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Nach 50 Lebensmitteluntersuchungen zieht die Stiftung Warentest Bilanz. Sind Bioprodukte tatsächlich besser, schmackhafter und gesünder als herkömmlich hergestellte? Die Tester werteten die Ergebnisse für 1 020 konventionell hergestellte und 217 Biolebensmittel aus – im Hinblick auf Gesamtqualität, Schadstoffe, Pestizide, Geschmack, Gesundheit, Tier- und Umweltschutz, Preise. Unser Special zeigt, wo der Griff zu Bioware lohnt und wo konventionelle Lebensmittel die Nase vorn haben.
Vom Agavendicksaft bis zur Tiefkühlpizza
Anfang der 70er Jahre öffneten die ersten Bioläden. Es gab Körner, Müsli und Trockenfrüchte, die Kunden füllten sie selbst ab. Die Besitzer waren mehr Einzelkämpfer als Unternehmer. Sie glaubten an eine andere Form des Wirtschaftens und setzten auf naturbelassene Ware. Heute wählen viele Biokäufer aus prall gefüllten Regalen im Biosupermarkt, etwa bei Alnatura oder Denn’s Biomarkt. Die neuesten Filialen dieser Ketten bieten mehr als 6 000 Bioprodukte an: Agavendicksaft und vegetarische Brotaufstriche, aber auch Tiefkühlpizza und Zimtsterne.

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Viele kaufen Bio beim Discounter
Vom urigen Müsliladen zur modernen Einkaufsoase – die Biobranche hat einen enormen Sprung gemacht und ihren Umsatz stetig gesteigert. Ihre Produkte sind mitten in der Gesellschaft angekommen. So machen heute nicht Naturkostfachgeschäfte den größten Umsatz mit Bio, sondern der klassische Lebensmitteleinzelhandel inklusive der Drogerien. Allein Discounter wie Aldi und Lidl verkaufen jedes fünfte Bioprodukt. Der Anteil von Bio am gesamten Lebensmittelmarkt liegt aber seit Jahren bei etwa 4 Prozent. Grund: Der konventionelle Markt wächst ebenfalls.
Ist Ökolandbau mit Wachstum vereinbar?
Nicht jeder ist von der neuen Biowelt begeistert. Die Entwicklung zum Massenmarkt kratzt an den Festen der Branche. Ist das Angebot noch mit Prinzipien des Ökolandbaus vereinbar? Gehören aus der Ferne importierte Früchte und fertige Tiefkühlgerichte überhaupt in Bioläden? Aus Sicht der Dennree GmbH, die rund 190 Denn’s Biomärkte in Deutschland beliefert, schon. Für sie ist Wachstum und Ökolandbau kein Widerspruch. „Wenn die Nachfrage nach Biolebensmitteln steigt, steigt auch die Motivation der Landwirte, auf Pestizide und andere Chemikalien zu verzichten“, sagt Unternehmenssprecherin Antje Müller. Dadurch könne die ökologisch bewirtschaftete Fläche wachsen.
Oft wird Bioware importiert
So einfach ist das nicht. In Deutschland werden rund 7 Prozent der Fläche von Ökobauern betrieben. Die Umstellung von konventionell auf Öko dauert Jahre. Um die Nachfrage zu sättigen, wird Bioware importiert. Milchprodukte und Schweinefleisch kommen oft aus Österreich oder Dänemark, Äpfel und Tiefkühl-Erdbeeren auch mal aus Argentinien oder China. Je länger der Weg, umso negativer die Ökobilanz. Auch garantieren Biosiegel nicht, dass Erntehelfer in der Ferne gut entlohnt werden.
Suche nach neuen Lieferanten
Biohersteller Rapunzel hält weiteres Wachstum für möglich, sieht sich aber mit in der Pflicht. Die Firma profitiert vom Boom der veganen Produkte. Um die Qualität ihrer Ware zu sichern, investierte sie in neue Rohstofflieferanten und Produktionstechnik. „Man muss selbst etwas tun, um Bio auch morgen anbieten zu können“, sagt Heike Kirsten, bei Rapunzel verantwortlich fürs Marketing. „Wir stellen zum Beispiel in der Türkei Bauern auf Bio-Anbau um und unterstützen sie mit Prämien. Und wir entwickeln Bio-Saatgut mit.“
Basis-Bio und Premium-Bio
Welche Kriterien soll ein Biolebensmittel erfüllen? Da es verschiedene Standards gibt, kann das jeder Käufer mitentscheiden. Reicht ihm der Mindeststandard der EU oder legt er Wert auf die strengeren Vorgaben der Anbauverbände (Diese Biosiegel gibt es)? Die Standards unterscheiden sich unter anderem danach, wie viele Zusatzstoffe oder wie viele Tiere pro Stall sie erlauben oder wie viel Futter ein Biobauer selbst erzeugen muss. Wer Regionales bevorzugt, kann etwa zu Bioland-Ware greifen, wem die anthroposophische Philosophie naheliegt, zu Demeter-Produkten.
Mindeststandard wird neu verhandelt
Die EU-Kommission überarbeitet derzeit die Kriterien für das EU-Biosiegel. Basis ist die EU-Ökoverordnung. Einer der Streitpunkte in Brüssel: Soll für Bioware ein eigener Pestizidgrenzwert eingeführt werden? Nach den Plänen wäre ein Produkt nicht mehr Bio, wenn es pro Kilogramm mehr als 0,01 Milligramm eines für Bio nicht zugelassenen Stoffs enthält – bisher war das ein Orientierungswert und freiwillig. Die Branche wehrt sich heftig: „Biobauern sollen für den Pestizideinsatz ihrer konventionellen Nachbarn haften. Das ist inakzeptabel“, sagt Joyce Moewius vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Die Entscheidung darüber wird wohl auf 2020 vertagt.
Wie kann sich die Branche treu bleiben?
Bleibt die Frage: Wie kann sich die Branche treu bleiben? Ein Ansatz wäre, behutsamer zu wachsen und nachhaltiger zu handeln – etwa durch weniger Importe, weniger überflüssige Verpackung und faire Löhne in der gesamten Lieferkette.
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- Konventionell oder Bio, Heu- oder Weidemilch? Im Vollmilch-Test schneiden viele Produkte gut ab, einige sogar sehr gut. Top-Qualität kostet aber etwas mehr.
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- Wie steht es um die Qualität von frischen Hähnchenschenkeln? Wie werden die Hühner gehalten? Das hat die Stiftung Warentest für 17 Hähnchenschenkel-Produkte untersucht.
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- Tierwohlsiegel gibt es heute viele – schwer, da durchzublicken. Wir sagen, auf welchen Produkten sie zu finden sind und welche Kriterien dafür erfüllt sein müssen.
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Ich habe seit 2004 Allergie, keiner wusste warum, ich mussste bis vor einem Jahr mit Medikamenten leben und habe ich auch muskelschmerzen, laktozeintoleranz .
Ich habe mich letztes Jahr entschieden mein Ernärungsstil zu ändern und obst und Gemüze nur Bio, wenn ich andere Bioprudukte finde, kaufe ich auch. Nach dem Test haben die Ärzte festgestellt dass ich gegen Birke,Erle allergie habe (Kreuzallergie gegen Äpfel,Tomate usw..)
ABER; wenn ich zB. einen Bioapfel esse, habe ich keine Allergie oder wenn ich Biomilchprodukte esse, habe kein Loktoseintoleranz und habe seit einem Jahr 10kg abgenommen, nehme ich seit einem Jahr keine Allergietabletten.
Unser Körper arbeitet wie einer Fabrik, mit gutem Material kann man gutes Produzieren, das System mach dich erst krank, dann verkauft die Medikamente...
Germanwatch hat Hähnchen 2019 auf Antibiotikaresistenzen überprüft und dort einen großen Unterschied zwischen bio und konventionell festgestellt: "Billig-Hähnchen aus Discountern sind zu 56 Prozent mit Keimen kontaminiert, die resistent sind gegen Antibiotika. Dabei ist mehr als jedes dritte Hähnchen mit Keimen belastet, die Resistenzen gegen Reserveantibiotika aufweisen. Reserveantibiotika wie Colistin werden bei Menschen als letzte Mittel gegen Infektionserkrankungen eingesetzt, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken. Oft können solche Resistenzen artübergreifend an Menschen und Tiere verbreitet werden." und "Bei [...] Öko-Hähnchenfleischproben wurden gar keine antibiotikaresistenten Keime gefunden." https://germanwatch.org/sites/germanwatch.org/files/Analyse%20von%20H%C3%A4hnchenfleisch%20auf%20antibiotikaresistente%20Erreger.pdf Beim horizontalen Gentransfer per Plasmide ist trotz kochen eine Verbreitung der Resistenz prinzipiell denkbar und zumindest mittelfristig bedenklich.
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
@TheClub: Die verschiedenen Themen im Buch (tägliche Aufnahme an Kalorien, Nährwerte, usw.) richten sich nach den Empfehlungen der DGE, die diese auf Basis wissenschaftlicher Studien ausspricht. Wenn Sie sich für einen speziellen Bereich zum Thema Ernährung interessieren, finden Sie die Empfehlung dazu auf der Seite der DGE (www.dge.de), zusammen mit den jeweiligen Studien. Bei jeder unserer Untersuchungen geben wir die Testkriterien (z.B. nach welchen Schadstoffen wurde gesucht, etc.) in der Rubrik 'So haben wir getestet' bekannt. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung von 50 Lebensmitteluntersuchungen, die nach unterschiedlichsten Kriterien untersucht wurden. Eine Untersuchung von Speiseeis ist eben nur schwer mit einer Untersuchung von Kräutertees zu vergleichen. (SL)
Leider hält der Bericht einer Expertendiskussion nicht stand, da nicht daraus hervorgeht, auf welche Schadstoffe getestet wurde. Wurde nur auf bekannte Pestizide und Schadstoffe konventioneller Landwirtschaft getestet, so hat dieser Test leider keine Aussagekraft darüber, ob Bio-Gemüse nun wirklich gesünder ist. Aber das geht halt nicht aus diesem Test hervor. Ich habe zwar weniger als einen Euro für den Test ausgegeben, von daher ist das jetzt kein finanzieller Schaden entstanden :), aber diesbezüglich hätte ich mir mehr Informationen erhofft, um den Bio-Gegner mal etwas entgegen zu setzen.