
Misstrauen ist gut. Klingeln Fremde und begehren unter einem Vorwand Einlass, sollte man sehr vorsichtig sein und niemanden einlassen, vor allem nicht, wenn man allein zu Hause ist. © Getty Images (M)
Enkeltrick, dubiose E-Mails, Schockanrufe, falsche Polizisten − Betrugsversuche sind allgegenwärtig. So können Sie sich schützen.
Betrügereien treffen vor allem leichtgläubige Menschen, die ein bisschen naiv sind? Wer das glaubt, irrt. Im letzten Jahr gingen der Kriminologe Christian Pfeiffer und der ehemalige Bremer Oberbürgermeister Henning Scherf an die Öffentlichkeit: Beide wären um ein Haar auf Telefontricks reingefallen und waren kurz davor, fünfstellige Summen an Kriminelle zu überweisen. Die Geschichten, die ihnen am Telefon erzählt wurden, wirkten glaubhaft, die Täter überzeugend. test.de erklärt miese Maschen und gibt Tipps, wie Sie sie durchschauen und sich im Fall der Fälle verhalten können.
Hohe Dunkelziffer bei Betrugsfällen
Mehr als 800 000 Betrugsdelikte registrierte das Bundeskriminalamt 2022. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. Betrügerinnen und Betrüger sind einfallsreich und agieren oft am Puls der Zeit. Gibt etwa der Streamingdienst Netflix bekannt, seine Geschäftsbedingungen zu ändern, sind Tage später SMS im Umlauf, die auffordern, das Kundenkonto zu aktualisieren. Die Verkündung, dass die Regierung eine Energiepauschale auszahlt, zog ebenfalls etliche Betrugsversuche nach sich.
Über diverse Betrugsmaschen berichtet die Stiftung Warentest vor allem in ihrer Rubrik test warnt. Auch wenn immer wieder neue Tricks und Abzockmethoden dazukommen – die Muster und Warnzeichen ähneln sich: „Die Kriminellen überrumpeln ihre Opfer am Telefon, an der Haustür oder online und setzen sie oft massiv unter emotionalen Stress. In solchen Situationen fällt es schwer, den Betrug zu erkennen“, sagt Lothar Spielmann, Leiter des Betrugsdezernats beim LKA Berlin.
An der Haustür: Im Zweifelsfall besser unhöflich sein
Der Mann, der abends an der Tür klingelte, wirkt sympathisch. Er sei vor kurzem ins Haus nebenan gezogen, erzählt er, und nun habe er sich gerade versehentlich ausgesperrt. Der Schlüsseldienst sei bereits unterwegs. Ob die neue Nachbarin ihm nur für eine Stunde 100 Euro borgen könne? Sobald seine Haustür wieder offen sei, werde er die Schulden begleichen. Doch der Mann taucht nie wieder auf und das Geld sowieso nicht ...
Falsche Polizisten, falsche Handwerker
Diese Masche gehört zu den harmloseren Varianten des Haustürbetrugs. Auf Einlass drängen falsche Polizisten oder Handwerker und angeblich schwangere Frauen, die höflich fragen, ob sie mal eben das WC benutzen dürfen. Sind die Kriminellen in der Wohnung, stehlen sie Geld oder Wertgegenstände – heimlich oder unter Androhung von Gewalt. An der Tür treten sie oft sehr glaubwürdig auf und nutzen Überraschungsmomente, behaupten etwa, es gäbe im Haus einen Rohrbruch.
Niemanden in die Wohnung lassen
Doch ungebetenen Besuch von Unbekannten sollte man nicht in die Wohnung lassen. „Das gilt gerade bei angeblichen Polizisten“, sagt Spielmann. „Die Polizei stellt nie an der Haustür Geld oder Wertsachen von Privatleuten sicher.“ Beim unerwarteten Handwerkerbesuch empfiehlt sich eine kurze telefonische Nachfrage bei der Hausverwaltung. „Ein echter Handwerker flucht vielleicht, wenn er zehn Minuten vor der Tür warten muss. Aber er wartet“, sagt Spielmann.
Tipp: Seien Sie misstrauisch, wenn es unerwartet klingelt. Legen Sie die Kette vor. Lothar Spielmann rät zudem: „Kaufen Sie sich im Baumarkt einen Gummikeil und legen Sie ihn neben Ihre Tür. Im Notfall können Sie ihn mit dem Fuß unter die Tür schieben, sodass man sie von außen nicht mehr aufdrücken kann.“
Am Telefon: Bei Ratespielchen einfach auflegen
Die Telefonmasche beginnt oft mit dem Satz „Rate mal, wer hier ist!“ und ist als Enkeltrick bekannt. Die Enkelin ist angeblich in großer Geldnot, der Sohn gibt vor, seine Traumwohnung gefunden zu haben und sie umgehend anzahlen zu müssen – die Anrufenden haben eins gemeinsam: Sie brauchen ganz schnell viel Geld.
„Derzeit dominiert eine neue Variante, der Schockanruf mit Verkehrsunfall-Legende“, sagt Spielmann. „Zunächst meldet sich ein angebliches Familienmitglied und berichtet unter Schluchzen, in einen Verkehrsunfall mit Toten verwickelt zu sein. Dann übernimmt ein falscher Polizist oder Staatsanwalt und sagt, dass Sohn, Tochter oder Nichte gegen eine sofort zu zahlende Kaution freikomme.“ Auch wenn das für einen klaren Kopf schon etwas verdächtig klinge: Der Schockmoment sorge bei Angerufenen oft dafür, dass der Kopf eben nicht mehr klar ist − und dass sie zahlen.
Angebliche Anrufe von der Bank
Auch falsche Polizisten oder Bankangestellte rufen an, um Geld und Wertsachen zu erbeuten. Die Anrufernummer – scheinbar von der Polizei oder Sparkasse – ist dabei kein Garant für die Echtheit des Anrufs, sie lässt sich manipulieren. Vorsicht nutzt auch bei Anrufen aus dem Ausland. Hier geht es Kriminellen darum, die Angerufenen auf gebührenpflichtige, sehr teure Nummern zu leiten.
Tipp: Legen Sie auf, wenn Sie den Namen einer anrufenden Person raten sollen. Falls Sie verunsichert sind, sprechen Sie unbedingt mit einem Menschen darüber, der Ihnen nahesteht.
Dem Enkeltrick entkommen
„Mein altes Handy ist kaputt, dies ist meine neue Handynummer, lösche die alte und speichere die bitte ab.“ Die Whatsapp-Nachricht könnte von dem leicht verpeilten Enkel stammen oder von einer guten Freundin, die in der Klemme steckt. Wer antwortet, erfährt etwa, dass das Online-Banking auf dem neuen Handy nicht funktioniere. Später kommt die Bitte, einen höheren Geldbetrag zu überweisen, damit der Mensch in Not wichtige Rechnungen begleichen kann.
Dieser „Enkeltrick 2.0“ war zuletzt sehr erfolgreich. Allein in den ersten acht Monaten 2022 registrierte die Polizei 40 000 dieser Betrugsfälle, der Schaden betrug insgesamt 22 Millionen Euro. Die Täter erbeuteten in 30 Prozent der Fälle Geld.
Tipp: Am besten ignorieren Sie solche Nachrichten ganz. Spätestens bei der Aufforderung, eine alte Handynummer zu löschen, sollten Sie skeptisch werden. Es gibt keinen Grund, das zu tun. Rufen Sie unter einer Ihnen bereits bekannten Nummer an und versichern Sie sich, dass die Nachricht von einem Freund oder Verwandten stammt.
Schwindel per E-Mail oft leicht aufzudecken
Die E-Mails kommen angeblich von der Commerzbank, der Sparkasse und anderen Banken, von Paypal, Amazon oder dem Finanzamt. Typische Betreffzeilen sind „Wichtige Informationen“, „Benutzerkonto eingefroren“ oder auch „Warnung vor Betrug“. Sie enthalten meist die Aufforderung, Bankdaten zu hinterlegen. Ist das geschehen, haben Kriminelle Zugriff aufs Konto und räumen es leer. Phishing nennt sich diese Methode.
Meist wirken die E-Mails auf den ersten Blick echt. Absender scheint eine Bank oder eine Institution, die verwendeten Logos stimmen. Doch oft fehlt die Anrede, Rechtschreibung und Grammatik sind holprig. Auch Sonderzeichen oder etwa kyrillische Buchstaben sind Warnzeichen. Solche Unregelmäßigkeiten entstehen, weil die Mails oft mit Übersetzungsprogrammen erstellt werden, um sie massenhaft und international in Umlauf zu bringen. Deshalb erreichen die Schreiben auch häufig Userinnen und User, die gar nicht Kunden der Unternehmen sind.
Tipp: Wenn Sie eine dubiose Mail erhalten haben, sollten Sie den Absender blockieren und die Mail löschen. Niemals Dateianhänge öffnen, Links anklicken oder anhängende Formulare ausfüllen! Falls Sie Kunde des Absenders sind: Rufen Sie im Zweifel unter einer Ihnen bekannten Nummer an. Noch besser ist es, etwa eine Bankfiliale selbst aufzusuchen.
Alle kann es treffen, alle können sich schützen
Ganz aus dem Radar von Betrügern zu verschwinden, dürfte unmöglich sein. Trotzdem kann man einiges tun, um Kriminellen das Tun so schwer wie möglich zu machen. Bei Betrügereien an der Haustür und über Festnetzanschluss suchen Täter ihre Opfer oft über Telefonbücher. Einträge mit altmodischen Vornamen signalisieren, dass dort ein älterer Mensch vermutlich alleine lebt.
Telefoneintrag ist ungünstig
In Telefonnummer-Verzeichnissen im Internet funktioniert die Suche nach potenziellen Opfern besonders komfortabel: Die Eingabe eines Vornamens wie Ingeborg oder Egon und einer Stadt reicht – schon wird eine Liste ausgespuckt, in der die Ingeborgs und Egons vor Ort aufgeführt sind. Es ist sinnvoll, Telefonbucheinträge zu löschen oder seinen Vornamen abzukürzen. Das funktioniert über die Website des Festnetzanbieters, über dessen Kundenhotline oder schriftlich.
Vorsicht beim Surfen im öffentlichen Raum
Betrug per Messenger-Dienst oder Mail wird eher möglich, wenn User viele Daten im Netz hinterlassen. Beim Surfen in ungeschützten WLan-Netzen etwa in Cafés oder Einkaufszentren können Daten besonders leicht abgegriffen werden. Zu Hause empfiehlt es sich, den Rechner mit Anti-Viren-Programmen zu schützen und das Betriebssystem auch des Handys immer auf dem neuesten Stand halten.
Tipp: Nutzen Sie beim Surfen unterwegs ein virtuelles privates Netz (VPN), um Ihre Daten zu verschlüsseln. Egal, wie glaubwürdig eine Nachricht oder ein Anruf auf Sie wirkt, machen Sie sich immer bewusst, dass es hierzulande kaum Lebenssituationen gibt, in denen man innerhalb weniger Stunden Geld zahlen muss.
Die Täter gut organisiert und schwer zu fassen
Hinter vielen der erwähnten Betrugsmaschen steckt organisierte Kriminalität, wie Lothar Spielmann erklärt: „Die Drahtzieher − wir nennen sie ‚Keiler‘ − sitzen oft im Ausland, sprechen perfekt deutsch und übernehmen die Anrufe. Auf der niedrigsten Hierarchiestufe stehen die ‚Abholer‘: Sie sacken Geld oder Wertsachen dann bei den Opfern ein. Wenn wir die schnappen, tauschen die ‚Keiler‘ sie einfach gegen neue Leute aus.“ Das macht die Arbeit der Kriminalisten schwierig − aber nicht aussichtslos. „Unsere Landeskriminalämter arbeiten mit ausländischen Behörden, zum Beispiel mit der polnischen Polizei, sehr gut zusammen. Und in mehreren Fällen ist es so auch schon gelungen, die Täter zu ermitteln und für ihre Taten zu verurteilen“, sagt Spielmann.
Gesteuerter Betrug aus dem Ausland
Auch von anderen Ländern aus – etwa aus der Türkei oder aus Südostasien – werden Betrügereien gesteuert. Die Chancen, die Täter von Deutschland aus aus dem Verkehr zu ziehen, sind gering. Die Chancen, Geld, das an sie überwiesen wurde, zurückzubekommen, ebenfalls. Die beste Betrugsabwehr liegt darin, die Täter rechtzeitig zu durchschauen.
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Als sehr sporadischer Besteller bei Amazon ist mir aufgefallen, dass jetzt eine SMS aufs Handy geschickt wird mit einem Internet-Link zur Bestätigung/"Genehmigung" der Anmeldung: "Amazon: Zugriffsversuch auf Kontodaten ... Tippen Sie auf den Link um zu antworten."
Obwohl der Link auf https://amazon.de/... führt, bin ich sehr vorsichtig, da Internet-Adressen auch gefälscht werden können. Was steckt dahinter, Betrugsversuch oder höherer Sicherheitsstandard als SMS nur mit Zahlenfolge im Rahmen der Zwei-Faktor-Authentisierung?
Bei mir rief am Abend ein "Sparkassen-Mitarbeiter" an. Durch eine EDV-Panne sei meine Bankkarte gesperrt worden. Die Bank könne sie wieder entsperren, ich brauche nur auf meiner Handy-Push-TAN-App den schon angelegten Auftrag freizugeben. Das tat ich tatsächlich, ohne genau hinzusehen, und schwupp waren fast 5.000 Euro abgebucht. Ich hatte nämlich nicht meine Bankkarte freigegeben, sondern die Apple Pay Karte eines Betrügers.
Die Falle:
ich wurde nicht nach meinen Bankdaten gefragt. Der Betrüger hatte die schon. Und er war in der Lage, einen Freigabeauftrag in meine Push-TAN-App einzustellen. Erstaunlich, was alles möglich ist.
Die Lehre:
Glaube keinem Anrufer Deiner Bank, schon gar nicht abends. Rufe immer tags bei der Zentrale zurück. Und lies ganz genau den Text jedes anstehenden Auftrags, bevor Du ihn freigibst.
Übrigens:
Meine Sparkasse verhielt sich recht kulant bei dieser Angelegenheit.
Stellen Sie sich vor, sie hätten statt "Userinnen und User" nur "User" (oder auch "Nutzer"!) geschrieben. Dann wären bestimmt viele weibliche Leser darüber entrüstet gewesen, dass hier behauptet wird, Frauen wären nicht in der Lage, Betrugsmails zu erhalten. Welch grobe Diskriminierung! Wahrscheinlich hätte das einen Shitstorm verursacht. Andere Leser hätten sich wahrscheinlich gewundert, warum nur Männer betrügerische Post erhalten, was große Verwirrung gestiftet hätte.