
Die Berufsfachschulen für Altenpflege im Test der Stiftung Warentest weigerten sich häufig, Interessierte an einer Ausbildung zu beraten. 11 von 16 nordrhein-westfälischen Schulen erhielten deshalb ein Mangelhaft.
Fachkräftemangel in der Pflege
Altenpfleger werden dringend gesucht. Rund 10 000 Stellen sind laut Bundesagentur für Arbeit zurzeit unbesetzt. Prognosen zufolge wird der Bedarf weiter steigen. Bis zu einer halben Million Vollzeitkräfte könnten laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung im Jahr 2030 fehlen.
Mit zahlreichen Kampagnen versucht die Politik, das Image von Pflegeberufen aufzuwerten und mehr Bewerber für Ausbildungen zu gewinnen. Dabei setzt sie nicht nur auf Schulabgänger, sondern auch auf Frauen nach der Familienzeit, Arbeitslose, Ältere und Migranten, die quereinsteigen wollen. Gerade erst ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, das die berufliche Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege stärken soll.
Der beste Weg in die Pflege
Wer in die Branche einsteigen möchte, hat die Wahl zwischen verwirrend vielen Qualifizierungen. Etliche bereiten allerdings lediglich auf Helfertätigkeiten vor, führen also nicht zu einem Berufsabschluss. Das zeigt eine Untersuchung der Stiftung Warentest (siehe Wildwuchs beim Kursangebot).
Der beste Weg in die Pflege ist der über eine Berufsausbildung oder Umschulung zur Fachkraft Altenpflege. Diese bundesweit einheitlich geregelte Qualifizierung dauert drei Jahre. Die Gesamtverantwortung tragen die mehr als 650 Berufsfachschulen für Altenpflege in Deutschland, darunter private, gemeinnützige und konfessionell gebundene Bildungsinstitute, aber auch Anbieter der Wohlfahrtspflege. In den Berufsfachschulen findet die theoretische Ausbildung statt, in Einrichtungen der Altenpflege die praktische (siehe Fachkraft Altenpflege: Die Ausbildung).
Beratung im Fokus
Im Fokus dieses Tests stand nicht die Ausbildung an sich, sondern die Beratung zuvor. Die Stiftung Warentest wollte angesichts des eklatanten Fachkräftemangels in der Pflege wissen: Wie gut beraten die Berufsfachschulen für Altenpflege Personen, die sich für einen Quereinstieg in die Branche interessieren? Denn wer einen beruflichen Neustart in der Pflege vorhat, braucht Unterstützung, um sich ein realistisches Bild von Ausbildung und Beruf zu machen. Nicht jeder ist für die körperlich und emotional anstrengende Arbeit mit älteren pflegebedürftigen Menschen geeignet.
Zur Beratung verpflichten sich die Berufsfachschulen in der Regel selbst: „Sprechen Sie uns an – wir beraten Sie flexibel, individuell und kompetent!“ heißt es da zum Beispiel auf den Webseiten.
16 Berufsfachschulen im Test
Im Auftrag der Stiftung Warentest baten geschulte Testpersonen die 16 für diesen Test ausgewählten Schulen in Nordrhein-Westfalen um einen Beratungstermin – natürlich inkognito. Das Gespräch sollte möglichst vor Ort beim Anbieter stattfinden. War das nicht möglich, durfte es auch eine Beratung am Telefon sein.
Unsere Tester entsprachen der Zielgruppe Quereinsteiger: Männer und Frauen zwischen 20 und 50 Jahren, darunter auch Migranten. Alle gaben vor, einen beruflichen Neustart in der Pflege zu erwägen und sich insbesondere für die Ausbildung zur Fachkraft Altenpflege zu interessieren.
Häufig wurde gar nicht beraten
Auf jede Schule setzten wir sieben Testpersonen an und erwarteten, dass mindestens fünf von ihnen beraten werden. Das Ergebnis ist enttäuschend: Elf von 16 Schulen im Test scheiterten an dieser nicht sonderlich hohen Hürde. Wieder und wieder wurden unsere Tester abgewiesen. Die SBK Sozial-Betriebe-Köln und das Fachseminar für Altenpflege Am Mergelteich in Dortmund verweigerten Beratungsgespräche ganz und gar. Weitere neun Schulen lehnten so häufig ab, dass jeweils nur maximal drei Tester Beratungen bekamen. Zu wenige für die Stiftung Warentest. Sie bewertete den Prüfpunkt „Beratungsbereitschaft“ mit Mangelhaft. Das schlug auch auf das Gesamturteil durch.
Ein Interessent ist kein Bewerber
Es scheint, als sei vielen Schulen gar nicht bewusst, wie wichtig Beratung ist. „Melden Sie sich wieder, wenn Sie ein Praktikum gemacht haben“, „Schicken Sie uns eine Bewerbung, dann machen wir einen Termin“ oder „Gehen Sie erstmal zur Arbeitsagentur“ – so und ähnlich erteilten viele Anbieter unseren Testern eine Abfuhr. Akzeptabel ist das aus folgenden Gründen nicht:
- Ein Praktikum in einer Altenpflegeeinrichtung mag Orientierung geben, ist aber sehr zeitaufwändig und ersetzt keine Beratung.
- Interessierte an einer Ausbildung sind keine Bewerber. Während Bewerber bereits eine Entscheidung getroffen haben, stehen Interessierte, insbesondere wenn es Quereinsteiger sind, noch vor jeder Menge Fragen, zum Beispiel: Welche Voraussetzungen muss ich mitbringen? Oder: Eigne ich mich für diese Arbeit?
- Quereinsteiger, die arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind, benötigen für die Umschulung zur Altenpflegefachkraft zwar das Okay ihrer örtlichen Arbeitsagentur. Die Agenturen stellen dann den so genannten Bildungsgutschein aus. Das bedeutet, dass sie die Finanzierung übernehmen (siehe Fördermöglichkeiten der Arbeitsagenturen). Aus Sicht der Stiftung Warentest ist der Gang zur Arbeitsagentur jedoch erst dann sinnvoll, wenn der Interessierte nach einem Beratungsgespräch bei der Berufsfachschule entschieden hat, dass die Ausbildung für ihn infrage kommt.
Übrigens: Berufsfachschulen, die Arbeitslose qualifizieren und den Bildungsgutschein der Arbeitsagenturen einlösen, sind zur Beratung verpflichtet.
Gute Beratung eher selten
Was die Qualität der stattgefundenen Beratungen betrifft: Auch hier gab es wenig Anlass zu jubeln. Die meisten Schulen schnitten in diesem Prüfpunkt befriedigend ab. Die Hauptkritik: Die Ansprechpartner in den Schulen informierten zwar meist gut über Ausbildung und Beruf, aber die Beratung selbst blieb auf der Strecke.
Eine gute Beratung geht über bloßes Informieren hinaus. Sie bezieht zum Beispiel den Lebenslauf des Interessenten mit ein (Was hat der Ratsuchende bisher beruflich gemacht? Wo liegen seine Stärken?) und stößt die Auseinandersetzung mit wichtigen Fragen an (Gibt es Erfahrungen mit Sterben und Tod?). Der Berater sollte gemeinsam mit seinem Gegenüber reflektieren, ob der Beruf für diesen in Frage kommt, und ihn dabei unterstützen, eine Entscheidung zu treffen (siehe Was eine gute Beratung bieten muss).
Immerhin – zwei Schulen bekamen im Prüfpunkt „Qualität der Beratung“ ein Gut: das Fachseminar für Altenpflege des DRK Kreisverband Dortmund und die Tüv Rheinland Akademie in Dortmund. Beide Schulen überzeugten auch insgesamt mit einer guten Note. Verbraucher bekommen dort recht problemlos Termine und erhalten zusätzlich gute Kundeninformationen, etwa in Form von Flyern oder im Internet.
Ein gutes test-Gesamturteil bekam auch die Katholische Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe in Dortmund. Allerdings war die Qualität der Beratung dort nur befriedigend.
Jüngere werden besser beraten
Die Stiftung Warentest wollte mit diesem Test auch herausfinden, ob einige Personengruppen besser beraten werden als andere. Unsere Testpersonen haben wir deshalb nach bestimmten Merkmalen ausgewählt (siehe So haben wir getestet). Resultat: Ob Mann oder Frau, Migrant oder nicht – alle wurden gleichermaßen gut oder schlecht beraten. Eine Auffälligkeit gab es aber: Jüngere bekamen eine bessere Beratung als Ältere. Sie erhielten in den Gesprächen zum Beispiel mehr Informationen. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren: Vielleicht sehen die Schulen in jüngeren Interessenten mehr Potenzial und wollen sie eher für eine Ausbildung gewinnen. Denkbar wäre aber auch, dass sie bei älteren Anwärtern aufgrund von Lebenserfahrung mehr Wissen voraussetzen und deshalb viele Themen gar nicht erst anschneiden.
Besser persönlich beraten lassen
Wer die Wahl hat, sollte sich unbedingt vor Ort beim Anbieter beraten lassen. Der Test zeigt nämlich: Persönliche Beratungen sind besser als telefonische. Die Atmosphäre bei Gesprächen von Angesicht zu Angesicht war deutlich besser. Die Berater gaben sich dann auch mehr Mühe, bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Verwunderlich ist das nicht: Ein Telefonat ist immer anonymer als eine Begegnung.
Fazit: Die Schulen müssen nachbessern
Das traurige Fazit unseres Tests: Interessierte an einer Altenpflege-Ausbildung brauchen offenbar viel Glück. Erst, um überhaupt einen Termin zu bekommen, dann, um gut beraten zu werden. Die Anbieter sind aufgefordert, hier deutlich nachzubessern. Beratung ist wichtig, weil sie mit unrealistischen Vorstellungen vom Beruf aufräumen und Ausbildungsabbrüchen vorbeugen kann. Damit tun die ausbildenden Berufsfachschulen nicht nur sich selbst einen Gefallen, sondern auch dem Arbeitsmarkt, der gut ausgebildete Pflegekräfte dringend benötigt. Bis Besserung in Sicht ist, bleibt Verbrauchern nur, auf einen Termin zu pochen oder es notfalls bei verschiedenen Schulen zu probieren (siehe Tipps).
Neue Anlaufstelle für Beratung
Seit Dezember 2012 gibt es für Interessierte mit Beratungsbedarf eine neue Anlaufstelle. Als Teil der „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“ des Bundes hilft nun das Beratungsteam Altenpflegeausbildung weiter. Wer auf www.altenpflegeausbildung.net sein Bundesland auf der Deutschlandkarte anklickt, erhält Kontaktdaten von Beratern in seiner Region.