
Bausparkassen dürfen auch in der Sparphase keine Kontogebühren oder Servicepauschalen verlangen. Das haben die Oberlandesgerichte Celle und Koblenz entschieden.
OLG Celle erklärt Jahresentgelt in der Sparphase für unwirksam
Eine Klausel in den Bausparbedingungen, nach denen Kunden für die Kontoführung während der Ansparphase ihres Bausparvertrags ein Jahresentgelt von 12 Euro zahlen müssen, ist unzulässig. Das hat das Oberlandesgericht Celle nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die BHW Bausparkasse entschieden. Danach muss BHW ihre Bedingungen ändern und die zu Unrecht einbehaltenen Jahresentgelte erstatten.
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 17.11.2021
Aktenzeichen: 3 U 39/21 (nicht rechtskräftig, die BHW Bausparkasse hat inzwischen Revision eingelegt. Aktenzeichen beim BGH: XI ZR 551/21)
Verbraucheranwälte: Rechtsanwaltssozietät Loh, Luig & Matzkat, Lübeck
Unser Rat
- Erstattung fordern.
- Fordern Sie Ihre Bausparkasse mit Hilfe unseres Mustertextes dazu auf, bereits abgebuchte Jahresgebühren zu erstatten. Zumindest soll Ihre Bausparkasse darauf verzichten, sich bis sechs Wochen nach rechtskräftigem Abschluss des Streits um die Bauspar-Kontoführungsgebühren auf Verjährung zu berufen. Schalten Sie den Ombudsmann ein, wenn Ihre Bausparkasse sich darauf nicht einlassen will. Das stoppt die Verjährung. Auch dafür bieten wir einen Mustertext mit Hinweisen zum Verfahren. Der Aufwand ist gering und Sie werden unserer Einschätzung nach Ihr Geld wahrscheinlich erhalten. Sie brauchen allerdings Geduld. Bevor der Bundesgerichtshof wohl erst Ende 2022 urteilt, werden die Bausparkassen Erstattungen vermutlich verweigern.
Kontoführung ist keine Sonderleistung
Ein Kontoentgelt in der Ansparphase widerspreche dem gesetzlichen Leitbild eines Bausparvertrages, begründeten die Richter ihre Entscheidung. In dieser Phase sei der Bausparkunde Darlehensgeber, der nach der gesetzlichen Regelung kein Entgelt für die Vergabe des Darlehens schulde. Außerdem verwalte die Bausparkasse die Konten im eigenen Interesse. Bausparer erhielten dadurch keinen besonderen Vorteil, sondern nur das, was sie nach den vertraglichen Vereinbarungen und gesetzlichen Bestimmungen ohnehin erwarten dürfen.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Das Urteil des OLG Celle ist noch nicht rechtskräftig. Weil es sich um eine Grundsatzfrage handelt, haben die Richter eine Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen. Legt BHW Revision ein, ist mit einer endgültigen Entscheidung wohl erst Ende des kommenden Jahres zu rechnen.
Debeka muss Servicepauschale erstatten
Das Oberlandesgericht Koblenz hatte bereits 2019 eine Servicepauschale der Debeka gekippt, die die Bausparkasse 2017 für bestehende Verträge neu eingeführt hatte. „Für die bauspartechnische Verwaltung und Steuerung des Kollektivs sowie die Führung der Zuteilungsmasse“ sollten die Sparer je nach Tarif 12 oder 24 Euro im Jahr zahlen. Die Vertragsänderung war unwirksam, entschied das Oberlandesgericht Koblenz nach einer Klage der Verbraucherzentrale Sachsen. Die für die Zuteilung der Verträge nötigen Verwaltungsaufgaben erfülle die Bausparkasse überwiegend im eigenen Interesse, um ihren gesetzlichen und vertraglichen Pflichten nachzukommen. Es handele sich nicht um eine zusätzliche Leistung für Bausparer.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 05.12.2019
Aktenzeichen: 2 U 1/19
Urteil gegen Debeka ist rechtskräftig
Die Debeka hatte Revision gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt, sie aber kurz vor dem Verhandlungstermin am 6. Juli 2021 zurückgezogen. Damit ist das Urteil des OLG Koblenz rechtskräftig. Die zu Unrecht erhobenen Servicepauschalen muss die Bausparkasse zurückzahlen, soweit die Erstattungsansprüche nicht verjährt sind.
Strittige Verjährung
Banken und Bausparkassen erstatten unzulässige Gebühren in der Regel nur für die vergangenen drei Kalenderjahre. Das entspricht der allgemeinen Verjährungsfrist. Der Europäische Gerichtshof urteilte in diesem Jahr jedoch: Die Forderung auf Erstattung aufgrund missbräuchlicher Klauseln gezahlter Entgelte dürfen nicht verjährt sein, bevor Verbraucher erkennen konnten, dass sie ein Recht auf Erstattung haben. Vor den neueren Urteilen gab es kaum Hinweise darauf, dass die Kontogebühren der Bausparkassen in der Sparphase unwirksam sein könnten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte noch 2015 das Gegenteil entschieden. Der Bundesgerichtshof hat bis heute nur Kontogebühren in der Darlehensphase abgelehnt und sich zu den Gebühren in der Sparphase nicht geäußert.
Erstattung bis zehn Jahre zurück
Nach Auffassung unserer Juristen und von Verbraucheranwälten beginnt die dreijährige Verjährungsfrist deshalb erst, nachdem Verbraucher von den aktuellen Urteilen zur Unwirksamkeit der Kontogebühren erfuhren – eventuell sogar erst nach einer klärenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Die Folge: Es gilt aktuell die Höchstfrist, nach der Forderungen unabhängig von der Kenntnis verjähren. Damit können Bausparer die Erstattung aller innerhalb der letzten zehn Jahren gezahlten Gebühren durchsetzen.
Unser Rat
- Gebühr ablehnen.
- Ihre Bausparkasse will die Tarifbedingungen ändern und ein Kontoentgelt einführen? Widersprechen Sie sofort!
- Debeka-Kunden.
- Die Bausparkasse muss die zu Unrecht abgebuchten Servicepauschalen erstatten. Sie tut das allerdings nur auf Anfrage, teilte sie der Stiftung Warentest mit. Sie müssen deshalb die Erstattung von der Bausparkasse fordern.
Landgericht Hannover untersagt Kontogebühr der LBS Nord
Auch die Landesbausparkasse (LBS) Nord durfte im Jahr 2018 kein Kontoentgelt einführen. Das hatte das Landgericht Hannover auf Antrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) entschieden. Die Bausparkasse hatte das Kontoentgelt von 18 Euro im Jahr in einem Rundschreiben angekündigt. Als Gegenleistung erbringe sie „alle Leistungen, die für die Verschaffung der Anwartschaft auf das zinssichere Bauspardarlehen erforderlich sind“. Die Richter kritisierten, dass die Bausparkasse mit der Gebühr allgemeine Betriebskosten auf den Kunden abwälze. Sie verpflichteten die Bausparkasse, alle betroffenen Kunden über die Unwirksamkeit der Vertragsänderung zu informieren – oder das zu Unrecht abgebuchte Geld gleich zu erstatten.
Landgericht Hannover, Urteil vom 08.11.2018
Aktenzeichen: 74 O 19/18
LBS Nord zieht Berufung zurück
Die LBS Nord ging gegen das Landgerichtsurteil in die Berufung, zog diese aber nach einem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Celle zurück. Die Richter hatten angekündigt, die Berufung als „offensichtlich unbegründet“ zurückzuweisen. Mit der Kontogebühr in der Ansparphase wälze die Bausparkasse ihre eigenen Aufwendungen unzulässig auf die Kunden ab.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 27.03.2019
Aktenzeichen: 3 U 3/19
Viele Bausparer betroffen
Der Streit um Kontogebühren und Servicepauschalen betrifft sehr viele Bausparer. In den vergangenen Jahren haben mehrere Bausparkassen jährliche Gebühren neu eingeführt oder erhöht. Fast alle neueren Tarife sehen von Anfang an ein jährliches Entgelt von 9 bis 30 Euro vor, das nach den jüngsten Gerichtsentscheidungen zum Thema ebenfalls unzulässig ist. Widersprechen kann sich auch hier lohnen. „Nach der Rechtsprechung war bisher nur klar, dass Bausparkassen keine Kontogebühren für ihre Bauspardarlehen verlangen dürfen“, sagt Jana Brockfeld, Rechtsreferentin beim vzbv. „Jetzt haben Gerichte entschieden, dass auch ein Kontoentgelt oder eine Servicepauschale in der Sparphase unzulässig ist.“
Viele Kassen verlangen Kontogebühren und Jahresentgelte
Mehrere Bausparkassen verlangen eine „Kontogebühr“ für die „bauspartechnische Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse“. Die meisten Landesbausparkassen erheben ein „Jahresentgelt“ für die „Verschaffung und Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf das Bauspardarlehen“. Die Formulierungen entsprechen fast wörtlich den Klauseln, die von den Richtern in Celle, Hannover und Koblenz für unwirksam erklärt wurden. Es spricht deshalb viel dafür, dass solche Gebühren generell unzulässig sind, nicht nur deren nachträgliche Einführung.
Tipp: Auf unserer Themenseite Bausparen finden Sie Informationen und Tests rund ums Bausparen.
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- Bausparkassen kündigen alte Verträge und verweigern Kunden den Zinsbonus. test.de stellt typische Bonusfallen vor und erklärt, wie Bausparer ihr Geld retten.
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- Für junge Leute von 16 bis 24 Jahren kann sich ein günstiger Bausparvertrag auch als reine Geldanlage lohnen. Aber nur mit der staatlichen Wohnungsbauprämie.
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- Kunden der Aachener Bausparkasse, deren Bausparvertrag 2017 wegen einer angeblichen „Störung der Geschäftsgrundlage“ gekündigt wurde, müssen sich bis zum Jahresende...
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@Stiftung_Warentest: Vielen Dank für Ihre ergänzenden Hinweise. Wie ich zwischenzeitlich überprüft habe, sind Umfang und Preis des Servicepakets in den -bei Vertragsabschluss geltenden- Allgemeinen Bausparbedingungen geregelt. Die aktuellen Urteile helfen deshalb leider nicht weiter. Auf die geplante Anrufung der Schlichtungsstelle werde ich deshalb verzichten..
Dass mir bisher schon 120,-- Euro für Leistungen berechnet wurden, von denen nicht absehbar ist, dass ich sie tatsächlich jemals in Anspruch nehmen werde, halte ich aber dennoch für völlig unangemessen.
@Luke3000: Eine Klausel, die Sonderleistungen für die Teilung, Zusammenlegung, Ermäßigung und Vertragsübertragung als Servicepaket während der Sparphase bepreist, ist tatsächlich etwas anderes als Klauseln zu Kontogebühren und Servicepauschalen.
Es ist fraglich, ob mit dieser Klausel nicht versucht wird, die Rechtsprechung zu umgehen. Denn die Kunden werden für Sonderleistungen zur Kasse gebeten, die sie gar nicht angefordert haben und die beim normalen Vertragsverlauf auch nicht in Anspruch genommen werden muss. Zur Frage der wirksamen Vereinbarung dieser Klausel gibt es noch keine Rechtsprechung.
Der von mir gestellte Erstattungsantrag ist von der BHW Bausparkasse mit folgender Begründung abgelehnt worden:
"Das Entgelt für das Servicepaket während der Sparphase ist u.E. nicht mit der in den oben genannten Entscheidungen behandelten Gebühr vergleichbar.
Das Servicepaket umfasst die Teilung, Zusammenlegung, Ermäßigung und Vertragsübertragung während der Sparphase. ... Bei diesen Leistungen handelt es sich um so genannte Sonderleistungen, welche nach der Rechtsprechung des BGH bepreist werden dürfen."
Auf mich wirkt diese Argumentation sehr konstruiert, weshalb ich die Schlichtungsstelle anrufen werde.
@Iceman90: Nein, der Hinweis auf den Anfall der Servicepauschale beim Vertragsabschluss allein verwandelt eine unwirksamen Preisklausel nicht in eine wirksame Preisklausel.
Will sich die Bausparkasse darauf berufen, dass das Entgelt mit dem Bausparkunden individuell vereinbart wurde, müsste der Anfall, bzw. die Höhe der Gebühren wirklich zwischen Kunde und Bausparkasse verhandelbar gewesen sein. Das ist in der Regel nie der Fall, denn die Bausparkassen geben diese Gebühren in einer Vielzahl von Kunden vor.
Hallo,
sind die Gebühren rechtens, wenn auf diese bei Vertragsabschluss hingewiesen wird?