Bett­nässen Was Kindern zu trockenen Nächten verhilft

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Viele Schul­kinder machen nachts noch ins Bett. Ihnen kann geholfen werden, auch ohne Medikamente. test.de erklärt, warum das Einnässen nur selten seelische Ursachen hat, und was Eltern tun können, damit ihre Kinder trocken werden.

Meist sind die Gründe völlig harmlos

Anton geht in die zweite Klasse. Er kann schon schreiben, rechnen und lesen. Nur nachts fühlt sich der Grund­schüler oft noch wie ein kleines Kind. Denn in den meisten Nächten macht der Siebenjäh­rige ins Bett. Allein ist er damit nicht: Jedes zehnte Kind in Antons Alter nässt im Schlaf gelegentlich ein. Beruhigend für Eltern: Ein ernst­haftes organisches Problem steckt hinter diesem Phänomen nur selten. Zudem gibt es zahlreiche Möglich­keiten, dem Spröss­ling zu helfen.

Eine Frage der Entwick­lung

In der Regel sind die Ursachen für Einnässen in der Nacht harmlos. Normaler­weise werden wir wach, wenn wir nachts zur Toilette müssen. Dafür sorgen Nervenbahnen, die Signale von der Blase ins Gehirn leiten. „Bei den betroffenen Kindern sind aber die Reaktionen des Gehirns noch nicht ausgereift“, erklärt der Kinder­urologe Eberhard Kuwertz-Bröking vom KfH-Nierenzentrum für Kinder und Jugend­liche in Münster. Oft merken sie bis zum Morgen­grauen nicht, dass sie ins Bett gepieselt haben. Ebenfalls eine häufige Ursache: Die Blase ist zu klein und deshalb schnell über­voll. Teil­weise mangelt es auch an dem Hormon, das nachts die Produktion von Urin eindämmt.

Einnässen ist oft Veranlagung

Oft liegt Einnässen auch in der Familie. Wenn ein Eltern­teil lange ins Bett gemacht hat, gibt es diese Veranlagung meist weiter. So ist es auch bei Anton: Sein Vater war erst mit acht Jahren trocken. „Für Eltern und Kinder sind das wichtige Nach­richten. Sie erfahren: Sowohl sie als auch ihre Kinder können nichts dafür“, sagt Ellen Janhsen-Podien, Kinder­kranken­schwester und Urotherapeutin am Kinder-Kontinenzzentrum Gesundheit Nord am Klinikum Links der Weser in Bremen. Seit 23 Jahren hilft sie Mädchen und Jungen mit Kontinenz­problemen. „Es ist nicht selbst­verständlich, dass Kinder mit fünf bis sechs Jahren schon trocken sind“, betont die Expertin. Sie beob­achtet aber auch: „Wenn die Einschulung naht oder die Kinder schon zur Schule gehen, wird der Druck immer größer, dass nachts alles trocken bleibt.“

Auch Positives wirft aus der Bahn

Selten ist, wie lange vermutet, seelische Not der Grund für nächt­liches Einnässen. Denk­bar ist es aber, dass aufregende Zeiten oder Kummer die Reifung der Blasen­funk­tion vorüber­gehend ins Stocken bringen. „Natürlich beein­flussen schwierige Lebens­phasen die Entwick­lung. War das Kind gerade dabei, trocken zu werden, kann es durch einen Umzug oder auch die Trennung der Eltern einen Rück­schritt geben“, erklärt Janhsen-Podien. Das sei nicht ungewöhnlich und gehe wieder vorbei. Selbst an sich erfreuliche Ereig­nisse können Kinder für kurze Zeit aus der Bahn werfen. Anton etwa hat im ersten Schul­jahr kaum noch ins Bett gemacht. Nachdem seine kleine Schwester zur Welt gekommen war, passierte es ihm wieder häufiger.

Tags­über viel, abends wenig trinken

Nässt ein älteres Kind regel­mäßig ein, sollte der erste Weg zum Kinder­arzt führen. Fehl­bildungen von Nieren und Harnwegen oder Schäden an Nerven, die für die Blasen­funk­tion wichtig sind, gibt es zwar selten, sie müssen aber ausgeschlossen werden. Findet der Arzt nichts, gilt es, den Alltag des Kindes genauer zu betrachten: Wann trinkt es? Und wie viel? Geht es vor dem Schlafen­gehen zur Toilette? „Zahlreiche Kinder trinken tags­über wenig und abends viel. Dass nachts die Blase drückt, ist dann nur logisch“, sagt Janhsen-Podien, die im Rahmen der Urotherapie Eltern und Kinder darüber aufklärt, wie die Blase funk­tioniert und was deren Arbeit beein­flusst.

Sonnenkalender oder Klingelhose

Nässt der Nach­wuchs nur noch wenige Nächte im Monat ein, empfiehlt die Expertin einen Sonnen-Kalender. Für jede trockene Nacht malen die Kinder eine Sonne auf. Auf diese Weise sehen sie ihre Erfolge deutlich. Jedes sechste Kind wird mit dieser Methode trocken. Weitere wert­volle Informationen lesen sie in Tipps für Eltern. Helfen Kalender oder Veränderungen im Alltag nicht, können Ärzte ein elektronisches Alarm­system verordnen: eine Schlafhose oder Unterlage mit Feuchtig­keits­fühlern. Sobald ein Tropfen die Sensoren erreicht, klingelt ein Wecker und weckt das Kind, sodass es zur Toilette gehen kann. Das Ziel: Nach ein paar Wochen erwacht der Nach­wuchs von selbst.

Eltern müssen unterstützen

Die Erfolgs­quote dieser Methode liegt bei 50 Prozent. Wie gut sie funk­tioniert, hängt oft auch von der Unterstüt­zung der Eltern ab, denn nicht alle Kinder erwachen durch den Weck­ton. Die Behand­lung dauert zudem mehrere Wochen. „Das Verfahren ist anstrengend. Doch wenn Eltern und Kinder moti­viert sind, verzeichnet es lang­fristige Erfolge“, sagt Kuwertz-Bröking.

Medikamente helfen nur kurz­fristig

Effektiv, aber keine Dauer­lösung sind Medikamente. Der Wirk­stoff Desmo­pressin reduziert die nächt­liche Harn­produktion, meist schon nach wenigen Nächten. Aber: Nur jedes vierte Kind wird so auf Dauer trocken. Manche Eltern setzen nur auf die Arznei, wenn das Kind bei Freunden über­nachten möchte. „Die Medikamente können segens­reich sein, sollten aber vor allem Familien angeboten werden, die extrem leiden“, sagt Kuwertz-Bröking. Denn ganz unpro­blematisch sind die Mittel nicht: Damit der Körper nicht zu viel Wasser speichert, dürfen Kinder eine Stunde vor und acht Stunden nach der Einnahme nichts mehr trinken. „Auf Schul­ausflügen oder Klassen­fahrten ist das nicht einfach umzu­setzen“, gibt der Arzt zu bedenken. Zudem erlitten die meisten Kinder einen Rück­fall, sobald sie die Präparate absetzten.

Manchmal reicht auch Geduld

Bei jedem sechsten Kind erledigt sich das Problem von selbst. So wie bei Anton. Er wollte keinen Weck­apparat, die Eltern keine Medikamente. Also einigten sie sich mit dem Arzt auf Windeln für die Nacht – und Geduld. Nach vier Monaten ließ Anton die Windel weg. Sein Bett blieb trocken.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Annette5063 am 07.09.2018 um 15:52 Uhr
    Getränke und Speisen, die das Einnässen fördern

    Wichtiger als die Trinkmenge - mit Ausnahme bei der Einnahme des Wirkstoffs Desmopressin -
    sind die Inhaltsstoffe der Getränke, da manche Getränke und Speisen das Einnässen sogar fördern.
    Zu vermeiden gilt:
    Yoghurt und Milch,
    Obst und Obstsäfte pur - nur safthaltiges Obst natürlich.
    Tomate
    Salatgurke
    Früchtetees, wozu alle roten Tees gehören
    schwarzer Tee
    Coca Cola und andere koffeinhaltigen Getränke.
    Bei Bettnässern gilt beispielsweise, dass sie jederzeit ein Apfelschorle trinken können sogar mit Kohlensäure, die nicht schadet.
    Es sollte am Abend jedoch Apfelsaft pur vermieden werden, auch das Verspeisen eines Apfels ca. 1 Stunde vor dem Zubettgehen.
    Gilt für jedes safthaltige Obst!
    Besonders problematisch ist die Melone.
    Nochmals zur Erinnerung:
    Bei der Einnahme von DESMOPRESSIN MUSS bei der Trinkmenge aufgepasst werden.

  • Annette5063 am 07.09.2018 um 15:30 Uhr
    Niemals Flüssigkeitsreduktion

    Immer wieder wird empfohlen, Kindern, die Bettnässen ab einer bestimmten Uhrzeit nichts mehr zu trinken zu geben.
    Großer Irrtum, dass das helfen würde - im Gegenteil, es fördert sogar das Bettnässen.
    Die längste Zeit, die die Blase halten muss ist nachts. Das heißt sie muss für diesen Zeitraum auf Volumen trainiert werden.
    Wird jedoch abends ab einer bestimmten Uhrzeit nichts mehr zu trinken gegeben wird die Blase auf ein Minivolumen trainiert. Das bedeutet lediglich, dass der Schließmuskel umso öfter aufgeht, da bereits bei geringem Blaseninhalt die Voll-Meldung zum Gehirn kommt.
    Wider besseren Wissens und zahlreicher Studien mit entsprechenden Hinweisen wird diese Maßnahme immer wieder empfohlen, teilweise sogar von Ärzten.
    Lediglich bei der Einnahme von Medikamenten oder Nasensprays mit dem Wirkstoff Desmopressin muss die Trinkmenge 1 1/2 Stunden vor und nach dem Zubettgehen reduziert werden, da sonst gefährliche Nebenwirkungen entstehen.

  • unfreiwilliger_Single am 10.07.2017 um 09:19 Uhr
    Ungeduld

    Ich kann den zwei Kommentaren von Anna_C nur zustimmen. Das eigentliche Problem liegt in der mangelnden Geduld der Eltern und wie sie damit umgehen. Würde jeder Bettnässen bis 16 als "normal" hinnehmen, dann hätte auch keiner ein Problem damit. Am allerwenigsten ein Kind. Es ist nur ein sinnloser Druck, der auf Kind und Eltern von der... unserer... Gesellschaft ausgeübt wird. Mit großteils sinnloser und unrealistischen Wertevorstellungen. Medikamente sind aufgrund der Nebenwirkungen, die gerade in der Langzeitwirkung und Entwicklungsstörung unerforscht sind, möglichst abzulehnen. Wer kann schon ausschließen, dass jemand der als Kind Desmo­pressin bekommen hat, mit vierzig dann keinen Nierenschaden bekommt. Es gibt genug Haus und Nutztiere, bei denen die pysischen Ausscheidungen, zeitlich und örtlich ungebremst sind. Dort nimmt man es auch hin. Warum also nicht bei einem Kind?

  • Anna_C am 25.05.2017 um 14:14 Uhr
    Nichts Neues unter der Sonne - Teil 2

    Auch damals schon gaben die Eltern dem Kind Stunden vor dem Zubettgehen nichts mehr zu trinken. Auch damals schon probierten sie alles von Sonnen-Regen-Kalendern bis hin zu klingelnden Spezialunterlagen, die mehrmals nächtlich Eltern und Geschwister aus dem Schlaf schreckten. Auch damals schon wurden von manchen Ärzten fragwürdige Hormonpillen verabreicht.
    Alles völlig nutzlos und vergeblich.
    Ein winziger Hoffnungsschimmer blieb die Prognose eines von zahlreichen konsultierten Ärzten: "Mit der Pubertät ist es vorbei." Zermürbend für Eltern, wenn ein Kind erst mit 16 in die Pubertät kommt! Aber genau so war es. Dieser eine Arzt sollte Recht behalten.

  • Anna_C am 25.05.2017 um 14:13 Uhr
    Nichts Neues unter der Sonne - seit 40 Jahren?!

    Aus persönlicher Betroffenheit muss ich leider sagen, ich bin sehr enttäuscht von diesem Artikel. Er bietet nichts, aber auch absolut GAR nichts Neues gegenüber dem Wissensstand von vor vierzig (40!!) Jahren. SÄMTLICHE genannten Tipps und Hilfsmittel wurden von verzweifelten Eltern auch damals schon ausprobiert. Ist man in diesem Feld wirklich seit 40 Jahren nicht den kleinsten Schritt vorwärts gekommen?
    Auch damals schon haben leidgeprüfte Eltern massiv unter dem Stress der mehrmaligen nächtlichen Malheure und Reinigungsaktionen gelitten (über 15, 16 Jahre hinweg keine einzige durchgeschlafene Nacht!). Auch damals schon die Scham und die Verheimlichungsversuche auf Klassenfahrten (und ich sehe nicht, dass sich daran bis heute irgendetwas geändert hätte).
    (Fortsetzung folgt)