
Der Diplompsychologe und Bewerbungsexperte Jürgen Hesse erklärt, welchen Wert Bewerbungsfotos haben und wie Bewerber auf unzulässige Fragen reagieren sollten.
Was ist das beliebteste Bewerberprofil? Gibt es das überhaupt noch?
Hesse: Jedes Unternehmen ist auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau. Ob beispielsweise Männer oder Frauen bevorzugt eingestellt werden, kommt oft auf den Job an. Ein Inkassobüro sucht vielleicht eher einen starken Mann, der Schuldner einschüchtern kann. Möchte ein Café eine Serviererin einstellen, sucht es nach einer Frau. Was andere Bereiche angeht, ist ein gesellschaftlicher Wandel spürbar. Auch Frauen haben die Chance auf gute Jobs. Trotzdem gibt es bei Arbeitgebern nach wie vor den Gedanken: Wenn ich eine junge Frau einstelle, gehe ich ein gewisses Risiko ein. Sie könnte schwanger werden und längere Zeit ausfallen. Für manchen Betrieb ist das eine Herausforderung.
Sind vor diesem Hintergrund anonyme Bewerbungen von Vorteil?
Hesse: Ich halte diese Verfahren für Unsinn. Spätestens wenn der Bewerber eingeladen wird, sieht der Personaler doch, wen er vor sich hat. Auch schon im Vorfeld kann man Rückschlüsse auf den Bewerber ziehen, zum Beispiel anhand des Lebenslaufs auf das Alter und anhand mancher Formulierungen aufs Geschlecht.
Ein Bewerbungsfoto wird oft nicht verlangt, viele Bewerber schicken trotzdem eines mit – welchen Wert haben Bilder?
Hesse: Ein Foto ist der wichtigste Teil der Bewerbungsmappe. Man bekommt sofort ein Gefühl für die Person. Das Foto ist ein emotionaler Weichensteller. Es trifft eine Vorentscheidung darüber, ob die Chemie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stimmen könnte. Deshalb sollten Bewerber auf jeden Fall ein professionelles Bewerbungsfoto mitschicken.
Werden in Vorstellungsgesprächen noch unzulässige Fragen gestellt?
Hesse: Ständig. Personaler fädeln solche Fragen ganz charmant und harmlos klingend ein, zum Beispiel mit: Wofür schlägt Ihr Herz noch so? Damit wollen sie Persönliches über den Bewerber herausfinden. Auch Fragen nach der Familienplanung sind tabu, werden aber immer wieder gestellt.
Wie sollte ein Bewerber auf unzulässige Fragen reagieren?
Hesse: Einfach nur Schweigen geht nicht. Dann merkt der Personaler nämlich, dass er ins Schwarze getroffen hat. Und bloß nicht sagen: Darauf antworte ich jetzt nicht. Oder: Nächste Frage bitte. Der Bewerber darf bei unzulässigen Fragen ruhig lügen und sein Gegenüber mit harmlosen Sätzen füttern oder auch mal geschickt vom Thema ablenken. Es hilft, wenn man sich auch auf unzulässige Fragen vorbereitet. Dann kann man im Vorstellungsgespräch besser reagieren.
Was ist der häufigste Fehler in Vorstellungsgesprächen?
Hesse: Die Leute sind nicht gut vorbereitet. Das ist der Kardinalfehler. Auf die Fragen, die in jedem Fall kommen, sollte der Bewerber eine Antwort parat haben. Die Klassiker sind: Warum bewerben Sie sich hier? Warum soll ich mich für Sie entscheiden? Wichtig ist, dass sich der Bewerber vorher überlegt: Was will ich erzählen? Was habe ich anzubieten?
Was raten Sie in aller Kürze für ein Bewerbungsgespräch?
Hesse: Bereiten Sie sich gut vor und spielen Sie mögliche Fragen und Antworten durch. Sie sollten keine tiefen Einblicke in Ihr Privatleben geben, wenn das zu Irritationen führen kann. Geraten Sie nicht ins Plaudern.
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