Fast alle Bauverträge haben grobe Mängel. Bevor Käufer bei der Baufirma unterschreiben, sollten sie nachteilige Klauseln streichen. Wir erklären, wie sie das schaffen.
Dorothea und Jörg Schumacher haben sich am Stadtrand von Bremen eine Eigentumswohnung gekauft. Bisher ist sie nur auf dem Bauplan zu sehen, denn das neue Mehrfamilienhaus ist noch im Bau. Einziehen will die Familie spätestens am 30. Juni 2012. In dem Neubau sollen dann zwölf Eigentumswohnungen bezugsfertig sein.
Schumachers haben viel geplant, den Grundriss verändert und die Bäder verrückt. Die 96-Quadratmeter-Wohnung wird die Familie 223 000 Euro kosten, für den Parkplatz in der Tiefgarage werden zusätzlich 19 000 Euro fällig.
Bevor das Paar den Bauvertrag unterschrieb, hat Rechtsanwalt Arne Schültge von der Verbraucherzentrale Bremen das Papier geprüft. Der Mann ist auf Bauverträge spezialisiert. Sein Rat im Mai 2011 hat 80 Euro gekostet.
Schültge machte fünf Änderungsvorschläge. Jörg Schumacher hat sich alles notiert und dann mit der Baufirma verhandelt. Vor allem riet Jurist Schültge, ein festes Datum als „spätesten Bezugstermin für die Wohnung“ in den Vertrag zu schreiben. Das vereinbarte Schumacher mit der Firma, ehe er unterschrieb.
Er folgte auch dem Tipp des Beraters, zusätzlich eine Vertragsstrafe als Druckmittel in den Vertrag aufzunehmen. 200 Euro pro Tag, höchstens 5 Prozent der Kaufsumme muss die Baufirma zahlen, wenn die Wohnung nicht pünktlich fertig wird.
Jetzt sieht es so aus, als verzögere sich der Einzugstermin tatsächlich um etwa fünf Monate. Wann genau Schumachers in ihre Wohnung einziehen können, steht noch nicht fest. Rechtsanwalt Schültge hat bereits ein Schreiben an die Baufirma aufgesetzt, in dem er für die Schumachers Schadenersatzansprüche stellt.
Muss das Ehepaar tatsächlich so lange auf seinen Einzug warten, kann es die volle Vertragsstrafe von 11 150 Euro verlangen – das sind 5 Prozent der Bausumme.
Käufer im Grundbuch vorgemerkt
Die Bremer Familie lässt ihre Wohnung von einer Firma bauen, die im rechtlichen Sinne ein Bauträger ist. Genau genommen sind die Schumachers keine Bauherren, sondern Käufer. Der Bauträger ist Eigentümer des Grundstücks und damit auch Bauherr.
Ein Bauträger verkauft ein Grundstück und verpflichtet sich per Vertrag, ein Haus darauf zu errichten. Das kann ein Eigenheim, ein Doppel- oder ein Reihenhaus, eine Neubau-Eigentumswohnung oder eine sanierte Altbauwohnung sein.
Egal was gebaut wird, der Bauträgervertrag ist ein Kaufvertrag, den ein Notar beurkunden muss. Der schaut darauf, ob das Papier den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die vereinbarten Raten während der Bauzeit müssen zum Beispiel so festgelegt sein, dass sich der Bauunternehmer keine hohen Vorauszahlungen sichert, ohne im Gegenzug entsprechende Bauleistungen erbracht zu haben.
Die gesamte Wohnung geht erst in das Eigentum der Schumachers über, wenn das Haus samt Garage errichtet ist. Bis dahin gehört das Grundstück der Baufirma.
Ginge die Firma pleite, hat der Bauherr noch nicht die volle Summe gezahlt. Als Gegenwert stünde ein angefangener Hausbau da. Dieser würde dann in das Eigentum aller Wohnungskäufer übergehen, also in das der Eigentümergemeinschaft.
Das ist möglich, weil der Notar vor der ersten Ratenzahlung jeden Wohnungskäufer im Grundbuch vorgemerkt hat. Die Eigentümer müssten sich dann eine neue Baufirma suchen, die das Haus vollendet.
Firmen bauen billige Teile ein
Schumachers Wohnung wird teurer werden, als es auf dem Papier steht. Denn die Familie will bessere Fußböden, andere Fliesen und teurere Armaturen einbauen lassen. Sie hat sich jedoch noch nicht für alle Einbauteile entschieden.
Die Bremer sind sich über den Aufpreis für die Extras im Klaren. Doch manch anderer erlebt böse Überraschungen. Deshalb raten Bauexperten, alle gewünschten Einbauten und Leistungen vor Vertragsschluss bis ins Detail zu klären und sie in der Bau- und Leistungsbeschreibung festzuhalten.
Dort sollten Typ, Modell und Baureihe von Fußböden, Dach, Fenster, Türen, Treppen, Balkon, Anschlüssen und Einbauten in Bad, Küche und Terrasse eindeutig benannt sein. Achten die Käufer nicht auf jedes Detail, baut die Firma die Teile ein, die sie vorrätig hat und die für sie günstig sind. Das führt oft zu Streit.
Schlechte Karten haben Käufer, wenn im Vertrag steht: „Soweit Leistungen in der Baubeschreibung, den Plänen und der Grundlagenerklärung noch nicht genug bestimmt sein sollten, sind sie ... ortsüblich und angemessen zu erbringen, hilfsweise bestimmt sie der Verkäufer nach vorheriger Abstimmung mit dem Käufer.“
Der erste Teil der Klausel berechtigt die Firma, alle Bauteile ohne Abstimmung mit dem Kunden festzulegen. Das ist üblich und zulässig. Der Käufer umgeht die Falle, wenn er sich zuvor genügend Zeit für die Einzelplanung nimmt und selbst sogar die gewählte Fliesensorte in die Bau- und Leistungsbeschreibung schreibt.
Vorher alles auswählen
Bauunternehmen zeigen in Musterhäusern und Ausstellungshallen, zwischen welchen Bauformen, Materialien und Sonderausstattungen Kunden wählen können. Diese Auswahl heißt im Fachjargon Bemusterung.
Nur wenn die Käufer bereits vor Vertragsschluss die Bauteile auswählen, wissen sie, was ihr Haus wirklich kosten wird. Ihre Verhandlungsposition ist vor Vertragsunterzeichnung natürlich viel stärker als danach. Haben sie nach der Unterschrift noch Sonderwünsche, wird es teuer.
Verbraucherzentrale prüft und berät
Die Baurechtsexperten der Verbraucherzentrale Bremen bieten an, nicht nur den Bauvertrag zu prüfen, sondern auch einen schriftlichen Kommentar zu kundenunfreundlichen Klauseln abzugeben. Für die Prüfung des Bauträgervertrags verlangen sie etwa 135 Euro. In der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kostet eine komplette Vertragsexpertise für Bauvertrag und Baubeschreibung 370 Euro.
Teilprüfungen sind häufig auch möglich und kosten weniger. Auch Bauherrenvereine, Tüv und Dekra bieten Beratung an (siehe „Unser Rat“).
Die Experten sind überdies oft bereit, Käufer zu den Vertragsverhandlungen mit der Baufirma oder zum Notar zu begleiten. Das macht das Verhandeln für den Kunden einfacher. „Im Beisein des Notars können wir bauherrenfreundliche Vertragsänderungen schneller erreichen“, sagt Gerhard Gerloff, Anwalt für Baurecht für die Verbraucherzentrale Bremen.
Beratung ist jedem Bauherrn zu empfehlen, weil fast alle Verträge Mängel haben. Im Jahr 2010 haben der Bauherrenschutzbund und das Institut für Bauforschung aus Hannover 100 Bauverträge von regionalen und überregionalen Baufirmen geprüft. Davon waren 90 Prozent unvollständig, oder sogar „erheblich unvollständig“.
Profis für die Kontrolle der Baustelle
Ist der Bauherr eines Eigenheims oder der Käufer einer neuen Eigentumswohnung bautechnischer Laie, sollte er sogar einen Berater engagieren, der regelmäßig auf der Baustelle vorbeischaut. Diesen Service bieten zum Beispiel die Bauherrenverbände. Ihre Experten prüfen die Qualität der Bauarbeiten und können Pfusch von Anfang an verhindern.
Die Preise für eine Baubegleitung hängen vom Prüfumfang ab. Für ein Eigenheim ist mit Kosten von rund 1 Prozent der Bausumme zu rechnen, das ergibt oft einen Betrag zwischen 1 000 und 3 000 Euro.
Auch die Bremer Eigentümergemeinschaft der Schumachers hat sich einen Architekten gesucht, der den Hausbau begleitet. Der Mann verlangt für seine Arbeit 6 500 Euro, die sich die zwölf Wohnungseigentümer teilen. Damit können Schumachers einigermaßen sicher sein, dass die Bauleute nicht grob pfuschen.
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- Mit dem Finanztest-Rechner können Sie ermitteln, ob Sie als Mieter oder Käufer einer Immobilie günstiger fahren und dabei unterschiedliche Szenarien berücksichtigen.
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