Jeden Winter sterben in Deutschland im Schnitt 5 bis 15 Prozent der Honigbienenvölker. Eine zentrale Ursache: Die Varroa-Milbe – ein aus Asien eingeschleppter Parasit, der Viren überträgt. Forscher wollen das Wintersterben stoppen – mit einem aufwendigen Zuchtprogramm. test.de hat das Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf besucht und stellt die Arbeit der Forscher vor. Unsere Audio-Slideshow zeigt, wie Forscher Honigbienen identifizieren, die als Milben-Schnüffler taugen.
Bienensterben
Im Rahmen ihres aktuellen Honig-Tests (2/2019) hat die Stiftung Warentest sich auch mit dem Thema Bienensterben beschäftigt. Unser Special zeigt, wie Pestizide, Parasiten und Monokulturen Bienen in Gefahr bringen.
Begabte Tiere identifizieren
Biene Nummer 21 hat eine seltene Begabung: Sie kann Milben riechen. Noch weiß das niemand. Bald aber werden Wissenschaftler ihr Talent erkennen. Möglich macht das ein kleiner Klecks Nagellack. Er dient als Klebstoff für ein winziges Nummernschild, das Forscher auf dem Rücken der Biene befestigen. Die Markierung hilft, begabte Tiere zu identifizieren. Am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf bei Berlin mussten im Sommer rund 50 000 Babybienen diese Prozedur über sich ergehen lassen. Es geht um Leben und Tod: Die Forscher suchen jene Tiere, die sich gegen ihren größten Feind, die Varroa-Milbe, am besten zur Wehr setzen können.
Blutsaugender Parasit überträgt Viren
Jahr für Jahr sterben in der kalten Jahreszeit im Schnitt 5 bis 15 Prozent der deutschen Honigbienenvölker, im Rekordwinter 2002/2003 traf es sogar jedes dritte Volk. 2009 zählte der Deutsche Imkerbund bei seinen Mitgliedern nur noch rund 610 000 Völker. Zwar steigt die Zahl seitdem wieder. Bestände von etwa einer Million, wie sie bis Mitte der 1990er Jahre üblich waren, sind aber erst einmal passee. Eine zentrale Ursache für den Rückgang ist Varroa destructor. Die aus Asien eingeschleppte Milbe vermehrt sich in der Brut von Bienen, saugt deren Blut und überträgt dabei oft gefährliche Viren. Die Folge: Der Bienennachwuchs ist kleiner, kann verkrüppelte Flügel haben und stirbt früher.
Hilfe zur Selbsthilfe
Um ihnen dieses Schicksal zu ersparen, behandeln Imker ihre Völker mit organischen Substanzen wie Ameisensäure. Doch hundertprozentig wirksam sind solche Mittel nicht. „Vor allem in milden Wintern können sich Milben trotzdem gut vermehren“, sagt Institutsleiter Kaspar Bienefeld. Erklärtes Ziel des promovierten Genetikersist es daher, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und Bienen zu züchten, die die Parasiten selbst aus dem Stock werfen können.
Audio-Slideshow: So werden Milben-Schnüffler gesucht
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Wenn Sie auf das weiße Dreieck klicken, sehen Sie eine dreiminütige Audio-Slideshow. Sie zeigt, wie Forscher Honigbienen identifizieren, die sich selbst gegen die Varroa-Milbe wehren können.
Europäische Bienen sollen von den asiatischen lernen
Auf dem Gelände des Bieneninstituts summt und brummt es. Bunte Bienenkästen stehen unter Bäumen und an Büschen. Der vielleicht interessanteste Kasten ist in einem Gewächshaus untergebracht. Hier lebt Nummer 21 mit rund 2 000 weiteren markierten Arbeitsbienen in einer Beobachtungswabe – überwacht von einer Infrarotkamera. Derzeit halten sich die Jungbienen überwiegend im Stock auf. Sie wärmen die Larven und putzen leere Waben. Einige dieser Brutzellen haben die Forscher mit Varroa-Milben präpariert. Per Video fahnden sie nun nach Talenten: Gesucht werden Arbeiterinnen, die die Parasiten erkennen und entfernen können. „Bei der Asiatischen Honigbiene sind diese Fähigkeiten sehr verbreitet“, weiß Bienefeld. Europäische Honigbienen riechen die Milben bislang nur sehr selten. Das soll sich ändern.
Monatelange Videoauswertung
Eine Mitarbeiterin des Bieneninstituts blickt konzentriert auf den Monitor vor ihr – da wuselt und wimmelt es. Sie zoomt ins Bild: Die markierten Bienen krabbeln auf den verschlossenen Brutzellen der Wabe. Nummer 21 kreist immer wieder um eines der präparierten Sechsecke und bewegt den Kopf hin und her – so, als ob sie sich vergewissern will, dass wirklich dieses und nicht das daneben befallen ist. „Um diejenige Biene zu erkennen, die eine präparierte Zelle als erste öffnet, muss man ein gut geschultes Auge haben“, erklärt der Institutsleiter. Zudem braucht es Ausdauer: Hunderte Stunden Videomaterial gilt es zu sichten – Arbeit für Wochen und Monate. Doch die Mühe lohnt sich.
Zuchtauslese lohnt sich
Etliche der identifizierten Talente haben die Forscher schon zur Zucht eingesetzt. Mit Erfolg: Inzwischen beobachten sie bei vielen Völkern eine höhere Zahl wehrhafter Putzbienen, die die von Parasiten befallene Brut ausräumen. Damit leisten sie mehr, als von der Europäischen Honigbiene normalerweise zu erwarten wäre.
Pestizide schwächen Bienen
Dass die Varroa-Milbe eine Gefahr darstellt, ist unumstritten. Imkerin Corinna Hölzel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt jedoch davor, andere Ursachen des Bienensterbens zu verharmlosen. „Die Milbe dient vielen – auch der Politik – als Verantwortliche für Probleme, von denen man sonst ablenken will.“ So wirken etwa Pestizide aus der Gruppe der Neonikotinoide wie Nervengift auf die Bienen. Sie schwächen den Orientierungssinn und das Immunsystem der Tiere. Zwar ist in der EU der Einsatz von drei Neonikotinoiden zunächst bis Ende des Jahres stark eingeschränkt. Deutschland hat zudem Einfuhr und Aussaat von damit behandelten Wintergetreide-Samen untersagt. Der BUND fordert aber ein zeitlich unbegrenztes Verbot aller Neonikotinoide. „Das würde den Bienen deutlich schneller helfen als aufwendige Zuchtprogramme“, so Hölzel.
Forscher lesen im Bienen-Erbgut
Doch auch die Wissenschaft drückt aufs Tempo. Die Forscher arbeiten an einer Art Schnelltest für talentierte Bienen. Sie suchen im Erbgut der Insekten nach jenen Genen, die das besondere Putzverhalten vererben können. Dafür bringen sie DNA aus Bienenmuskeln auf kleine Plättchen auf, Genchips genannt. Mit ihnen lassen sich Unterschiede in den Erbinformationen sichtbar machen. „Ziel ist es, den Zuchtwert künftig allein auf Basis der DNA zu schätzen“, sagt Bienefeld. Er hofft, dass Imker in drei Jahren – so lange läuft das vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderte Projekt – Bienenbrut ans Institut schicken können, um herauszufinden, welche Bienen sie vermehren sollten. Denn je mehr abwehrfähige Tiere es gibt, desto weniger Bienen müssen jeden Winter sterben.
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Ich wohnen in Madrid, Spanien und jeder Jahr sterben mehr Bienen. Die Bienen werden aussteben. Wir müssen zusammen arbeiten um eine Lösung zu finden. www.aceitecsb.es