warmwasser in Wohngebäuden kann laut Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart mit kritischen Chemikalien* belastet sein. Was Mieter und Hausbesitzer tun können.
Epoxidharz als Ursache
Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA) hat kritische Konzentrationen des Stoffs* Bisphenol A (BPA) im Warmwasser von Wohngebäuden festgestellt. Verursacht wurden diese durch Trinkwasserleitungen, die mit Epoxidharz saniert worden waren. Diese Sanierungsmethode war vor allem zwischen 2000 und 2015 bundesweit bei verrosteten, verzinkten Stahlrohren beliebt. Danach häuften sich die Warnungen davor, dass sich aus dem Epoxidharz BPA lösen und ins Trinkwasser gelangen könnte.
*Korrigiert am 2.10.2023.
Fast 90 Prozent der Proben belastet
Schon 2015 riet der TÜV Nord von dieser Art der Innenrohrsanierung ab. Zu Recht, denn die Stuttgarter fanden in 87 Prozent der Warmwasserproben BPA-Konzentrationen, die den ab 2024 gültigen Grenzwert von 2,5 Mikrogramm pro Liter (µg/L) der Trinkwasserverordnung um das mehr als achtfache überstiegen. Der höchste gemessene Wert im Warmwasser lag bei 211 µg/L. Kaltwasser war unbelastet.
Als Reaktion auf die Funde haben Gesundheitsämter in Baden-Württemberg Nutzungsverbote ausgesprochen, teilweise mussten Hausbesitzer Rohre austauschen, manche taten es freiwillig. Das CVUA geht davon aus, dass deutlich mehr Hausinstallationen auf diese Weise saniert wurden als bislang bekannt ist. Einzelne Sanitärfirmen hätten bereits um die Jahrtausendwende damit geworben, mehrere hundert Objekte auf diese Weise saniert zu haben.
Bisphenol A: In Babyflaschen bereits verboten
Bisphenol A beeinflusst den Hormonhaushalt von Lebewesen, kann die Fortpflanzungsfähigkeit schädigen und steht im Verdacht Krebs zu erregen. Seit 2011 ist die Chemikalie zum Beispiel in Babyflaschen EU-weit verboten. Sie steckt aber auch in der Beschichtung zum Beispiel von Konservendosen.
Die Temperatur ist entscheidend
BPA ist auch eine häufige Komponente in Klebstoffen und Kunststoffen wie Epoxidharz, bei dem meist zwei flüssige Chemikalien vermischt werden und dann aushärten. Diese Eigenschaft wird genutzt, wenn marode Wasserrohre nach einer Reinigung von innen beschichtet werden. Der Vorteil: Das Rohr muss nicht ausgetauscht werden. Der Nachteil: Epoxidharz beginnt sich mit der Zeit und insbesondere bei Temperaturen ab 65°Celsius wieder aufzulösen, so dass BPA freigesetzt wird. Zum Schutz vor Legionellen wird Trinkwasser häufig auf mehr als 70° Celsius erhitzt.
So schützen Sie sich als Mieter
- Vermieter fragen. Klären Sie mit Vermieter oder Hausverwaltung, ob Trinkwasserleitungen mit Epoxidharz repariert worden sind. Falls ja: Trinken Sie kein Warmwasser und verwenden es nicht zum Kochen. Davon wird auch generell abgeraten.
- Analysieren lassen. Beauftragen Sie ein professionelles Labor, Ihr warmes und kaltes Trinkwasser aus dem Wasserhahn zu untersuchen. BPA-Analysen für Privathaushalte sind noch nicht so gängig wie auf Blei. Eine erste Orientierung über qualifizierte Anbieter geben die von den Gesundheitsministerien der Länder veröffentlichten Listen von amtlich zugelassenen Trinkwasseruntersuchungsstellen (Übersicht). Bei unserer Recherche sind wir auf Angebote ab 80 Euro gestoßen.
- Rechtlich wehren. Wird tatsächlich BPA in Ihrem Trinkwasser in Mengen gefunden, die über dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung liegen, können Sie vom Vermieter Abhilfe verlangen, etwa einen Austausch der betroffenen Rohre. Reagiert der Vermieter innerhalb angemessener Zeit nicht, ist das ein Mangel. Sie dürfen die Miete mindern oder fristlos kündigen. Bestreitet Ihr Vermieter den Mangel und kommt es zu einem gerichtlichen Rechtsstreit, müssen Sie zunächst – meist per teurem Gutachten – beweisen, dass und warum das Wasser mangelhaft ist. Gelingt dieser Nachweis, muss der Vermieter diese Kosten übernehmen und die Mietminderung beziehungsweise Kündigung akzeptieren.
Das können Sie als Hausbesitzer tun
- Sachverhalt prüfen. Klären Sie, ob in Ihren Gebäuden Wasserleitungen mit Epoxidharz saniert worden sind. Aufschluss darüber geben zum Beispiel Handwerkerrechnungen, aus denen häufig auch die betroffenen Abschnitte ersichtlich sind. Fragen Sie im Zweifel beim Handwerker nach. Falls die Leitungen mit Epoxidharz saniert wurden: Lassen Sie das Warmwasser untersuchen.
- Mieter informieren. Wurden Grenzwerte überschritten, müssen Sie das Ihren Mietern mitteilen. Unterlassen Sie das, haften Sie auf Schadenersatz, wenn die Mieter dadurch Gesundheitsschäden erleiden. Sie haften auch, wenn das Bisphenol A aus Ihren Leitungen nicht die einzige Ursache ist. Es reicht aus, dass es das Risiko erheblich erhöht hat.
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..."muss der Vermieter diese Kosten übernehmen und die Mietminderung beziehungsweise Kündigung akzeptieren." Und genau das ist das Problem: Der Wohnungsmarkt ist so angespannt, dass Mieter den Teufel tun werden zu kündigen. Und wer bezahlt gerne weniger Miete um sich dafür gesundheitlich langsam zu schädigen?