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Ob bis ins hohe Alter oder mit kleinem Kind: Da ist Komfort in der Wohnung wichtig. Wir haben geprüft, was Wohnberater vorschlagen. Es muss nicht gleich ein Umbau sein. Schon kleine Veränderungen bewirken viel.
Sie war geschockt. Erika Peters* wollte nur wissen, was sie tun kann, um möglichst lange in ihrer Mietwohnung zubleiben. „Sie sollten umziehen“, empfahl die Wohnberaterin als Erstes. Frau Peters liebt ihr Viertel. Die Rentnerin ist fit und aktiv, sie geht einkaufen und besucht Bekannte. Doch sie hat eine Oberschenkelprothese, dadurch läuft sie schlecht. Das macht ihr Leben schwieriger, auch zuhause.
Wie Erika Peters geht es vielen. Der Bedarf an barrierefreien Wohnungen in Deutschland liegt allein für Menschen mit Problemen in der Beweglichkeit bei 2,5 Millionen, ergab eine Studie des Kuratoriums Deutsche Altershilfe. Von 11 Millionen Seniorenhaushalten sind gerade mal rund 5 Prozent barrierefrei. Neubauten allein können diesen Bedarf nicht decken.
Die Lösung: Wohnungen müssen möglichst barrierefrei, sicher und komfortabel gestaltet werden. Fachleute nennen das Wohnungsanpassung und bieten professionelle Hilfe: Wohnberater von Vereinen, Verbänden oder der Gemeinde helfen, Stolperfallen in der Wohnung zu entdecken und zu beseitigen. Das bedeutet nicht gleich Umbau. In der Praxis machen bauliche Maßnahmen nur etwa ein Drittel aus. Schon Hilfsmittel wie Haltegriff oder Duschhocker und einfache Veränderungen in der Ausstattung sorgen für große Wirkung. Erhöhte Sitzmöbel erleichtern zum Beispiel das Aufstehen, Bewegungsmelder steigern die Sicherheit im Dunkeln.
Diese Dinge kosten nicht viel. Sie ermöglichen Älteren aber, länger aktiv und selbstständig zu wohnen. Ein barrierefreies Zuhause wissen aber auch Jüngere zu schätzen – etwa Familien mit Kindern.
Was ist zu tun, um die Wohnung komfortabler zu gestalten? Wir zeigen auf den folgenden Seiten einige Hindernisse und mögliche Lösungen. Lohnt es sich, Wohnberater um Tipps zu bitten? Das haben wir am Beispiel der Mietwohnung von Erika Peters geprüft, aber auch im Eigenheim der Familie Michels*. Zwei Erkenntnisse der exemplarischen Tests: Die Berater konnten den Testern erfolgreich die Augen für Barrieren öffnen. Sie gingen aber eher auf bauliche Probleme ein, einfache Ausstattungsänderungen hatten sie wenig im Blick.
Umzug war der erste Rat
Erika Peters erklärte sich sofort bereit, als wir Tester für Wohnberatungen suchten. Dreimal ließ sie sich in unserem Auftrag beraten – von einem Mitarbeiter eines Wohlfahrtsverbandes, einem Vertreter einer kommunalen Beratungsstelle und einem selbstständigen Architekten.
Trotz der Oberschenkelprothese möchte Erika Peters weiter bequem in ihrer Wohnung leben. Die aber liegt im sechsten Stock und der Aufzug ist nur über einige Treppenstufen zu erreichen. Zwei Berater waren überzeugt: Ein Umzug ist für Frau Peters am sinnvollsten. Eine Beraterin stieß sie damit bereits im Hausflur vor den Kopf. Damit war die Vertrauensbasis für das Gespräch sofort erschüttert.
Kleine Maßnahmen, große Wirkung
Auch in der Wohnung wich die Beraterin nicht mehr von ihrer Einschätzung ab. Nur im Bad gab sie Frau Peters Hinweise, wie sich der Raum barrierefreier gestalten ließe. In Küche und Schlafzimmer fragte sie stets: „Ist Umzug nicht die bessere Variante?“ Auch wenn sie einen Umzug favorisierte, so hätte die Beraterin doch auf kleine Maßnahmen hinweisen können. Zum Beispiel auf Frau Peters Lieblingssessel. Mit Holzfüßen ließe sich das Möbelstück erhöhen – und das Aufstehen erheblich erleichtern. Auch Hilfsmittel kamen zu kurz. Die Kranken- oder Pflegekasse trägt die Kosten vieler Hilfsmittel, Versicherte müssen nur zwischen 5 bis 25 Euro zuzahlen.
Die beiden anderen Berater gaben Frau Peters dagegen hilfreiche Tipps – etwa, dass sich mit einer Rampe von innen die Schwelle am Balkon überwinden lässt.
„Mit kleinen Maßnahmen große Wirkung erzielen“ – so sollte das Motto jeder Wohnberatung lauten, empfiehlt Susanne Tyll. Sie ist Fachexpertin der Wohnberatung in Nordrhein-Westfalen und schult Wohnberater in Seminaren. „Das fängt schon beim Platzschaffen an. Viele Menschen merken gar nicht, wie sie sich durch zu voll gestellte Wohnungen in der Bewegung einschränken. Mehr Platz verbessert die Lebensqualität“, weiß die Expertin.
Zwei Stockwerke im Eigenheim
Auch das Ehepaar Michels öffnete drei Beratern für uns seine Tür. Anders als Erika Peters leben die Michels in einem Eigenheim. Das Haus hat zwei Stockwerke und einen Keller. Auch vor der Haustür sind mehrere Treppenstufen zu überwinden. Noch bereitet ihnen das kein Problem. Die beiden sind Mitte sechzig, gesund und aktiv. Doch sie wollen für die Zukunft vorsorgen.
Der Hauseingang war für alle Berater ein wichtiges Thema, ihre Lösungsvorschläge waren vielseitig. Das Paar könnte den Eingang auf die Terrassenseite verlegen oder eine Treppensteighilfe anschaffen. Auch fürs Wohnzimmer machten die Experten gute Vorschläge. So könnte der Raum geteilt werden, sollte das Paar die obere Etage in Zukunft nicht mehr erreichen können.
Keinen Raum besichtigt
Einen Reinfall erlebte allerdings auch Familie Michels. Eines der Gespräche fand quasi nur am Küchentisch statt. Die Beraterin besichtigte keinen weiteren Raum, auch nicht auf Nachfrage unserer Tester. Das sei nicht nötig, erklärte sie am Esstisch sitzend. Sie empfahl Hilfsmittel, ohne zu erklären, was sich dahinter verbirgt. Für nähere Informationen sollten sich die Michels selbst im Internet schlau machen.
Nicht auf Notsituation warten
Sich wie die Michels schon vorsorglich mit der Barrierefreiheit der eigenen Wohnung auseinanderzusetzen, ist auch in jungen Jahren empfehlenswert. Mit schweren Einkaufstüten bepackt oder einen Kinderwagen schiebend, ist jede abgebaute Barriere eine Erleichterung. Außerdem können auch Unfälle oder Krankheiten bereits junge Menschen zeitweilig oder dauerhaft einschränken. Da ist Komfort gefragt.
„Wer sich präventiv mit seiner Wohnung oder seinem Haus beschäftigt, muss nicht aus einer akuten Notsituation heraus Entscheidungen treffen“, sagt Wohnexpertin Tyll. „Steht zum Beispiel die Renovierung des Badezimmers an, können in dem Raum auch gleich rutschhemmende Fliesen verlegt oder die Tür verbreitert werden. Es ist ratsam, die Zukunft im Blick zu haben.“ Jede Art der Veränderung fällt in jüngeren Jahren leichter. Mit dem Alter steigt die emotionale Bindung an das vertraute Zuhause deutlich an.
Supermarkt und Arzt in der Nähe
Nicht nur die Wohnung, auch das Wohnumfeld sollte ein guter Wohnberater im Blick haben. Wo sind Einkaufsmöglichkeiten, wie nah wohnen die Freunde? Eine noch so barrierefreie Wohnung hilft wenig, wenn der nächste Supermarkt, wichtige Ärzte, der öffentliche Nahverkehr, Bekannte und Familie schwer zu erreichen sind. Anders betrachtet kann ein gut funktionierendes Netzwerk manche Barriere auch kleiner werden lassen, etwa wenn eine Nachbarin beim Einkaufen hilft.
Wer praktische Tipps sucht, kann sich an eine der bundesweit mehr als 250 Wohnberatungsstellen wenden. Allerdings befinden sich allein mehr als 100 davon in Nordrhein-Westfalen, Dort ist das Angebot so stark ausgeprägt, weil das Land die Wohnberatung frühzeitig gefördert hat.
Viele beraten kostenlos
Städte und Gemeinden, Wohlfahrtsverbände und Vereine sind Träger von solchen Beratungsstellen. Die Mitarbeiter von reinen Wohnberatungsstellen oder von Pflegeberatungsstellen beraten kostenlos und unabhängig. Größere Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften bieten ihren Mietern Beratung an. Auch bei Selbstständigen können sich Ratsuchende informieren. Teilweise ist die erste Beratung auch bei Architekt und Handwerker kostenlos, weil sie oft für einen Umbau engagiert werden wollen. Bei Umbaumaßnahmen muss der Betroffene oft viel Geld in die Hand nehmen. Verschiedene Kostenträger bieten aber finanzielle Unterstützung an (siehe „Kredit und Zuschuss“).
Tipp: Über Wohnberatungsstellen in Ihrer Region können Sie sich bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung unter www.wohnungsanpassung-bag.de informieren, beim Sozialamt, bei Bürgerämtern oder auch Behindertenverbänden.
Beratung wie aus einer Broschüre
Egal ob Schlafzimmer, Küche oder Bad – eine Musterlösung für alle gibt es nicht. Jede Wohnung ist anders, auch ihre Bewohner sind verschieden. „In einer Wohnberatung geht es nicht darum, die Wohnung pauschal anzupassen, sondern darum, individuelle Lösungen gemeinsam zu finden“, sagt Tyll. Bei unseren Testberatungen kam neben einfach umsetzbaren Maßnahmen auch die persönliche Situation oft zu kurz. Stattdessen gab es zu viele allgemeine Empfehlungen – wie aus einer Informationsbroschüre. Damit die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen nicht auf der Strecke bleiben, sollten sich Ratsuchende auf eine Wohnberatung vorbereiten und hartnäckig nachfragen (siehe Checkliste).
Fazit: In unserer Stichprobe enttäuschten zwar zwei von sechs Wohnberatern. Die anderen haben unsere Tester aber durchaus motiviert, etwas in ihrer Wohnung zu ändern. Der Rat eines Außenstehenden hat meist mehr Gewicht als der von Freunden oder der Familie. Und Experten haben obendrein das Wissen, auch versteckte Stolperfallen zu entdecken.
*Name von der Redaktion geändert.
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