Im Test: Wir haben alle in Deutschland niedergelassenen Versicherer nach ihren Bedingungen und Anträgen für Berufsunfähigkeitsschutz gefragt, also nach sämtlichen Bedingungsqualitäten von Standard bis Premium – sofern vorhanden. Manchmal haben Versicherer sowohl Selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherungen als auch Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen im Angebot, die an eine Risikolebensversicherung gekoppelt sind. Wenn für beide Varianten Preisbeispiele genannt wurden, haben wir nicht alle Produkte einbezogen, sondern die für die drei Modellkunden günstigste Variante.
Wir möchten, dass der wichtige Schutz Berufsunfähigkeitsversicherung bezahlbar bleibt. Insofern begrüßen wir es, wenn über den Kernschutz hinaus angebotene Sonderleistungen (häufig ‚nice-to-have‘) das Produkt nicht aufblähen, sondern optional abschließbar sind.
Relativ neue Aspekte lassen wir in der Regel nicht gleich in die Bewertung einfließen. Vor allem dann nicht, wenn es noch sehr unterschiedliche rechtliche Beurteilungen dazu gibt. Dazu gehören zum Beispiel auch die Definitionen zur Frage, wann bei Teilzeitbeschäftigten Berufsunfähigkeit vorliegt.
Um eine Aussage über die Qualität der Vertragsgrundlagen treffen zu können, analysieren wir die Versicherungs- und Sonderbedingungen. Dabei arbeiten wir die verbraucherrelevanten Aspekte heraus. Hier leitet uns die Frage ‚Welche Regelungen sollte eine aus Verbrauchersicht gute Berufsunfähigkeitsversicherung beinhalten und wie sind diese Regelungen ausgestaltet?‘ In der Bewertung gewichten wir Kriterien, die sich bereits in allen Tarifen und auch nahezu identisch finden, niedriger oder gar nicht. Kriterien, die sich etwa auf die Flexibilität des Produktes beziehen, geben wir mehr Gewicht. Gerade wegen der langen Laufzeit des Vertrages sind die Regelungen zur Anhebung der Rentenhöhe, der Verlängerung der Vertragslaufzeit oder zu Zahlungsschwierigkeiten besonders wichtig.
Finanztest-Qualitätsurteil
In unser Qualitätsurteil gehen die Urteile über Versicherungsbedingungen und Anträge ein. Wir haben ausgewählte Kriterien bewertet und je nach Bedeutung gewichtet. War ein Kriterium nur in Teilen erfüllt, gab es Abzüge.
Versicherungsbedingungen (75 %)
A: Verzicht auf abstrakte Verweisung. Der Versicherer verzichtet altersunabhängig bei Berufsunfähigkeit darauf, den Kunden auf einen anderen Beruf zu verweisen und deswegen die Rente zu verweigern. Manche Versicherer beziehen Vorberufe mit ein. Es gab Abzüge, wenn nicht nur der freiwillige, sondern auch der unfreiwillige Wechsel des Berufs, etwa wegen Arbeitslosigkeit oder auf ärztlichen Rat, einbezogen wurden.
B: Sechs-Monats-Prognose. Die Berufsunfähigkeit wird anerkannt, wenn ein Arzt sie für „voraussichtlich sechs Monate“ prognostiziert.
C: Rückwirkende Leistung. Lässt sich nicht sofort feststellen, ob ein Kunde berufsunfähig bleibt, wartet der Versicherer sechs Monate mit der Rentenzahlung. Liegt weiter Berufsunfähigkeit vor, zahlt er rückwirkend ab Beginn.
D: Rückwirkende Leistung für mindestens drei Jahre. Meldet der Versicherte die Berufsunfähigkeit verspätet, zahlt der Versicherer bis zu drei Jahre rückwirkend oder länger.
E: Verzicht auf Mitteilung. Keine aktive Mitteilungspflicht bei gesundheitlichen Verbesserungen im Leistungsfall.
F: Nachversicherungsgarantie. Der Schutz kann später ohne erneute Gesundheits- und/oder Risikoprüfung bei bestimmten Anlässen erhöht werden, etwa bei Heirat, Geburt, Einkommenserhöhung, Höherqualifikation, Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit und bei Immobilienerwerb – oder auch ohne Anlass. Wir prüften, ob eine vereinbarte Monatsrente von 1 000 Euro binnen zehn Jahren auf 2 000 Euro erhöht werden kann. Ebenso, ob diese Garantie auch für Verträge mit Risikoausschluss oder Beitragszuschlag gilt und bis zu welchem Alter die Erhöhung gilt. Wir prüften auch, ob eine Vertragsverlängerung bei Anhebung der Regelaltersgrenze möglich ist.
G: Garantierte Dynamik im Leistungsfall. Die Rente erhöht sich regelmäßig um den vereinbarten Prozentsatz.
H: Stundung bei Zahlungsschwierigkeiten. Eine Stundungsoption sollte anlassunabhängig mindestens zwölf Monate betragen und mehrmals möglich sein.
Bewertet wurden zudem folgende Punkte:
- Die Beiträge werden auf Antrag während der Leistungsprüfung zinslos gestundet.
- Wenn der Versicherer Leistungen einmalig befristet anerkennt, ist festgelegt, wie lange dies möglich ist, oder er verzichtet sogar auf eine Befristung.
- Der Versicherer verzichtet darauf, den Vertrag zu kündigen oder zu ändern, wenn der Kunde seine Anzeigepflicht schuldlos verletzt hat (Paragraf 19 Absatz 3 und 4 Versicherungsvertragsgesetz).
- Der Schutz gilt weltweit, auch wenn der Kunde ins Ausland zieht.
- Erkennt die gesetzliche Rentenversicherung allein aus medizinischen Gründen eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung an, wird dies – teils altersabhängig – als Berufsunfähigkeit gewertet.
- Der zuletzt ausgeübte Beruf zählt für die Anerkennung der Berufsunfähigkeit, etwa bei Elternzeit, vorübergehender Arbeitslosigkeit oder dauerhafter Unterbrechung. Die Fristen für die Dauer der Unterbrechung sind unterschiedlich.
- Für den Fall einer Beitragsfreistellung bei Zahlungsschwierigkeiten prüften wir den Zeitraum, bis zu dem der Vertrag ohne erneute Gesundheitsprüfung wieder in Kraft gesetzt werden kann.
- Der Versicherer zahlt Reise- und Untersuchungskosten, wenn der Kunde im Ausland wohnt und zur Prüfung der Berufsunfähigkeit nach Deutschland anreisen muss.
- Der Versicherer verlangt keine Mitteilung über einen veränderten Gesundheitszustand und/oder die Aufnahme einer Berufstätigkeit.
- Darüber hinaus prüften wir weitere Regelungen wie Verzicht auf Arztanordnungsklausel, Folgen bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, Verzicht auf § 163 VVG, Kündigungsrechte, Rücktrittsrechte des Versicherers, Teilzeitregelungen, Ausschlüsse, Sonderleistungen.
Anträge (25 %)
J: Psychische Erkrankung. Der Versicherer fragt nach ambulanten Behandlungen maximal der letzten fünf Jahre.
Bewertet wurden zudem folgende Punkte:
- Es wird mit einfachen Worten und drucktechnisch deutlich in der Nähe der Gesundheitsfragen auf die Folgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht hingewiesen. Der Versicherer weist bestenfalls auf diese Gefahr (Rücktritt des Versicherers vom Vertrag, Verlust des Versicherungsschutzes) bei den Gesundheitsfragen unmittelbar hin.
- Die Gesundheitsfragen sind begrenzt auf 10 Jahre stationäre Behandlungen.
- Die Gesundheitsfragen sind begrenzt auf 5 Jahre ambulante Behandlungen oder OPs oder andere Erkrankungen oder Unfälle bzw. Medikamenteneinnahme (Ausnahme bei HIV, Krebs).
- Die Gesundheitsfragen nach psychotherapeutischer oder psychologischer Behandlung sind auf 5 Jahre begrenzt (Ausnahme stationäre Aufenthalte).
- Die Gesundheitsfragen beziehen sich nur auf objektive Tatbestände, auf die Frage nach Störungen und Beschwerden wird verzichtet (Ausnahme bei derzeitigen oder auf einen sehr kurzen Zeitraum bezogenen Störungen und Beschwerden und falls wegen der Störungen und Beschwerden behandelt wurde).
- Es wird auf die Abfrage nach abgelehnten Vorverträgen oder von zu erschwerten Bedingungen angebotenen bzw. abgeschlossenen Verträgen bei anderen Versicherern oder Instituten verzichtet.
- Es wird auf zeitlich unbegrenzte Fragen nach ärztlich unbehandelten Krankheiten oder Beeinträchtigungen oder geplanten oder angeratenen Behandlungen/Operationen verzichtet (Ausnahme derzeitige Situation und ein klar definierter Zeitraum).
Jahresbeiträge für Modellkunden
Die Beiträge für unsere Modellkunden waren nicht bewertungsrelevant, sie dienen als Orientierung.
Wir nennen Beiträge für Nichtraucher. Bei Zusatzversicherungen (BUZ) ist die Todesfallsumme mit ausgewiesen (die BUZ-Rentenhöhe ist abhängig von der gewählten Todesfallsumme. Hier handelt es sich in der Regel um die niedrigste Todesfallsumme, die notwendig ist, um die jeweils gewünschte BUZ-Rentenhöhe darzustellen. Sie kann natürlich auch höher abgeschlossen werden). Der Vertrag läuft bis zum 67. Geburtstag.
Monatliche Berufsunfähigkeitsrente. Controller (w/m/d), Alter 30 Jahre: 2 000 Euro. Industriemechaniker (w/m/d), Alter 25 Jahre, ein Kind: 1 500 Euro. Medizinischer Fachangestellter, ehemals Arzthelfer (w/m/d), 25 Jahre: 1 000 Euro.
Zahlbeitrag (Netto) und Tarifbeitrag (Brutto). Das Überschusssystem für die Angaben ist die Beitragsverrechnung. Dabei werden erwirtschaftete Überschüsse auf den Bruttobeitrag (Tarifbeitrag) angerechnet und reduzieren diesen auf den Nettobeitrag (Zahlbeitrag). Die Höhe des Nettobeitrags hängt von der Höhe der Überschüsse ab und ist daher keine feste Größe.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
@smithx: Unter Punkt 2: "Antworten auf die wichtigsten Fragen" finden Sie auch die Information zu Ihrer Frage. Rentenhöhe und Laufzeit richtig wählen / Wie sichere ich die Rente gegen steigende Inflation ab? Die Beitragsdynamik sorgt für eine regelmäßige Anpassung der Beiträge und Versicherungssummen, die Leistungsdynamik sorgt für eine Steigerung der ausgezahlten Rente. Größere Anpassung erlaubt die Nachversicherungsgarantie, die bei einer Änderung der Lebensumstände zum Tragen kommt.
Hallo
ich hatte diese Frage schon einmal hierhin gestellt, aber sie wurde entweder vom Team übersehen, oder ich habe keine Antwort bekommen.
Die Versicherungen haben eine Laufzeit - für meinen Fall meines Sohnes - über viele Jahrzehnte, und werden beispielsweise über 1000 oder mehr Euro abgeschlossen, in dieser Höhe wäre die Rente im Leistungsfall.
Ich frage mich aber, ob und wo in dieser Rechnung eine Inflation, möglicherweise sogar eine Hyperinflation oder Währungsreform berücksichtigt wird. 1000 Euro haben in 40 Jahren nicht dieselbe Kaufkraft wie heute, was eine Binsenweisheit sein dürfte (letzte Inflationsrate binnen eines Jahres ca. 10 %).
Wenn man also jahrzehntelang monatlich zu aktuellen "Preisen" einzahlt, kann ja sein, dass die Kaufkraft von 1000 oder auch 2000 Euro meinetwegen im Jahr 2063 nur noch einen Bruchteil der heutigen beträgt. Wird das bei dem System irgendwie berücksichtigt? Übrigens: Steigen die Beiträge (auch) inflationsbedingt an?
Bitte eine Antwort, Danke
@dorsdn: der Punkt "Leistungen bei schwerer Krankheit mit einer prognostizierten Lebenserwartung von maximal 12 Monaten" gehört zu den ausgewählten Zusatzleistungen, die wir nicht bewertet haben. Wenn Sie dort ein rotes X finden, heißt das nicht, dass Sie die vereinbarte BU-Rente nicht mehr erhalten, sondern lediglich, dass Sie keine darüberhinausgehenden, zusätzlichen Mittel erhalten. Wichtig ist, dass Sie einen Vertrag mit sehr guten allgemeinen Bedingungen zu einem angemessen Beitrag erhalten. Da sollte die vereinbarte Rentenzahlung von Anfang an ausreichend hoch vereinbart werden.
Ich war etwas schockiert beim Lesen von den Ergebnissen bzgl der "Leistungen bei schwerer Krankheit mit einer prognostizierten Lebenserwartung von maximal 12 Monaten". Die 3 Versicherungen, die ich gewählt hatte, war dort bei allen das rote X zu sehen. Warum? Ausgerechnet da?
Mfg
@augenstern: Unser Informationen geben den Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder (2021).