
Professor Thomas Hartmann-Wendels ist Direktor am Institut für Bankwirtschaft und Bankrecht an der Universität zu Köln. © Jürgen Schulzki
Wirtschaftsprofessor Thomas Hartmann-Wendels erklärt, warum Banken empfindliche Systeme sind und die Aufsicht sie nicht in den Griff bekommt.
Wenn man sich die letzten Wochen anschaut, scheinen Banken überraschend fragile Systeme zu sein. Warum reicht etwas Vertrauensverlust aus, um große Banken innerhalb weniger Tage zum Einsturz zu bringen?
Banken leben ganz entscheidend vom Vertrauen – dem Vertrauen darauf, dass die Bank weiter zahlungsfähig bleibt. Ist dieses Vertrauen weg, kommt es zu einem kurzfristigen, massiven Abzug von Einlagen. Das kann keine Bank überleben, wenn sie nicht von Zentralbanken oder anderen Banken unterstützt wird. Dieses Misstrauen springt dann schnell von einer zur anderen Bank über. Sparerinnen und Sparer fragen sich, wo Risiken sind, die sie bisher nicht auf dem Schirm hatten und ziehen ihr Geld ab. Das kann sich schnell zu einer systemischen Krise ausweiten.
Nach der Finanzkrise sollte die Regulierung international so gestaltet werden, dass Banken nicht mehr mit Steuergeldern gerettet werden. Das hat bei der Credit Suisse nicht geklappt. Was ist schiefgelaufen?
Diese großen Banken bekommen sie als Bankenaufsicht nicht richtig in den Griff. Bei der Credit Suisse gab es eine jahrelange Abfolge von Skandalen und Fehlentscheidungen. Natürlich mahnt die Aufsicht an und wird zustimmende Kommentare der Bank hören. Droht sie aber einer großen Bank, den Laden zu schließen, löst sie das aus, was sie eigentlich verhindern wollte: Die Einleger werden nervös, ziehen massenhaft ihr Geld ab und die Bank rutscht in die Zahlungsunfähigkeit. Es würde schon reichen, wenn sie aufgrund bestimmter Probleme mehr Eigenkapital von der Bank fordert. Das wird am Markt als Signal interpretiert, dass da was nicht stimmt. Da hat die Aufsicht wenig Chancen.
Hat man also in der Zeit nach der Finanzkrise verschlafen, mehr für die Stabilität der Banken zu tun?
Die regulatorischen Vorschriften sind massiv verschärft worden, es gibt höhere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen. Auch wie die Bankenaufsicht die Banken kontrolliert, ist strenger geworden. Aber egal wie hoch sie die Eigenkapitalforderung setzen: Wenn die Sparer unruhig werden und um ihre Einlagen fürchten, dann wird das alles nichts ausrichten können. Bankkunden wissen im Zweifel sowieso nicht, was haftendes Eigenkapital ist oder können einschätzen, ob 12 oder 14 Prozent genug sind. Wenn private und institutionelle Anleger ihre Einlagen in der Schnelligkeit abziehen, wie wir das jetzt erlebt haben, taumelt jede Bank.
Aus der UBS und der Credit Suisse ist in der Schweiz jetzt eine richtige Riesenbank geworden. Wie will man die denn bei Problemen in den Griff bekommen?
Gar nicht. Die Bankenaufsicht hat da ein sehr begrenztes Drohpotenzial. Wie gesagt: Angenommen sie sehen Fehlentwicklungen und schreiten ein. Sobald das am Markt bekannt wird, ist die Gefahr groß, dass sie damit den Bank Run auslösen, den sie verhindern wollten. Mit einer noch größeren UBS ist auch das Problem noch größer geworden.
Wäre die deutsche Aufsicht strenger, würde man hier also keine Bank mehr mit Steuergeldern retten?
Es gibt mittlerweile einen Bankenabwicklungsfonds und Banken müssen Notfallpläne für den Fall einer Schieflage erstellen. Darin ist genau festgelegt, was zu tun ist, welche Bereiche abgetrennt und verkauft werden können. Ich glaube aber: Wenn es hart auf hart kommt, nützt das nichts. Bei diesem europäischen Abwicklungsmechanismus sind mehrere Institutionen involviert, da muss in Hoheitsrechte der Staaten eingegriffen werden, das dauert zu lange.
Will die Aufsicht übers Wochenende Vertrauen wiederherstellen, eine internationale Finanzkrise verhindern und eine solide Auffanglösung schaffen, wird das immer mit staatlicher Hilfe verbunden sein. Keine andere Bank würde diese enormen Risiken einfach so übernehmen. Man kann in der Kürze der Zeit nicht solide überprüfen, ob noch irgendwo Altlasten schlummern.
Die taumelnden Banken hatten vor allem große Geschäftskunden, die häufig mehr Geld auf ihren Konten hatten als die Einlagensicherung abdeckt. Macht das typische Sparerbanken in Europa etwas sicherer, wenn dort mehr Geld liegt, dass von der Einlagensicherung abgedeckt ist?
Ich denke schon. Die Einlagensicherung wird für die meisten Sparer völlig ausreichend sein. Das beruhigt. Trotzdem: Wenn es zu Schieflagen kommt, wird wieder der Bundeskanzler mit dem Finanzminister vor die Presse treten und sagen: „Wir garantieren für alles“. Denn die Banken leben von diesem Vertrauen, auch wenn das Versprechen im Ernstfall gar nicht erfüllt werden kann.
Ein Problem der Silicon Valley Bank war, dass sie sehr viel Geld in länger laufende Staatsanleihen angelegt hatte. Das war nicht gut mit den kurzfristigen Einlagen ihrer Kunden abgestimmt. Als die Bank Liquidität brauchte und die Anleihen verkaufen musste, ging das wegen des Zinsanstiegs nur mit großen Verlusten. Besteht diese Gefahr bei deutschen Banken auch?
Das ist grundsätzlich für jede Bank ein Problem. Banken legen das Geld langfristig an, sei es als vergebene Kredite oder in Wertpapieren. Die Einlagenseite ist hingegen eher kurzfristig ausgerichtet. Das ist das typische Geschäftsmodell von Banken. Sie bekommen jetzt Probleme, weil ihre Anlagen aus der Vergangenheit nur wenig Zinserträge haben und sie den Kunden langsam höhere Zinsen bieten müssen. Bisher haben sie häufig nur bei Krediten die Zinsen stärker angehoben, das war natürlich gut für die Erträge. Viele Sparkassen in Ostdeutschland haben aber zum Beispiel viele Einlagen und wenig Kreditgeschäft, das wird sie in Zukunft belasten.
Achtet die Bankaufsicht auf solche Entwicklungen?
Ja, in einem Stresstest müssen Banken simulieren, was passieren würde, wenn die Zinsen um 2 Prozentpunkte steigen. Wenn ihre Verluste durch diesen Zinsanstieg eine bestimmte Höhe erreichen, gibt es zusätzliche Eigenkapitalanforderungen. Insofern werden die Banken da sensibilisiert. Und das ist für sie auch eine Erinnerung, sich gegen diese Risiken abzusichern.
Wir hatten jetzt allerdings einen Zinsanstieg von 3,75 Prozentpunkten, wenn auch nicht auf einen Schlag. Es kann sein, dass einzelne kleinere Banken es nicht so genau genommen haben mit der Absicherung und etwas Roulette gespielt haben. Aber das dürften nur Banken sein, die von anderen Instituten gut abgesichert sind. Gefahren für Anleger sehe ich da nicht.
Wenn Kunden sowieso nicht alle gleichzeitig an ihr Geld kommen können, macht es da eigentlich einen Unterschied, ob die Bank das Geld dem Staat geliehen hat oder dem Unternehmen nebenan?
Nein. Nur insofern, als dass Staatsanleihen liquider sind. Die können sie wenigstens schnell verkaufen – wenn auch unter Umständen nur mit Verlust wie bei der Silicon Valley Bank.
Es sollte nach der Finanzkrise weitere Maßnahmen geben, die im Gesetzgebungsverfahren stecken geblieben sind. Würde eine vollständige Bankenunion inklusive europäischer Einlagensicherung helfen?
Die europäische Einlagensicherung ist bisher immer am Widerstand von Deutschland gescheitert. Vor allem die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sind dagegen. Die haben ihre Institutssicherung, bei der ein Institut für das andere einspringt. Ihr Argument ist also, dass sie für fremde Risiken mithaften und in einen Topf einzahlen müssten, den sie nie in Anspruch nehmen würden.
Das ist vor allem ein Problem für kleinere Länder wie Österreich, da eine Versicherung natürlich am besten funktioniert, wenn ein großer Pool an Versicherten das Einzelrisiko absichert. In kleinen Ländern gibt es aber nicht so viele große Banken, die sich gegenseitig absichern können. Da würde ein größerer, europäischer Pool mehr Sicherheit bieten. Aber es ist ein schwieriges Thema: Es könnte natürlich Banken geben, die dann noch mehr Risiken eingehen, weil ein anderer später den Schaden trägt.
Angedacht war auch ein Trennbankensystem, bei dem das Investmentbanking abgespalten wird und die Banken dadurch kleiner werden.
Ja, das Trennbankensystem hat man nicht eingeführt und die Banken sind auch nicht deutlich kleiner geworden. Dabei wäre der Vorteil: Kleinere Banken kann man abwickeln, sie sind nicht so ein systemisches Risiko. Nur wird etwa die Sparkasse Leverkusen nie die Finanzbedürfnisse eines Bayer-Konzerns erfüllen können. Dafür braucht es große, internationale Banken. Sind die erfolgreich und werden gut gemanagt, wachsen sie und werden wieder zu einem Risiko, das man kaum in den Griff bekommt.
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@unentschieden: Wenn die depotführende Bank pleitegeht, können die Wertpapiere (ETF) zu einer anderen Depotbank übertragen werden. Es besteht ein sogenanntes Aussonderungsrecht. Wertpapiere können nicht physisch im Tresor gehalten werden.
Angenommen, ich hätte einen ETF im Wert von 1 Millionen € im Depot bei der Commerzbank, welches bekanntlich als Sondervermögen nicht zur Insolvenzmasse zählt und damit eigentlich sicher sein sollte - aber wie genau komme ich an die Wertpapiere im Falle einer Insolvenz der Commerzbank? Macht es in diesem Fall Sinn, die Wertpapiere *physisch* zu besitzen, also im Tresor als echtes Papier? Oder ist ein Zugriff von einer anderen Bank aus jederzeit möglich?
Kommentar vom Autor gelöscht.