
Viele Bambusbecher setzen Schadstoffe frei oder versprechen zu viel © iStockphoto, Stiftung Warentest (M)
Jeder Deutsche verbraucht im Schnitt 34 Einwegbecher jährlich für Kaffee, Chai Latte & Co. Macht rund 2,8 Milliarden Becher und 40 000 Tonnen Müll – der oft genug in Parks oder auf der Straße landet. Sind Mehrwegbecher aus Bambus die Lösung? Anbieter preisen sie als biologisch abbaubar oder recycelbar an. Doch der Test von 12 Bambusbechern zeigt: Immer ist Kunststoff drin. Die meisten Becher enthalten zu viele Schadstoffe oder sind falsch deklariert – sie hätten nicht verkauft werden dürfen.
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Testergebnisse für 12 Bambusbecher 08/2019Liste der 12 getesteten Produkte
Bambus allein ergibt keinen Becher
„Bambusbecher“, „aus Bambusfasern“ oder „dieser Becher wurde aus umweltfreundlichen Bambusfasern hergestellt“. So steht es auf einigen der getesteten Trinkgefäße. Käufer bekommen den Eindruck, sie würden ein reines Naturprodukt erwerben. Tatsächlich bestehen die Coffee-to-go-Becher aus fein zermahlenen Bambusfasern. Doch das Pulver allein ergibt noch keinen Becher.
Unser Rat
Lassen Sie die Finger von Bambusbechern. Aus mehr als der Hälfte der getesteten Becher gehen sehr hohe Mengen Melamin ins Getränk über. Die übrigen Becher erwecken fast alle mit falschen Werbeversprechen den Eindruck, mit dem Kauf würden Nutzer ein reines Bambusprodukt erwerben oder der Umwelt einen Dienst erweisen. Verwenden Sie für Heißgetränke unterwegs Mehrwegbecher aus anderen Materialien als Bambus (Interview Ökobilanz von Einweg- und Mehrwegbechern).
Mit Formaldehyd und Melamin
Um in Form zu kommen, braucht das Bambusfaserpulver Klebstoff. Im Labor fanden wir in allen Bechern Melaminharz. Ein Kunststoff, der sich aus Formaldehyd und Melamin zusammensetzt. Grundsätzlich ist Melaminharz kein gefährlicher Stoff. Kindergeschirr besteht oft daraus und ist meist sicher. Solange der Kunststoff ordentlich verarbeitet ist und bestimmte Bedingungen beim Gebrauch eingehalten werden, etwa Temperaturen unter 70 Grad Celsius, gehen keine nennenswerten Schadstoffmengen in Lebensmittel über.
Video: Bambusbecher im Test
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Anders als die Kennzeichnung vieler Produkte verspricht, sind die Bambusbecher nicht recycelbar.
Heißes, leicht saures Getränk
Anders bei Kaffee. Der ist ja ein Heißgetränk. Im Labor füllten wir dreiprozentige Essigsäure in die Bambusbecher und hielten die Flüssigkeit zwei Stunden 70 Grad Celsius warm. So simulierten wir ein heißes, leicht saures Getränk wie Kaffee. Das machten wir pro Becher sieben Mal. Jeweils nach der dritten und siebten Befüllung bestimmten wir den Gehalt von Formaldehyd und Melamin in der Flüssigkeit.
Schadstoffe halten sich hartnäckig

Von wegen Anti-Stress. Sehr hohe Mengen Melamin gehen ins Getränk über. Der Stoff kann Blase und Nieren schädigen. © Manuel Krug
In vier der zwölf Becher fanden wir bereits nach der dritten Befüllung sehr hohe Gehalte von Melamin, in drei weiteren nach der siebten Befüllung. Auch Formaldehyd fanden wir in teils hohen Mengen in der Flüssigkeit. Die Analysen zeigen: Nicht nur zu Beginn der Nutzung gehen Schadstoffe über. Nach der siebten Migrationsprüfung lagen die Werte teilweise sogar noch höher. Die Schadstoffe verflüchtigen sich also nicht. Sie gelangen auch nach längerer Nutzung noch in die Getränke.
Potenziell gesundheitsgefährdend
Das ist nicht ohne: Melamin steht im Verdacht, Erkrankungen im Blasen- und Nierensystem zu verursachen. Formaldehyd kann Haut, Atemwege oder Augen reizen sowie beim Einatmen Krebs im Nase-Rachen-Raum verursachen.
Vorsicht, nicht in die Mikrowelle
Bambusbecher haben nichts in der Mikrowelle zu suchen. Beim Erhitzen auf hohe Temperaturen zersetzt sich das Bechermaterial, die Oberfläche wird zerstört. Entsprechend mehr Melamin und Formaldehyd wandern ins Getränk. Deswegen ist der Warnhinweis vor Benutzung der Mikrowelle so wichtig. Am Zuperzozial-Becher fehlt die Warnung komplett. Auf der Verpackung des Morgenhelds steht: „Hält Jahre, wenn er nicht fallen gelassen oder in die Mikrowelle gesteckt wird.“ Das ist keine Warnung, sondern ein Tipp für lange Lebensdauer. Beide Becher hätten nicht verkauft werden dürfen.
Verrottet auch in Jahren nicht
Der Morgenheld wirbt zusätzlich damit, „biologisch abbaubar“ zu sein. Pandoo schreibt auf der Verpackung: „Bambus ist ein natürlicher Rohstoff, der keinen nicht abbaubaren Abfall verursacht.“ Für reinen Bambus stimmt das natürlich. Doch der dickwandige kunststoffhaltige Becher wird auch in Jahren nicht auf dem Kompost verrotten. Selbst industrielle Kompostieranlagen zersetzen das Material nicht.
Deklaration führt in die Irre

© Stiftung Warentest
Missverständlich sind auch die Recyclingsymbole auf den Verpackungen der Becher von ppd und Rex London. Die Mischung aus dem Kunststoff Melaminharz und Bambusfasern lässt sich nicht in die ursprünglichen Komponenten aufteilen oder einschmelzen. Es bleibt nur energetisches Recycling – also Verbrennung. Das ist sicher nicht das, was umweltbewusste Käufer im Sinn haben, wenn sie auf den Verpackungen lesen „der umweltfreundliche Becher“ (Pandoo) oder „schont die Umwelt“ (Morgenheld).
Tipp: Reine Bambusprodukte wie Schüsseln oder Schneidebretter gibt es natürlich auch. Bei ihnen ist im Gegensatz zu den Bechern die Materialstruktur erkennbar.
[Update 29.7.2019]: Anbieter reagiert auf Test
Das Möbelhaus Ikea hat den Bambusbecher Mugg vorübergehend aus dem Verkauf genommen. Aus dem Becher gingen im Labor sehr hohe Mengen Melamin ins Prüflebensmittel über. Das Unternehmen erklärte gegenüber der Stiftung Warentest, das Produkt solle erneuten Prüfungen und Untersuchungen unterzogen werden. [Ende Update]
[Update 31.7.2019]: vzbv fordert Verbot von Bambusbechern
Als Reaktion auf den Test fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein Verbot von Bambusbechern mit Kunststoffanteil. Klaus Müller, Vorstand des vzbv, sagte: „Der Gesundheitsschutz der Verbraucherinnen und Verbraucher muss an oberster Stelle stehen. Bambusbecher, die laut Stiftung Warentest zu hohe Mengen an Schadstoffen freisetzen, müssen sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Es ist nicht das erste Mal, dass Bambuskaffeebecher negativ auffallen. Für Heißgetränke ist Bambusgeschirr mit Kunststoffanteilen offenbar grundsätzlich nicht geeignet. Die Bundesregierung muss für diese Produkte deshalb sofort ein Verbot erlassen.“ [Ende Update]
[Update 28.11.2019]: BfR warnt vor heißen Getränken und Speisen in Bambusgeschirr
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bestätigt die Testergebnisse der Stiftung Warentest und warnt vor der Nutzung von Bambusgeschirr für heiße Getränke und Speisen. Bei höheren Temperaturen können gesundheitlich bedenkliche Mengen an Melamin und Formaldehyd aus dem Geschirr in Lebensmittel übergehen. Dies ergab die toxikologische Bewertung von Daten der Landesüberwachungsbehörden sowie eigener Daten durch das BfR. „Und die Kunststoffgegenstände sind noch aus einem weiteren Grund nicht für heiße Flüssigkeiten wie Kaffee, Tee oder Babyfolgenahrung geeignet“, sagte BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. Denn neben den hohen Freisetzungsmengen an Formaldehyd und Melamin zeigten Langzeittests des BfR, dass der Kunststoff im Kontakt mit heißen Flüssigkeiten angegriffen wird. Häufig löst sich aus Bambusware sogar mehr gesundheitsschädliches Formaldehyd und Melamin als aus herkömmlichen Melaminharz-Bechern, so Hensel weiter. Gesundheitliche Richtwerte waren im Einzelfall bis zu 120-fach überschritten. Für kalte oder lauwarme Lebensmittel ist Geschirr aus reinem Melamin-Formaldehyd-Harz hingegen gut geeignet. [Ende Update]
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- Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnt vor potenziell gesundheitsschädlichem Kunststoffgeschirr und To-Go-Artikeln mit Bambus-, Reis- oder Weizenfasern.
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- Die Stiftung Warentest prüft laufend Smartphones und Tablets. Aber was ist, wenn so ein Gerät mal kaputtgeht? Wie leicht lässt es sich reparieren? Gibt es...
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- Mehr als 100 Kilogramm Verpackungsmüll verursacht jeder Bundesbürger jährlich. Ina Bockholt, Redakteurin bei test, ärgert sich über ihren täglichen Beitrag dazu. Sie...
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Kommentarliste
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@TL2020: Niemand geht davon aus, dass das Getränk im tatsächlichen Leben zwei Stunden mit genau 70 Grad im Bambusbecher verweilt. Die Verordnung hat diesen Prüfaufbau für das Labor definiert, um die Prüfzeit auf ein durchführbares Maß zu reduzieren, ein Zeitraffer. Damit soll der Effekt nachgebildet werden, der bei regelmäßiger Benutzung über einen längeren Zeitraum eintritt. Die vorgegebene Zeit und Temperatur sind dabei als Mittelwert anzusehen. In der Realität füllen Sie vermutlich heißere Getränke ein, die nach kurzer Zeit unter 70 Grad abkühlen. Eine Beispielrechnung: Wenn Sie den Becher täglich benutzen und er nur fünf Minuten eine Flüssigkeit heißer als 70 Grad enthält, dann sind Sie schon nach 24 Tagen bei den im Labor angewendeten zwei Stunden. Das ist keine harte Prüfung. Trotzdem haben die Messungen gezeigt, dass die Becher sehr unterschiedlich darauf reagieren. Neben den sieben Bechern mit sehr hoher Schadstoffmigration gab es fünf Becher, in denen kaum Schadstoffe ins Prüflebensmittel übergingen. Die Methode macht also Unterschiede in der Qualität deutlich. (SG/MK)
Vielleicht müßen Bambus-Becher Hersteller andere, 100% gesunde, Klebestoffen benutzen. Aber wann wird man für solche Teste mal endlich in realistische Umstände testen? Kaffee bleibt höchstens einige Minuten warm in einem Becher und wird sehr schnell kälter als 70°C. An 70°C kann man nichts drinken ohne sich zu verbrennen. Auch mit Papier werden Klebestoffen und Coatings benutzt und Plastic Becher will mann jedenfalls nicht mehr. Nur noch Becher aus Glass (?!), oder vielleicht aus unseren Hände trinken?!
@bahiagelb: Da wir Becher aus Edelstahl noch nicht untersucht haben, können wir leider keine bewertende Auskunft beisteuern. Ihren Kommentar nehmen wir gerne als Testanregung auf und leiten sie an das zuständige Untersuchungsteam weiter. (Se)
Mein Becher ist außen aus Bambus, Melamin, Formaldehyd und innen ist ein Edelstahleinsatz. Kann ich ihn bedenkenlos verwenden?
@test8803102611: In unserer Untersuchung haben wir 12 exemplarisch ausgewählte Mehrwegbecher unter die Lupe genommen, die ausloben, Bambus zu enthalten. Mehrwegbecher aus anderen Materialien haben wir nicht getestet und können dazu keine Einschätzung geben. (spl)