
Die letzte Schicht: Schließt die Firma, bangen viele Arbeitnehmer um ihre Betriebsrente. Doch die ist gut abgesichert.
Arbeitgeber können künftige Betriebsrenten kürzen, wenn das Geld fehlt. Laufende Renten sind bei Pleiten gut abgesichert.
Niedrigzinsen und ihre Folgen für die private Altersvorsorge kennen Sparer bereits von ihrem Bankkonto. Wer für später spart, muss heute mehr zurücklegen. Unternehmen haben das gleiche Problem. Nachdem 2015 der Modellbahnbauer Fleischmann Insolvenz anmelden musste, weil die immer kleinere Belegschaft die laufenden Betriebsrenten nicht mehr erwirtschaften konnte und die Rücklagen nicht reichten, sorgen sich viele um ihre Betriebsrente.
Nicht nur die Mitarbeiter betroffener Firmen fragen sich: Was passiert mit meiner Betriebsrente, wenn es meine Firma nicht mehr gibt?
Fünf Varianten der Betriebsrente
Die Betriebsrenten sind jedoch gut abgesichert. Etwas unübersichtlich wird die Situation nur dadurch, dass es in Deutschland fünf verschiedene Wege der betrieblichen Altersversorgung mit unterschiedlichen Sicherungssystemen gibt (Grafik: Was passiert im Pleitefall?). Große Unternehmen zahlen die Betriebsrente häufig aus dem eigenen Betriebsvermögen. Die meisten Firmen lagern die Altersversorgung jedoch aus, auf eine externe Versicherung oder einen externen Fonds. Wie vorgesorgt wird, entscheidet allein der Chef.
Fünf Millionen Betriebsrentner heute
Es gibt Betriebsrenten, die vom Arbeitgeber finanziert werden, und Betriebsrenten, die der Arbeitnehmer selbst finanziert. Bei der sogenannten Entgeltumwandlung spart der Arbeitnehmer aus seinem Bruttogehalt für eine spätere Betriebsrente. Häufig gibt der Arbeitgeber dabei auch einen Teil dazu.
Ungefähr fünf Millionen Bezieher einer Betriebsrente gibt es in Deutschland – und doch ist ihre Lobby eher schwach. Menschen, die Probleme mit ihrer Betriebsrente haben, wissen häufig nicht, an wen Sie sich wenden können. Vereinzelt haben sich kleine Vereine gegründet, die Betriebsrentnern helfen wollen. Oft, weil die Gründer selbst vor Problemen standen und nun ihre Erfahrung teilen wollen.
Hilfe selbst organisiert
So ist es auch beim Verein Betriebsrentner e. V. aus Bayern. 2003 musste die einst erfolgreiche Flugzeugfirma Fairchild Dornier Insolvenz anmelden. „Über 1 000 ehemalige Mitarbeiter haben plötzlich keine Betriebsrente mehr bekommen“, sagt Kurt Häusler, Sprecher des Vereins. Einige Betroffene gründeten den Verein, um „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu leisten.
In Fällen wie der Insolvenz von Fairchild Dornier springt der Pensions-Sicherungs-Verein ein. An diese Sicherungseinrichtung müssen Unternehmen jedes Jahr Beiträge zahlen, wenn sie die Betriebsrenten ehemaliger Mitarbeiter aus dem Betriebsvermögen bezahlen. Die Beiträge hängen davon ab, wie hoch die Insolvenzschäden der Firmen mit Verpflichtungen bei der Altersversorgung aktuell sind. Finanziell ist der Sicherungsverein also immer ausreichend ausgestattet.
Die Einrichtung springt jedoch in der Regel erst ein, wenn für eine Firma das Konkursverfahren eröffnet wurde. So kommt es immer wieder zu Fällen, bei denen ehemalige Mitarbeiter monatelang ohne ihre Betriebsrente auskommen müssen. Im Fall Fairchild Dornier floss die Betriebsrente nach einigen Monaten wieder. Der Pensions-Sicherungs-Verein zahlt die Renten mittlerweile bis zu zwölf Monate rückwirkend. Also alles kein Problem? Nicht ganz, sagt Häusler: „Das Problem ist, dass Renten, die vom Pensions-Sicherungs-Verein gezahlt werden, nicht mehr an die Inflation angepasst werden. Sie bleiben für immer konstant.“
Anpassung an Inflation
Die Anpassung von Betriebsrenten an die steigenden Verbraucherpreise ist ein Thema, das den Verein bis heute beschäftigt – nicht nur wegen der eigenen Renten vom Pensions-Sicherungs-Verein.
Firmen, die ihren Mitarbeitern eine Betriebsrente aus dem Betriebsvermögen zahlen, müssen alle drei Jahre prüfen, ob sie die Renten an die Inflation anpassen müssten. Berechnungsgrundlagen für die Anpassung können der Anstieg des Verbraucherpreisindexes sein oder der Anstieg der Nettolöhne im Betrieb. Nur wenn wirtschaftliche Gründe dagegensprechen, können Unternehmen diese Anpassung aussetzen.
„Ausbleibende Anpassungen der Betriebsrente sind eines der Hauptthemen, weswegen sich unsere Mitglieder an uns wenden“, sagt Häusler. Denn mitteilen müssen die Firmen eine ausbleibende Anpassung nicht. So bekommen viele Betriebsrentner gar nicht mit, dass der Arbeitgeber eine anstehende Erhöhung auslässt. Sie müssten dann ihren ehemaligen Arbeitgeber auffordern, eine Anpassung zu prüfen (Musterbrief). „Häufig lehnen Unternehmen das mit der Begründung ab, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sei zu schlecht“, berichtet Häusler von den Erfahrungen des Vereins.
Im ersten Schritt versucht der Verein dann den Betriebsrentner zu unterstützen, sich außergerichtlich mit dem ehemaligen Arbeitgeber zu einigen. In manchen Fällen helfe aber nur der Gang vor das Arbeitsgericht.
Betriebsrentner gegen Stahlkonzern
Die Arbeitsgerichte haben gut zu tun mit den Betriebsrenten in Deutschland. Aufsehen erregt hat 2015 der Fall Thyssen-Krupp, bei dem es um Tausende Betriebsrenten des Konzerns ging. Auch hier waren es engagierte Einzelpersonen, die den Stein ins Rollen brachten.
Einer von ihnen ist Bruno Schachta. 2006 stellte er fest, dass es Fehler bei der Anpassung seiner Betriebsrente gab. Sein ehemaliger Arbeitgeber lehnte eine Prüfung ab. Nach jahrelangem Rechtsstreit gab ihm das Arbeitsgericht Duisburg 2012 recht. „Sechs Jahre sind eine lange Zeit“, sagt Schachta und befürchtet, dass die wenigsten Betriebsrentner sich in dieser Form wehren können: „Ich habe Urteile recherchiert und mit Kollegen Musterprozesse geführt. Wie sollen das ältere Rentner schaffen, die vielleicht gesundheitlich eingeschränkt sind?“
Auch Schachta gründete mit Kollegen einen Verein, um die Mitglieder bei ihren Forderungen nach Rentenanpassungen zu unterstützen. Infolge mehrerer gewonnener Gerichtsurteile erhöhte Thyssen-Krupp die Betriebsrenten von mehr als 70 000 Betriebsrentnern. Zufrieden ist Schachta dennoch nicht: „Ich bin enttäuscht von den Personalverantwortlichen, dass es erst zu Gerichtsverfahren kommen musste. Da ging es um die Rente von Menschen, die ihr Leben lang für Thyssen-Krupp gearbeitet haben.“
Selbst wenn einzelne Rentner vor Gericht eine Anpassung erstritten haben, gelten diese Urteile in der Regel nicht für alle. Die Anpassung ist eine Holschuld des Rentners und muss individuell beantragt werden.
Wer das nicht tut, sieht seiner Rente bei der Entwertung zu. Durchschnittlich wird eine Betriebsrente rund 20 Jahre gezahlt. In dieser Zeit kann die Inflation ganz schön zuschlagen. Bei einer Inflation von 2 Prozent ist der überwiesene Betrag nach 20 Jahren nur noch knapp 70 Prozent wert.
Betriebsrenten werden zur Belastung
Gerade bei multinationalen Unternehmen ist es für Betriebsrentner nur schwer zu durchschauen, ob einer Anpassung wirklich wirtschaftliche Gründe entgegenstehen. Bei Finanztest melden sich immer wieder Leser, die befürchten, ihr ehemaliger Arbeitgeber rechne sich absichtlich wirtschaftlich schwach. Ohne langwierige Gutachten ist das jedoch nicht nachzuweisen.
Und häufig sind wirtschaftliche Gründe einer Nichtanpassung alles andere als vorgeschobene Argumente. Tatsächlich werden die zugesagten Betriebsrenten für immer mehr Unternehmen zur Belastung.
Gefährden die Zusagen für Betriebsrenten das Unternehmen nachhaltig, darf das Unternehmen in die versprochenen Betriebsrenten eingreifen. Allerdings nur in den Teil, den nicht der Arbeitnehmer selbst per Entgeltumwandlung finanziert.
Schon fließende Renten ehemaliger Arbeitnehmer sind dabei nicht in Gefahr. Kann ein Unternehmen die Betriebsrenten nicht mehr zahlen, springt der Pensions-Sicherungs-Verein ein – nach einer Prüfung auch schon vor einer Insolvenz.
Anders sieht es für Menschen aus, die noch im Berufsleben stehen: Wenn sich ein Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, darf das Unternehmen bestehende Versorgungsordnungen zum Nachteil der Mitarbeiter ändern. Das passierte zum Beispiel Mitarbeitern des Stromkonzerns EnBW. Dagegen klagten mehrere Mitarbeiter und verloren: Wenn die Neuregelungen der Betriebsrenten verhältnismäßig sind, geht das in Ordnung, urteilte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Az. 2 Sa 21/14, u. a.).
Ansprüche im Notfall gekürzt
Verändert ein Unternehmen die Regeln zur betrieblichen Altersversorgung, muss das vorsichtig geschehen. Die bereits erworbenen Ansprüche sind dabei besonders geschützt. Das Bundesarbeitsgericht prüft die Verhältnismäßigkeit nach einem Dreistufenschema:
Kürzung zukünftiger Ansprüche: Leidet das Unternehmen unter erheblicher wirtschaftlichen Belastung, darf der Arbeitgeber in den Teil der Betriebsrente eingreifen, die der Arbeitnehmer erst noch erbringen wird.
Ansprüche nur auf aktueller Basis: Wenn die Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung langfristig die Substanz des Unternehmens gefährdet, sind noch weiterführende Eingriffe in die Zusage erlaubt. Der Arbeitgeber kann dann zusätzlich die zukünftige Betriebsrente auf Basis des aktuellen Gehalts berechnen – und nicht des höheren letzten Gehalts vor Rentenbeginn.
Kürzung erworbener Ansprüche: Wenn die wirtschaftliche Situation so dramatisch ist, dass die Geschäftsgrundlage für die betriebliche Altersversorgung entfallen ist, kann der Chef auch Ansprüche kürzen, die der Arbeitnehmer bereits erworben hat.
Beispiel: Der Arbeitgeber von Hannah Maler hat ihr pro Jahr Betriebszugehörigkeit eine Betriebsrente von 0,5 Prozent des letzten Monatsgehalts vor Eintritt in den Ruhestand zugesagt. Maler ist seit zehn Jahren im Betrieb und verdient 4 000 Euro brutto.
- Bei einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung kann der Arbeitgeber die Betriebsrente von Frau Maler auf die bisher „erarbeiteten“ 5 Prozent ihres letzten Gehalts in der Firma einfrieren. Auch wenn sie länger als zehn Jahre arbeitet, steigt der Satz nicht mehr.
- Bei der Gefahr eines nachhaltigen Substanzverlustes kann der Arbeitgeber die Betriebsrente auf 5 Prozent des aktuellen Gehalts einfrieren, egal was Frau Maler in Zukunft verdient. Sie würde dann 200 Euro erhalten.
- Bei einer wirtschaftlichen Notlage darf der Arbeitgeber auch in die Ansprüche eingreifen, die Frau Maler bereits erworben hat. Ihre spätere Betriebsrente sinkt dann unter 200 Euro.
Wird eine solche Vereinbarung getroffen, die den Arbeitnehmer schlechter stellt, können Arbeitnehmer oder Betriebsrat eine sogenannte Billigkeitskontrolle durchführen lassen. Ein Arbeitsgericht prüft, ob die Anpassung den Grundsätzen entspricht. Dabei werden die Lage des Unternehmens und die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt.
Auch externe Lösungen gesichert
Viele Arbeitgeber wollen die Betriebsrenten aber nicht aus dem Vermögen der Firma zahlen, sondern wählen dafür externe Einrichtungen.
Der Vorteil für Arbeitnehmer: Geht die Firma pleite, zahlt die externe Einrichtung die Rente trotzdem weiter. Auch die Anpassungsforderungen an den ehemaligen Arbeitgeber entfallen. Externe Einrichtungen verwenden erwirtschaftete Überschüsse, um die Renten zu erhöhen.
Die klassische Variante für die betriebliche Altersversorgung ist die Pensionskasse. Es gibt firmeneigene Pensionskassen, Pensionskassen für bestimmte Branchen oder Pensionskassen, die für alle Arbeitgeber offenstehen.
Seit einigen Jahren mischen auch die privaten Lebensversicherungsunternehmen im Bereich der Pensionskassen mit. Bekannte Unternehmen wie Allianz, Debeka und Ergo haben eigene Pensionskassen für die betriebliche Altersversorgung gegründet. Diese als Aktiengesellschaften organisierten Unternehmen sind freiwillig dem Sicherungsfonds Protektor beigetreten. Der Sicherungsfonds der Lebensversicherer bezahlt die Renten weiter, sollte eine der Pensionskassen pleitegehen. Die klassische Variante der Pensionskasse ist jedoch als Versicherungsverein organisiert und hier ist der Fall komplizierter: Diese Kassen haben weder den Pensions-Sicherungs-Verein noch Protektor im Rücken. Sie werden von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) kontrolliert und können quasi nicht insolvent werden. Wenn sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, dürfen sie in Absprache mit der Bafin Beiträge erhöhen oder Leistungen kürzen.
Das kommt vor – in letzter Zeit jedoch selten. Die Bafin teilte uns mit, dass in den vergangenen fünf Jahren lediglich eine Pensionskasse zusammen mit der Bafin ein Sanierungskonzept erarbeiten musste.
Für den Arbeitnehmer ist das erstmal kein Problem: Kürzt die Pensionskasse die Leistung, muss der Arbeitgeber einspringen und die Differenz zwischen Zusage und Leistung aus der eigenen Tasche zahlen. Das gilt auch für versprochene Steigerungen der Betriebsrenten.
Doch was passiert, wenn der Arbeitgeber nicht mehr existiert, weil die Firma mittlerweile insolvent ist? „Ist der Arbeitgeber selbst insolvent zum Zeitpunkt der Leistungskürzung, so kann die Subsidiärhaftung nicht zur Anwendung gelangen“, heißt es von der BaFin. Das heißt: Gibt es keinen Arbeitgeber mehr, der die geringere Leistung ausgleichen kann, muss der Betriebsrentner mit der gekürzten Leistung leben.
Direktversicherungen unkompliziert
Einfacher ist der Fall jedoch, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung läuft. Direktversicherungen sind Lebensversicherungen. Für diese Variante entscheiden sich häufig kleinere Unternehmen, die nicht die Möglichkeit haben, eine eigene Lösung aufzubauen und die ihre Altersversorgung hauptsächlich über Entgeltumwandlung anbieten.
Der Arbeitnehmer erwirbt in diesem Fall seine Ansprüche direkt bei dem Versicherer. Geht der ehemalige Arbeitgeber pleite, zahlt der Versicherer einfach weiter.
Sollte das Versicherungsunternehmen selbst pleitegehen, ist das Geld der Kunden auch hier durch Protektor, den Sicherungsfonds der Lebensversicherer, geschützt.