Je nach Vertrag dürfen Versicherer die Beiträge erhöhen. Bei der WWK stiegen sie jedoch drastisch – zum Teil um bis zu 40 Prozent. Das beunruhigt viele Finanztest-Leser. Solche enormen Steigerungen sind bislang bei Berufsversicherungen jedoch die Ausnahme.
Fast 300 Euro im Jahr mehr an Beiträgen
Das ist mehr als ärgerlich“, findet der 39-jährige test.de-Nutzer Mathias Podlaha aus Stuttgart. Rund 89 Euro monatlich zahlt er nun für seine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der WWK. Im vergangenen Jahr waren es noch 65 Euro – eine Steigerung von rund 37 Prozent. Weitere besorgte WWK-Versicherte wandten sich an Finanztest: Sie zahlen jetzt bis zu 40 Prozent mehr. Solch drastische Erhöhungen wie bei der WWK sind zwar erlaubt, aber bisher ein Einzelfall. Nach unseren Recherchen gab es in den vergangenen Jahren zwar immer mal wieder Beitragserhöhungen, doch diese waren gering. Umso größer der Ärger bei Kunden und die Überraschung in der Branche.
Unser Rat
- Beitragssteigerung.
- Wer Berufsunfähigkeitsschutz hat und infolge einer Beitragssteigerung mehr zahlen soll – etwa wie bei dem Versicherer WWK – sollte nicht überstürzt handeln. Können Sie den neuen Beitrag nicht bezahlen, prüfen Sie, ob ein anderer Versicherer Ihnen günstigeren Schutz zu vergleichbaren Konditionen anbietet. Bedenken Sie jedoch: Alter und Gesundheit spielen für den Beitrag eine Rolle. Wer Vorerkrankungen hat, muss mit Risikoausschlüssen oder -zuschlägen rechnen. Ohne schriftliche Zusage eines neuen Versicherers sollten Sie nicht kündigen.
- Neu abschließen.
- Wenn Sie von Ihrer Arbeitskraft leben, ist guter Berufsunfähigkeitsschutz wichtig. Wählen Sie einen Vertrag mit Beitragsverrechnung (siehe Grafik). Achten Sie auf einen geringen Unterschied zwischen Netto- und Bruttobeitrag. Informationen rund um den Berufsunfähigkeitsschutz finden Sie in unserem Vergleich Berufsunfähigkeitsversicherung. Der im Vergleich enthaltene Test von Berufsunfähigkeitsversicherungen nennt für jeden Tarif sowohl den Netto- als auch den Bruttobeitrag.
Beitragssteigerung hat nichts mit Dynamik zu tun
Die Höhe der Beiträge kalkulieren Versicherer ganz unterschiedlich. Der Stuttgarter Podlaha sagt: „Als ich mich vor sieben Jahren um meine Versicherung kümmerte, habe ich kaum auf den Preis geschaut.“ Wichtig waren ihm gute Bedingungen und eine garantierte Monatsrente von rund 2 000 Euro. „Sollte ich einmal aus Krankheitsgründen oder unfallbedingt nicht mehr arbeiten können, möchte ich meine Familie finanziell gut versorgt wissen“, sagt der Diplom-Kaufmann, der heute im Bereich Logistik arbeitet. Er schloss bei der WWK den Tarif BU-Komfort ab und vereinbarte eine jährliche Beitragssteigerung von 3 Prozent, in der Fachsprache Beitragsdynamik genannt. Durch den höheren Beitrag steigt auch jeweils seine Rente. Seine aktuelle Beitragssteigerung von 37 Prozent hat mit der Dynamik jedoch nichts zu tun – Podlahas Rente steigt dadurch nicht.
WWK-Tarife im Test
In unseren Tests von Berufsunfähigkeitsversicherungen bewerten wir auch die Komfort-Tarife der WWK regelmäßig. Im Jahr 2011, als Podlaha seinen Schutz abschloss, erhielt ein ähnliches Angebot die Note gut. Zwei Beiträge stehen in Podlahas Vertrag:
Monatlicher Beitrag: |
124,46 Euro |
Monatlicher Beitrag nach Sofortverrechnung: |
56,01 Euro |
Der erstgenannte Beitrag, auch Brutto- oder Tarifbeitrag genannt, ist der für den Tarif kalkulierte Beitrag. So viel darf der Beitrag monatlich kosten. Die zweite Zahl ist der Nettobeitrag, so viel zahlte der Stuttgarter beim Abschluss.
Bei dieser Art von Verträgen verrechnet ein Versicherer seine Überschüsse mit dem Beitrag – dadurch ist dieser niedriger als kalkuliert. Versicherer sprechen von Verträgen mit Beitrags- oder Sofortverrechnung − auch Sofortrabatt genannt (siehe Grafik). Bei anderen Vertragsvarianten führen Überschüsse zu einer höheren Rente oder zu einer Auszahlung auf einen Schlag am Vertragsende.
Wie Kunden an Überschüssen beteiligt werden
Viele Verträge von Berufsunfähigkeitspolicen sehen vor, Kunden an den Überschüssen zu beteiligen, die ihr Versicherer erwirtschaftet. Die Grafik zeigt häufig verwendete Varianten von Überschussbeteiligungen. Je nach Vertrag senken Überschüsse den zu zahlenden Beitrag, erhöhen die Rente oder werden angespart und am Vertragsende ausgezahlt.

© Stiftung Warentest
Verträge mit Beitragsverrechnung besser
Finanztest empfiehlt Verträge mit Beitragsverrechnung – trotz möglicher Steigerungen. Denn bisher blieben die Beiträge relativ stabil. Bei der Tarifwahl sollten Interessenten bei vergleichbaren Vertragsbedingungen nicht nur auf einen günstigen Nettobeitrag achten, sondern auch auf eine geringe Differenz zum Bruttobeitrag.
Versicherer darf Überschüsse senken
Bei Verträgen wie Podlahas hängt der zu zahlende Beitrag von der Höhe der Überschüsse ab. Laut Gesetz muss ein Unternehmen Kunden an Überschüssen beteiligen. Das gilt für alle Lebensversicherungen – die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Form. Überschüsse können entstehen, wenn ein Versicherer einen Teil der Beiträge, die nicht für Kosten und Verwaltung anfallen, am Kapitalmarkt anlegt – oder wenn weniger Kunden berufsunfähig werden als ursprünglich angenommen.
Erhöhung des Nettobeitrags möglich
Seit Januar 2015 ist eine Erhöhung des Nettobeitrags zudem möglich, wenn in einem Unternehmen ein Produkt der Berufsunfähigkeitsversicherung die unzureichenden Zinsen von Lebensversicherungsprodukten subventionieren muss. Diese Möglichkeit sieht das Lebensversicherungsreformgesetz vor.
Sind Niedrigzinsen die Ursache?
Die Anhebung des Beitrags in Podlahas Vertrag ist vertragskonform und rechtens. Versicherer WWK teilt in einem Schreiben vom Dezember 2017 mit: „... ist eine Anpassung der Überschüsse ab dem 1. Januar 2018 notwendig“. Podlaha will die Gründe wissen, auf seine Nachfragen erhält er keine Antwort. Das ist aus unserer Sicht nicht kundenfreundlich. Es bleiben Fragen offen: Sind mehr Leistungsfälle als erwartet eingetreten? Sind die Kosten gestiegen? Die Lebensversicherungsbranche leidet seit Jahren unter niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt. Hat sich das auf die Überschussbeteiligung in der Berufsunfähigkeitssparte ausgewirkt? Auch auf Finanztest-Anfragen reagierte Versicherer WWK nicht.
Makler: Tarifanpassung war für WWK absehbar
Der Maklerverbund Maxpool, der mehr als 6 000 Versicherungsmakler vertritt, hat Beschwerde bei der staatlichen Versicherungsaufsicht Bafin eingereicht. Oliver Drewes, Geschäftsführer von Maxpool, sagt: „Eine solche drastische Tarifanpassung kann für die WWK nicht unvorhersehbar gewesen sein. Trotzdem wurde mit einem extrem günstigen Zahlbeitrag geworben. Nach fast 25 Jahren Branchenerfahrung kann ich sagen, dass der Markt für Berufsunfähigkeitsversicherungen durchaus solide kalkuliert ist. Beitragsanpassungen für Bestandskunden gab es selten und nur in geringen Größenordnungen. Der Fall WWK ist aus meiner Sicht ein Einzelfall.“
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- Berufsunfähigkeit kann jede und jeden treffen, aus psychischen oder körperlichen Gründen. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt in solchen Fällen eine Rente.
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- Menschen mit Diabetes Typ-1 ist es kaum möglich, sich gegen Berufsunfähigkeit zu versichern. Versicherer Mylife macht ihnen ein Angebot. Die Stiftung Warentest ordnet es...
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Hallo Herr Deising, wie kommen Sie zu Ihrer Einschätzung, dass ich mich nicht mit Vergleichslösungsvorschlägen beschäftigt habe? Ich habe sogar eine Honorarberatung in Anspruch genommen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ohne Kenntnis der Fakten nicht Mutmaßungen als Tatsachen hinstellen würden. Vielen Dank.
Hallo und guten Tag,
auch wenn es verständlicherweise weh tut, aber diese Entwicklung war absehbar! Nur das wie hoch wird der Nettobeitrag angepasst und wann war nicht vorhersehbar.
Warum? Weil bei einem Netto-Monatsbeitrag von ca. 56.- € bei einer ausgewiesenen Leistungsrate von 2.000.- € monatlich das Verhältnis Preis zu Leistung so gar nicht stimmt. Wie hätte das der Versicherungsnehmer (VN) vor 7 Jahren feststellen können? Indem er der immer wieder und mantramäßigen Empfehlung gefolgt wäre, sich mit Vergleichs-Lösungsvorschlägen zu beschäftigen. Dabei hätte er feststellen können, dass das Angebot der WWK nicht serös sein kann.
Schade, dass VNs immer und immer wieder von einzelnen Versicherern so vorgeführt werden - unglaublich, aber leider wahr..
Michael Deising
Juntos Finanzberatungsgenossenschaft