So haben wir getestet
Im Test: 20 Vertragspartner gesetzlicher Krankenkassen, die Patienten mit aufsaugenden Inkontinenzprodukten versorgen. Wir wählten 10 Homecare-Unternehmen – Hersteller oder Händler von Inkontinenzprodukten – nach ihrer Marktbedeutung aus. Dazu erfragten wir im Oktober 2016 verdeckt die Vertragsbeziehungen der jeweils fünf gemäß ihrer Versichertenzahl größten Betriebs-, Ersatz-, Innungs- und Ortskrankenkassen sowie der Knappschaft. Zudem berücksichtigten wir 5 Sanitätshäuser und 5 Apotheken, die wir exemplarisch im Ruhrgebiet auswählten.
Alle Anbieter waren Vertragspartner der Kasse mit den meisten Versicherten in Deutschland, der Techniker Krankenkasse.
Untersuchungen
Sieben geschulte Tester nahmen im Februar und März 2017 verdeckt Erstberatungen in Anspruch. Jeder rief sämtliche ausgewählten Homecare-Unternehmen an und besuchte alle Sanitätshäuser sowie Apotheken. Insgesamt fanden auf diese Weise 140 Gespräche statt. Die Tester waren nicht von Inkontinenz betroffen, aber mit entsprechenden Legenden und fiktiven ärztlichen Verordnungen ausgestattet. Auf Nachfrage gaben sie diese Informationen wieder. Die Legenden und Verordnungen umfassten jeweils eine typische Patientengeschichte, eine passende ärztliche Diagnose und weitere Angaben, etwa zur täglichen Trinkmenge, möglichen Begleiterkrankungen und der Konfektionsgröße, und wurden mit fachgutachterlicher Hilfe entwickelt. Die sieben Testfälle im Überblick:
Testfall 1: Eine Mutter zweier Kinder mit mittelgradiger Belastungsinkontinenz. Sie verliert Urin beim Husten, Niesen, Lachen und Heben schwerer Lasten und nutzt bislang Monatsbinden aus der Drogerie.
Testfall 2: Ein Mann, dem wegen einer Krebserkrankung die Prostata entfernt wurde, leidet als Folge unter Mischinkontinenz. Er verliert Urin beim Husten, Niesen, Lachen und Heben schwerer Lasten, aber auch auf dem Weg zur Toilette. Er hat häufigen Harndrang und probierte bereits ein Kondomurinal ohne Erfolg aus. Seine Tochter lässt sich stellvertretend für ihn beraten.
Testfall 3: Eine Frau hat seit den Wechseljahren oft Harnwegsinfekte und neuerdings häufig Harndrang, nämlich ungefähr alle ein bis zwei Stunden und mit Urinverlust auf dem Weg zur Toilette. Eine medikamentöse Behandlung ist aufgrund der Augenerkrankung Glaukom („Grüner Star“) nicht möglich. Die Frau versorgt sich bislang mit Produkten aus der Drogerie.
Testfall 4: Eine Frau verliert seit der Entfernung ihrer Gebärmutter im letzten Jahr ständig Urin. Sie nutzt bislang Hygieneartikel aus der Drogerie.
Testfall 5: Ein älterer Mann verliert schon seit geraumer Zeit regelmäßig etwas Urin. Das Thema ist ihm sehr unangenehm, aber der Sohn konnte ihn zu einem Besuch beim Urologen überzeugen, der eine Dranginkontinenz diagnostizierte. Der Vater hat keine Erfahrung mit Inkontinenzprodukten, sondern versorgte sich bislang behelfsmäßig. Nun lässt sich sein Sohn stellvertretend für ihn beraten.
Testfall 6: Eine demente und überwiegend bettlägerige Seniorin verliert ständig Harn, verweigert allerdings bislang Vorlagen und Windelslips. Ihr Sohn lässt sich stellvertretend für sie beraten.
Testfall 7: Eine mittelalte Frau hat wegen einer Erkrankung des Nervensystems oft plötzlichen Harndrang und verliert Urin, wenn sie nicht schnell genug eine Toilette findet. Eine medikamentöse Behandlung schlägt nicht ausreichend an. Die Frau versorgt sich bislang mit Einlagen aus der Drogerie.
Alle Betroffenen waren fiktiv bei der Techniker Krankenkasse versichert. Die Tester dokumentierten nach jedem Gespräch die Inhalte und Rahmenbedingungen in Erhebungsbögen. Anhand davon prüften zwei Fachgutachter die Beratungsqualität und zudem die Musterproben, die die Anbieter den Testern überließen. Im Mai 2017 befragten wir die Anbieter unter anderem, mit welchen Krankenkassen sie kooperieren.
Bedarfsanalyse: 40 %
Wir erfassten unter anderem, ob die Berater Fragen stellten zur Form der Inkontinenz, zur abgegebenen Flüssigkeitsmenge, zu Mobilität und Alltag des Betroffenen, körperlichen Maßen wie Konfektionsgröße oder Hüftumfang, zur täglichen Trinkmenge, zu begleitenden Krankheiten und angewendeten Medikamenten und zu Vorerfahrungen mit Inkontinenzprodukten.
Beratung und Information: 40 %
Hier beurteilten wir, ob und wie die Berater allgemein zum Thema Inkontinenzversorgung informierten. Unter anderem ging es um die verschiedenen Produktarten der Hilfsmittel und ihre korrekte Handhabung, die gesetzliche Zuzahlung und die Monatspauschale der Krankenkasse. Zudem bewerteten wir, ob bei den Gesprächen die Privatsphäre eingehalten wurde und ob Testern, die als Stellvertreter ihrer Eltern auftraten, angeboten wurde, diese direkt zu beraten.
Empfehlungen und Probeexemplare: 20 %
Zwei Fachgutachter bestimmten die grundsätzliche Eignung der Probeexemplare für die sieben Testfälle. Ferner beurteilten wir unter anderem, ob die Produkte hygienisch verpackt waren. Auch die Beratung zu den Probeexemplaren floss in das Urteil ein – etwa ob die Tester konkrete Informationen zu Aufzahlungen für Versorgungsvorschläge erhielten. Wir berücksichtigten zudem, ob die Berater Hinweise zur korrekten Entsorgung von Inkontinenzprodukten gaben und das weitere Vorgehen nach der Abgabe der Probeexemplare erklärten.