Spektakulärer Erfolg für die Schutzgemeinschaft für Bankkunden: Der Bundesgerichtshof hat auf ihre Klage hin das in Bank- und Sparkassen-Bedingungen übliche Aufrechnungsverbot gekippt. Es benachteilige Verbraucher und sei daher unwirksam, urteilten die Bundesrichter. Gut für Kunden: Sie dürfen jetzt eigene Forderungen – etwa auf Erstattung rechtswidriger Gebühren – mit denen des Kreditinstituts verrechnen, ohne dass die Bank oder die Sparkasse etwas dagegen tun kann.
Das Kleingedruckte beschränkt Kunden
Rechtlicher Hintergrund: Wenn zwei Personen einander Geld schulden, dann kann jeder von ihnen die Aufrechnung erklären. Die wechselseitigen Forderungen erlöschen dann, soweit sie zuvor deckungsgleich waren. Anders läuft das bei Bank- und Sparkassenkunden: In den Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute steht stets ein Verbot einer solchen Aufrechnung. Beispiel aus dem Kleingedruckten der Stadt- und Kreissparkasse Erlangen: „Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.“
Klausel kommt beim Widerruf von Krediten zum Tragen
Gegen diese Regelung zog die Schutzgemeinschaft für Bankkunden vor Gericht. Sie sei für Kunden nicht durchschaubar und benachteilige sie, argumentierte Schutzgemeinschaftsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen. Der Bundesgerichtshof gab den Verbraucherschützern Recht und befand: Das Aufrechnungsverbot ist geeignet, Kreditkunden am Widerruf ihres Vertrags hindern.
Im Fall eines Widerrufs wird der Kreditvertrag aufgelöst und der Kunde muss den gesamten Kredit zurückzahlen. Wenn er seine Schuld dabei – wegen des Kleingedruckten – dann nicht mit eigenen Erstattungsansprüchen verrechnen dürfe, könne ihn das vom Widerruf abhalten.
Ausweg bei Verjährung
Praktische Bedeutung hat die Aufrechnung vor allem für Forderungen, die schon verjährt sind. Solche Forderungen können Bankkunden nämlich nicht mehr gerichtlich durchsetzen. Die Aufrechnung bleibt aber möglich. Einzige Bedingung: Die wechselseitigen Forderungen müssen sich bereits zu einem Zeitpunkt gegenüber gestanden haben, als sie noch nicht verjährt waren. Das heißt: Ein Kunde mit einer verjährten Forderung auf Erstattung von Kreditbearbeitungsgebühren zum Beispiel kann nicht sein Konto beim Kreditgeber überziehen und anschließend die Aufrechnung erklären. War er allerdings schon vor Eintritt der Verjährung mit mindestens einem seiner Forderung entsprechenden Betrag im Soll und blieb das anschließend auch durchgehend so, dann ist die Aufrechnung zulässig.
Chance im Streit um Kreditgebühren
Weitere wichtige Konstellation, in der die Aufrechnung zulässig ist: Der Bankkunde hat vor Ende der Verjährungsfrist für seinen von der Bank bestrittenen Erstattungsanspruch einen Kredit bei der gleichen Bank aufgenommen und zahlt noch die ursprünglich vereinbarten Raten. Er kann dann seine Forderung mit den noch zu zahlenden Raten verrechnen und muss diese dann nicht mehr bezahlen. Dazu gibt es allerdings noch keine Grundsatzurteile. Einzelne Juristen sind skeptisch.
Immerhin: Eine test.de-Leserin hat auf diese Weise verjährte Forderungen auf Erstattung von rechtswidrigen Kreditbearbeitungsgebühren und Kosten für die Schätzung des Werts der finanzierten Immobilie durchgesetzt. Die Bank hatte die Aufrechnung zunächst nicht akzeptiert, sie später aber vor Gericht anerkannt.
Im Zweifel zum Anwalt
Doch Vorsicht: Die Aufrechnung ist nicht für eine Rechtsdurchsetzung im Do-it-yourself-Verfahren geeignet. Sie kann auch Nachteile bringen. Allein sie korrekt zu erklären, ist je nach Konstellation ganz schön schwierig. Betroffene sollten im Zweifel einen Anwalt mit einschlägigen Erfahrungen im Bank- und Kapitalmarktrecht fragen, bevor sie sich ihrer Bank oder Sparkasse gegenüber äußern. Das dürfte sich oft lohnen. Beispiel: Der Kunde hat eine Forderung gegenüber der Bank, diese beruft sich aber auf Verjährung. Gleichzeitig hat der Kunde mit ihr vor Verjährung seiner eigenen Forderung einen Vertrag geschlossen, der ihn zu Zahlungen verpflichtet. Er kann dann seine eigene Forderung gegenüber der Bank trotz Verjährung mit der Forderung der Bank aufrechnen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.03.2018
Aktenzeichen: XI ZR 309/16
Verbrauchervertreter: Rechtsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen, Frankenberg
* Diese Meldung zum Thema ist am 27. Dezember 2015 auf test.de erschienen, nachdem das Urteil in der ersten Instanz gefallen war. Wir haben sie am 20. März 2018 aktualisiert, nachdem der Bundesgerichtshof sein Urteil verkündet hat.
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Nach Vorliegen der Gründe des Revisionsurteils steht nun fest, was die Pressemitteilung schon vermuten ließ:
Der BGH hat das Aufrechnungsverbot in den Sparkassen-AGB nur deshalb gekippt, weil es auch Forderungen des Verbrauchers aus einem Rückabwicklungsverhältnis nach Ausübung eines gesetzlichen Widerrufsrechts erfasst. Ob hingegen die von der "Schutzgemeinschaft für Bankkunden" vorgebrachten Argumente gegen die Wirksamkeit der Klausel stichhaltig sind, hat der BGH ausdrücklich offengelassen.
Während aktuell alle Aufrechnungsverbote in den AGB von Sparkassen und Banken (und weiteren Unternehmen) im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam sein werden, ist damit zu rechnen, dass die Klausel alsbald durch eine Bestimmung ersetzt wird, die den Vorgaben des BGH in dem aktuellen Urteil Rechnung trägt, also die genannten Rückabwicklungsansprüche vom Aufrechnungsverbot ausnimmt. Dann kann die Schutzgemeinschaft erneut überprüfen lassen, ob ihre Argumente tragen.
https://dejure.org/2018,5895
Auf die Revision der Schutzgemeinschaft für Bankkunden hin hat der Bundesgerichtshof die landgerichtliche Verurteile der Sparkasse wieder hergestellt. Die Aufrechnung zu verbieten bleibt verboten :-)
Mit urlaubsbedingter Verzögerung: Vielen Dank für den Hinweis! Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden zieht jetzt vor den Bundesgerichtshof. Ich werde die Meldung jetzt gleich entsprechend aktualisieren.
Das OLG Nürnberg hat auf die Berufung der Sparkasse hin mit Urteil vom 28.06.2016 - 3 U 2560/15 - das verbraucherfreundliche Urteil des LG Nürnberg-Fürth, über das test.de berichtet, aufgehoben und die Klage der Schutzgemeinschaft für Bankkunden abgewiesen.
Die Klausel in Nr. 11 AGB-Spk, wonach der Kunde Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen darf, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind, halte einer Inhaltskontrolle stand, weil sie weder gegen das Transparenzgebot verstoße, noch den Kunden sonst unangemessen benachteilige.
Das OLG Nürnberg hat in seinem Urteil die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen
Kommentar vom Autor gelöscht.