
Zu hohe Zinsen: Kasse hat fast 6 000 Bausparverträge gekündigt.
Viele Kunden der Aachener sind empört: Die Bausparkasse hat ihre Verträge gekündigt – wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“. sprich: Weil sie ihr zu teuer geworden sind. Das Unternehmen argumentiert, die Guthabenzinsen ließen sich aufgrund der Niedrigzinsphase nicht mehr erwirtschaften. Das könne die Aachener nicht hinnehmen. Nach Auffassung der Verbraucherzentralen sind die Kündigungen rechtswidrig. Kunden sollten sich wehren. test.de sagt, wie sie dabei vorgehen sollten.
Aachener macht Rückzieher
Update 21.08.2018. Vor Gericht sind immer mehr Bausparer erfolgreich. Mit Hilfe von Anwälten holen sie gute Vergleiche heraus oder gewinnen vor Gericht. Alle Details in der Meldung Aachener Bausparkasse macht Rückzieher.
Neuer Kündigungsgrund
Nach der bisherigen Rechtsprechung dürfen Bausparkassen nur kündigen, wenn das Guthaben die Bausparsumme übersteigt oder der Sparer zehn Jahre nach der ersten Zuteilungsmöglichkeit immer noch kein Darlehen abgerufen hat.
Die Aachener hat sich einen neuen Grund ausgedacht, um Kunden mit gut verzinsten Altverträgen loszuwerden. Die Fortsetzung der Verträge sei ihr wegen der Niedrigzinsphase nicht länger zumutbar. Deshalb sei sie nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu einer Kündigung wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) und zur Kündigung aus „wichtigem Grund“ (§ 314 BGB) berechtigt. Bis Ende April haben bereits fast 6 000 Kunden die Kündigung erhalten.
Den Rausschmiss bereitet die Bausparkasse mit dem Angebot für ein „Tarif-Update“ vor: Der Kunde soll seinen Vertrag gegen einen neuen tauschen, der nur mit 0,15 Prozent statt 2 Prozent im Jahr verzinst wird und bei einem Darlehensverzicht keinen Bonus vorsieht. Wochen später kommt das Ultimatum: Entweder der Kunde nimmt das Angebot zum Tarifwechsel innerhalb von zwei Wochen an, oder die Kasse kündigt.
Unser Rat
Widerspruch. Die Bausparkasse will Ihren gut verzinsten Vertrag wegen einer angeblichen „Störung der Geschäftsgrundlage“ kündigen? Legen Sie schriftlich Widerspruch ein. Lenkt die Bausparkasse nicht ein, sollten Sie mithilfe eines Anwalts eine Klage prüfen.
Musterbriefe. Für Ihren Widerspruch können Sie die Musterbriefe der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nutzen.
Kündigungen sind rechtswidrig
Die Verbraucherzentralen halten die Kündigungen für rechtswidrig. Zinsänderungen am Kapitalmarkt berechtigen eine Bausparkasse nicht dazu, sich den vertraglichen Pflichten zu entziehen. Sie hat feste Zinsen in der Spar- und Darlehensphase garantiert und das Kapitalmarktrisiko bewusst in Kauf genommen. Nur deshalb haben die Sparer den Vertrag abgeschlossen.
So sehen es auch die Gerichte. Der Bundesgerichtshof hat bereits klargestellt, dass die derzeit niedrigen Zinsen keine Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314 BGB) rechtfertigen (Az. XI ZR 185/16). Nach Auffassung der Oberlandesgerichte Celle (Az. 3 U 86/16), Karlsruhe (Az. 17 U 185/15) und Stuttgart (Az. 9 U 171/15) dürfen sich Bausparkassen auch nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage durch die Niedrigzinsphase berufen.
Aachener in der Branche isoliert
Die Aachener will trotzdem an den Kündigungen festhalten. In der Branche hat sie sich damit isoliert. Fast alle anderen Bausparkassen haben auf Finanztest-Nachfrage versichert, dass sie keine Kündigungen wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage ausgesprochen haben und dies auch nicht planen. Nur die BSQ Bausparkasse antwortete uns nicht.
„Aus der Niedrigzinsphase ergibt sich für uns kein Kündigungsgrund“, erklärt die Landesbausparkasse (LBS) West. Wüstenrot zieht solche Kündigungen „nicht in Erwägung“. Die LBS Nord „hat auf Grundlage der §§ 313, 314 BGB bislang keine Maßnahmen ergriffen und wird dies auch in Zukunft nicht tun“.
BSQ Bausparkasse: Verbraucherzentrale stoppt Kündigungen
Bausparkassen dürfen sich in ihren Bedingungen nicht vorbehalten, den Vertrag aus „bauspartechnischen Gründen“ schon nach sieben Jahren Laufzeit aufzulösen. Das hat das Landgericht Nürnberg-Fürth nach einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die BSQ Bausparkasse entschieden (Az. 7 O 1987/16).
Betroffen sind Bausparer, die bei der ehemaligen Quelle Bausparkasse die Bonusvariante im Tarif Q16 abgeschlossen haben. Ihnen steht bei Darlehensverzicht neben dem Basiszins von 1,0 Prozent ein Bonus von 2,35 Prozent zu. Die Bausparkasse hatte Kunden mitgeteilt, dass sie den Vertrag nur noch ohne Bonus fortsetzen können. Andernfalls müssten sie sich ihr Guthaben und den Bonus schon jetzt auszahlen lassen. Sie verwies auf eine Vertragsklausel, nach der sie die Laufzeit der Bonusvariante aus „bauspartechnischen Gründen“ bis auf sieben Jahre begrenzen dürfe.
Die Bausparkasse darf sich nach dem Urteil nicht mehr auf die Klausel berufen. Sparer, denen die Kasse bereits gekündigt hat, können nach Auffassung der Verbraucherzentrale nachträglich fordern, dass ihr alter Vertrag mit Bonus fortgesetzt wird.
Bausparmodell infrage gestellt
Bausparkassen haben allen Grund, sich vom Vorgehen der Aachener zu distanzieren. Denn die Kündigungen stellen das Geschäftsmodell der Bausparkassen grundlegend infrage.
Bausparen ist nur sinnvoll, wenn Sparer darauf vertrauen können, dass die Bausparkasse ihre Zinsversprechen einlöst. Darauf könnte sich niemand verlassen, wenn die Kasse den Vertrag je nach Zinsentwicklung am Kapitalmarkt kündigen darf. Wer sollte dann noch einen Bausparvertrag abschließen?
Viele weitere Informationen und Tipps rund ums Bausparen erhalten Sie in unserem Special Bausparen: Die neuen Tricks der Bausparkassen, Finanztest 8/2016.
Kündigung zehn Jahre nach Zuteilungsreife.
Update 01.10.2019. Bausparkassen dürfen kündigen, wenn der Bausparer zehn Jahre nach der ersten Zuteilungsmöglichkeit noch kein Darlehen abgerufen hat. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Az. XI ZR 185/16). Das Kündigungsrecht besteht in der Regel auch für Bausparverträge, bei denen die Bausparkasse einen Zinsbonus zahlt, wenn der Bausparer auf ein Darlehen verzichtet und sich nur das Guthaben auszahlen lässt (BGH, Az. XI ZR 135/17).
Diese Meldung ist erstmals am 8. März 2017 auf test.de erschienen. Sie wurde am 16. Mai 2017 aktualisiert.