
Ob im Hotel, im Altenheim oder in der Autoindustrie – Beschwerdemanagement ist wichtig für den Erfolg. Die Grundlagen kann man in Kurzkursen lernen. Doch nur ein Seminar von neun getesteten hat uns überzeugt.
Wenn sich ein Gast im Hotel Bischofschloss am Bodensee beschwert, wird er belohnt. Schmeckt der Wein korkig oder bringt ihn eine laute Hochzeitsfeier um die Nachtruhe im Hotelbett, muss er für beide Leistungen nicht zahlen. Das ist die oberste Regel des Hauses, das 2004 und 2006 für seine Kundenorientierung und sein vorbildliches Beschwerdemanagement den Dienstleistungspreis vom Land Baden-Württemberg erhielt.
„Wir sind für Kritik dankbar, denn jede Beschwerde ist eine Chance für uns, noch besser zu werden“, erklärt Bernd Reutemann, Geschäftsführer des 25-Mitarbeiter-Hauses. „Über eine Beschwerdequote von 35 Prozent wären wir froh.“ Daraus könnte Reutemann viel lernen. Seine Philosophie ist einfach: Rechtzeitige Kommunikation statt eingeübter Floskeln, wenn es zu spät ist. Also fragt das Servicepersonal nicht nach dem Essen, ob es geschmeckt hat. Stattdessen beobachtet es Mimik und Gestik des Gastes, sobald das Essen serviert ist. Zwei Minuten später bekommt der Koch eine Rückmeldung und kann im Notfall noch mit Pfeffermühle oder etwas Soße eingreifen.
Kommentarkärtchen sollen die Gäste zu Kritik an Service, Küche oder Rezeption ermuntern. Alle Mitarbeiter sind in Beschwerdemanagement geschult. Jede Reklamation wird sofort bearbeitet und das Ärgernis möglichst beseitigt. So wie die Beschwerde eines Gastes über ein zu hartes Kissen. Kurzerhand tat sich Reutemann mit einem Bettenhaus zusammen und bietet seitdem eine „Kissenbar“ mit 18 unterschiedlichen Kopfunterlagen an.
Das Beispiel zeigt: Professionelles Beschwerdemanagement geht davon aus, dass jede Beschwerde die Chance bietet, Schwachstellen im eigenen Unternehmen aufzudecken. Wer Beschwerden systematisch erfasst und auswertet, kann die eigenen Produkte oder Leistungen verbessern und Kunden an sich binden.
Immerhin zwei Drittel von rund 100 befragten mittelständischen Unternehmen werten Beschwerden systematisch aus, ergab eine Studie (siehe Grafik „Lücken im Umgang mit Beschwerden“).
Unterschiedliche Zielgruppen

Die Grundlagen des Beschwerdemanagements vermitteln meist eintägige Kurzkurse. Zielgruppe sind Mitarbeiter aus den Bereichen Verkauf, Vertrieb und Service, die täglich die Beschwerden von Kunden entgegennehmen, weiterleiten oder bearbeiten müssen. Die Seminare richten sich aber auch an Geschäftsführer, die Beschwerdemanagement im eigenen Unternehmen einführen wollen.
Auf den ersten Blick scheint das Angebot an Kurzkursen groß. Zwischen September und Dezember 2005 fanden wir in Weiterbildungsdatenbanken mehr als 100 Seminare. Doch mehr als zwei Drittel liefen betriebsintern oder fielen aus.
Wir wollten wissen, wie gut diese Kurse auf die Praxis vorbereiten und für wen sie sich eignen. Wir haben neun ein- bis dreitägige Kurse getestet. Die Untersuchung ergab, dass die Anbieter ganz unterschiedliche Zielgruppen im Blick haben und auch inhaltlich verschiedene Schwerpunkte setzen. Beim Meinwerk Institut In Via Akademie (Meinwerk Institut) lernten viele Altenpflegerinnen. Zu X-Medial Bayern kamen dagegen vor allem Mitarbeiter aus der Medien- und Druckindustrie.
Doch nicht etwa die Kursankündigungen in den Datenbanken, sondern erst die Anbieter-Webseiten offenbarten, dass das Meinwerk Institut eine Fortbildungseinrichtung für den sozialen Bereich ist und X-Medial Bayern dem Bayerischen Verband der Druckindustrie nahe steht.
Inhaltliche Lücken
Inhaltlich haben wir die getesteten Kurse in drei Gruppen eingeteilt: Seminare mit den Schwerpunkten Prozessgestaltung oder Kundenkommunikation und Seminare, die beide Themen abdeckten.
Nach Meinung von Finanztest sollte jedes Seminar einen umfassenden Begriff von Beschwerdemanagement zugrunde legen, gleich, ob es sich an Altenpfleger oder Anlagenbauer richtet (siehe Anforderungsprofil „Was ein guter Kurs bieten muss). In jedem Fall muss deutlich werden, dass Beschwerdemanagement über das persönliche oder telefonische Kundengespräch hinausgeht. Herauskommen muss auch, dass der Umgang mit Beschwerden Teil einer Managementprozesskette ist, die vom Eingang bis zur Analyse reicht. Nicht alle Kurse erfüllten unsere Anforderungen.
In den technisch ausgerichteten Kursen mit dem Schwerpunkt Prozessgestaltung lernten unter anderem Mitarbeiter eines städtischen Entwässerungswerkes, der Automobilzuliefererbranche und Anlagenbauer. Den Aspekt der Kundenkommunikation berücksichtigte nur die Technische Akademie Wuppertal angemessen. Nur dieser Tageskurs kam unserem Anforderungsprofil sehr nahe. Die Kurse von GFQ Akademie und RI Rautenberg Industrieberatung (Rautenberg) vernachlässigten dagegen den direkten Kundenumgang.
Zu wenig Umgang mit Beschwerden
In den vier Kursen mit dem Schwerpunkt Kundenkommunikation drehte sich alles um Kommunikationstechniken, Konfliktmanagement und Stressbewältigung. Winzer und Getränkevertriebler saßen neben Mitarbeitern aus Anlagenbau und Energieversorgung.
Keiner dieser Kurse machte deutlich, dass Beschwerdemanagement über das Kundengespräch hinausgeht. Bei Instatik wurde es im Lehrmaterial klar. Der Aspekt Umgang mit Beschwerden im Unternehmen kam überall zu kurz.
Nur die beiden längeren Kurse behandelten Prozessgestaltung und Kundenkommunikation. Von allen neun Kursen kam Otti Ostbayerisches Technologie-Transfer-Institut (Otti) unserem Anforderungsprofil am nächsten. Beim Meinwerk Institut kamen die Themen EDV und Beschwerden zu kurz.
Übungen fehlten
Die Tageskurse glichen oft Vorträgen mit PowerPoint- oder Folienpräsentationen. Kurse ohne oder mit nur einer Übung wie bei der GFQ Akademie, Technischen Akademie Wuppertal, Rautenberg und Instatik sind aber nicht vertretbar.
Anstelle von Praxisübungen lieferte der Dozent der IHK Köln zum Beispiel abstrakt wirkende Wahrnehmungsübungen zum Ablauf zwischen Sender und Empfänger. Der Großmarktmitarbeiterin, die über Attacken aggressiver Kunden klagte, dürfte so ein Beispiel kaum weiterhelfen. Positiv fielen die vielen Übungen anhand konkreter Fälle bei Otti auf. Der Anbieter lieferte umfassende und informative Lehrmaterialien, was bei Kurzkursen für die Teilnehmer sehr wichtig ist. Auf weitere Informationsquellen wie Bücher oder Websites wiesen nur die GFQ Akademie, das Meinwerk Institut und Otti hin. Der Dozent der IHK Trier warb zu viel für eigene Bücher.
Fazit: Wer die Grundlagen lernen und auch üben will, braucht mehr als einen Tag Zeit. Dass sich Aufwand und Kosten lohnen können, zeigt die Kissenbar im Hotel Bischofschloss.
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- Während Berufstätige ihre Ausgaben für Fortbildungen unbegrenzt als Werbungskosten absetzen können, gelten die Kosten für eine Erstausbildung nur als Sonderausgaben.
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- Ob nach Kündigung oder Vertragsende – Arbeitslosengeld muss bei der Agentur für Arbeit beantragt werden. Wie viel es gibt, lässt sich mit unserem Rechner unten schätzen.
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- Vielen Arbeitnehmern ist nicht bewusst, dass sie ein Recht auf Bildungsurlaub haben. Die konkreten Regelungen sind von Bundesland zu Bundesland verschieden.
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Seit bereits 2 Wochen (!) ist ein Postident-Verfahren nicht abgeschlossen. Ich kann also mein Konto nicht benutzen.