
Kunden, deren Kapitallebensversicherung abläuft oder deren Rentenzahlung beginnt, werden künftig weniger an den Bewertungsreserven der Versicherer beteiligt als bisher. Diese kürzlich vom Bundestag beschlossene Neuregelung tritt schon am 21. Dezember in Kraft, wenn der Bundesrat am 14. Dezember zustimmt. Kunden sollten ihren Vertrag aber nicht unüberlegt kündigen. Eine Kündigung ist nur in wenigen Fällen ratsam.
Versicherungslobby hat sich durchgesetzt
Die Versicherer haben durchgesetzt, dass die Beteiligung der Kunden an den stillen Reserven zurückgefahren wird. Dabei haben sich die Kunden von Lebens- und Rentenversicherungen darauf verlassen, dass sich ihre Ablaufleistung oder Rente erhöht, wenn der Versicherer stille Reserven hat. Stille Reserven heißen auch Bewertungsreserven. Sie entstehen, wenn der Marktwert einer Kapitalanlage des Versicherers über dem Anschaffungspreis liegt – wenn also zum Beispiel der Wert seiner Immobilien, Aktien, Staats- und Unternehmensanleihen gestiegen ist.
Festverzinsliche Wertpapiere fallen hinten runter
Seit 2008 müssen die Lebensversicherer ihre Kunden mit 50 Prozent an den Bewertungsreserven beteiligen. Doch die bisherige Regelung ändert sich ab 21. Dezember. Kunden sollen dann nicht mehr an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren beteiligt werden, wenn der Garantiezins ihres Vertrages höher ist als die Umlaufrendite, also der Durchschnittswert aus den Renditen öffentlicher Anleihen. Die Umlaufrendite liegt derzeit bei etwa 1 Prozent. Im Durchschnitt aller Lebensversicherungsverträge liegt der Garantiezins derzeit bei 3,2 Prozent. Bleibt die Umlaufrendite so niedrig wie derzeit, haben Kunden, deren Vertrag ausläuft, keinen Anspruch auf eine Beteiligung an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren – und dies sind gut 87 Prozent aller Kapitalanlagen der Lebensversicherer.
Kunde weiß nicht wie viel er bekommt
Der Kunde mit einem demnächst ablaufenden Vertrag weiß bis kurz vor der Auszahlung oft nicht, ob er Bewertungsreserven bekommt und wenn ja, wie viel. Der Grund: Die Bewertungsreserven werden „zeitnah“ ermittelt. Maßgeblich kann zum Beispiel der Monat vor Vertragsablauf sein. Nach anderer Rechtsansicht sind aber die Kunden gerade an den Bewertungsreserven gemäß Geschäftsbericht zu beteiligen. Um unterjährige Schwankungen der Bewertungsreserven im laufenden Geschäftsjahr abzufedern, zahlen Versicherer ihren Kunden einen Sockelbetrag. So macht es beispielsweise die Allianz.
Verrechnung mit dem Schlussüberschuss
Das Problem für die Kunden, die ihren Vertrag bis zum Schluss durchhalten: Die Allianz zieht diesen Sockelbetrag einfach vom Schlussüberschuss ab. Mit Einführung der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven hat die Allianz „die Schlussüberschussbeteiligung gekürzt“, schreibt der Versicher in einer Stellungnahme an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Denn die „Höhe der gesamten Überschussbeteiligung bestimmt sich weiterhin nach dem Grundsatz der Finanzierbarkeit“. Im Klartext: Eine Beteiligung der Kunden zusätzlich zum bisherigen Schlussüberschuss sei nicht finanzierbar. Es gibt jedoch Kunden, die diese Verrechnung nicht akzeptieren. Allianz-Kunde Hans Berges hat den Versicherungsriesen deshalb verklagt.
Es geht um viel Geld
Wenn Versicherer den Kunden jetzt sowieso nicht mehr zahlen wollen als vor Einführung der Beteiligung an den Bewertungsreserven, drängt sich eine Frage auf: Warum wollen sie die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven überhaupt verringern? Die Antwort ist einfach: Der Schlussüberschuss ist nicht garantiert und kann gekürzt oder gestrichen werden. Die Bewertungsreserven, und damit auch der so deklarierte Teil des Schlussüberschusses, müssen jedoch ausgezahlt werden. Darauf hat der Kunde einen gesetzlichen Anspruch. Dabei geht es um sehr viel Geld. So hatten die Versicherer im Jahr 2010 Bewertungsreserven von 30,6 Milliarden Euro.
Nicht unüberlegt kündigen
Kunden, deren Verträge noch Jahre laufen, sollten sich aber nicht verunsichern lassen und ihren Vertrag nicht kündigen. Sie können jetzt noch gar nicht wissen, ob sie überhaupt Reserven ausgezahlt bekommen und wie hoch sie eventuell sein werden. Sicher ist jedoch, dass bei einer vorzeitigen Kündigung Abzüge fällig werden und die Schlussüberschussbeteiligung gestrichen wird.
Versicherer muss Leistung ausrechnen
Kunden, deren Verträge nur noch wenige Monate laufen, sollten ihren Versicherer fragen, ob sie womöglich jetzt kündigen sollen, um noch nach der bisherigen Regelung an den Bewertungsreserven beteiligt zu werden und so eine höhere Ablaufleistung bekommen. Sie sollten ihren Versicherer auffordern, ihnen den jetzigen Rückkaufswert und die Leistung bei regulärem Ablauf der Versicherung zu nennen. Eine Kündigung ist also vom Einzellfall abhängig, eine pauschale Aussage dazu ist nicht möglich.