Balsamico im Test Große Unterschiede in Preis und Geschmack

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Balsamico im Test - Große Unterschiede in Preis und Geschmack

Verfeinert ungemein – guter Balsamico Essig, hier­zulande auch Balsam-Essig genannt. © Getty Images

Die Essig­spezialität aus Modena kann die Küche auf vielfältige Weise bereichern. Doch zwischen den 27 Produkten im Test liegen Welten – preislich wie geschmack­lich.

Balsamico im Test Testergebnisse für 27 Bal­samico 03/2020

Unglaublich, aber wahr: Um das 60-Fache unterscheiden sich die Preise für Balsamico im Test. Knapp 2 Euro pro Liter kostet er im Supermarkt, etwa bei Aldi und Kauf­land. 52 bis 120 Euro verlangen die bekannten italienischen Hersteller Cremonini und Giusti für ihre Ware. Wie viel also muss man für einen guten Tropfen zahlen?

19 dunkle „Aceto Balsamico di Modena“ haben wir aufwendig untersucht. Alle tragen das EU-Siegel „geschützte geografische Angabe“, sind also eine Spezialität aus den Provinzen Modena und Reggio Emilia. Für sie gelten besondere Qualitäts­kriterien. Wir prüften auch 8 „Condimento Bianco“, helle Balsam­essige aus weißen Trauben.

Unser Rat

Unter den dunklen Balsam­essigen sind drei im Geschmack top. Am erschwing­lichsten für 18 Euro pro Liter ist der Bio-Balsamico von Rapunzel. Deutlich teurer, aber am intensivsten: Giuseppe Cremonini für 52 Euro und Giuseppe Giusti für 120 Euro je Liter. Für eine Vinaigrette reichen güns­tigere Gute, etwa von Kauf­land und Aldi Süd (je 1,98 Euro). Biohändler Alnatura bietet sowohl einen guten dunklen als auch einen guten hellen Balsam­essig für je 5,40 Euro pro Liter.

Die Anwendung zählt

Balsamico im Test - Große Unterschiede in Preis und Geschmack

Krönung für Caprese-Salat, Rinderrü­cken, Eis mit Erdbeeren. Balsamico passt zu sehr unterschiedlichen Gerichten. © ddp / FoodCentrale / Reda&Co, PicturePress / H.LEITNER, Stockfood / seasons.agency / Gräfe & Unzer Verlag / Jana Liebenstein (M)

Die Antwort: Guter Balsamico muss nicht teuer sein, doch exzellenter Geschmack kostet extra. Nicht der Preis, sondern der Anwendungs­zweck führt zum passenden Produkt. Wer eine Vinaigrette anrühren möchte, kann ruhig einen Güns­tigen nehmen. Wer Speisen das gewisse Etwas verleihen will, braucht einen stark Aromatischen (Balsamico-Sorten).

Gute, Befriedigende, Ausreichende

Zwischen den 27 Kandidaten liegen vor allem sensorisch Welten. Wir fanden elf Gute, darunter die teuren von Cremonini und Giusti sowie die güns­tigen von Aldi Nord, Aldi Süd und Kauf­land. Den Giusti kauf­ten wir bei Oil & Vinegar, den Cremonini bei Kauf­land, beide sind zudem online erhältlich. Auch gut: die Balsamici von Rapunzel, Alnatura, Mazzetti Barrique und Kühne für 5,40 Euro bis 36 Euro pro Liter. Unter den hellen schneiden Alnatura und Mazzetti noch gut ab. Der Rest ist Stan­dard­ware.

Traumnote 1,0 in der Verkostung

Balsamico im Test - Große Unterschiede in Preis und Geschmack

Die Besten in der Verkostung. Diese drei sind in Geschmack und Mund­gefühl sehr gut. © Stiftung Warentest / Ralph Kaiser

Balsamico ist nicht irgend­ein Wein­essig. Ihm wird konzentrierter Traubenmost zugesetzt. Wie wichtig diese Zutat ist, zeigen die Produkte von Giuseppe Cremonini und Giuseppe Giusti. Beide erreichen in der Verkostung die Traumnote 1,0. Sie sind besonders körperreich, aromatisch, mit ausgewogener Säure und Süße. Ihr Geheimnis: viel Traubenmost und eine lange Reife­zeit. Pro 0,25-Liter-Fläsch­chen müssen Kunden für sie 13 und 30 Euro zahlen.

Schon 1605 sollen die Giusti die Herzöge von Modena beliefert haben. Familie Cremonini, von Haus aus Metzger, gründete ihre Essig­kelterei hingegen erst 2007. Mit Stan­dard-Balsamico sind ihre Tropfen nicht gleich­zusetzen. Und doch heißen alle laut EU-Recht Aceto Balsamico di Modena.

Wie kann das sein? Die EU stellt keine hohen Ansprüche an die sensorischen Eigenschaften, auch nicht an den Traubenmost­anteil. Selbst die güns­tigen Essige von Aldi und Kauf­land erfüllen Mindest­anforderungen. Sie basieren auf wenig Traubenmost, sind aber sensorisch fehler­frei und deshalb gut. „Aus Verbrauchersicht wäre es wünschens­wert, wenn es verschiedene Klassifizierungen gäbe, ähnlich wie bei Wein“, sagt Lebens­mittel­chemiker Jochen Wettach, der diesen Test geleitet hat.

60 Tage Mindest­reife­zeit

Immerhin: Die Kriterien der EU stellen sicher, dass die Spezialität aus Modena nicht verfälscht wird. Sieben Rebsorten sind dafür zugelassen, darunter Lambrusco. Der aus ihnen gekochte oder einge­dickte Most­anteil muss mindestens 20 Prozent betragen, zugefügt werden mindestens 10 Prozent Wein­essig und zehn Jahre alter Essig.

Die Mischung lagert in Holz­fässern, mindestens 60 Tage. Die Herstellung muss „im ursprüng­lichen geografischen Gebiet“, den Provinzen Modena oder Reggio Emilia, ablaufen. So schreibt es die EU seit 2009 vor.

Aufregung um den „großen Bluff“

Wie viel Stolz und Ehre Italien mit seinen kulinarischen Schätzen verbindet, zeigten Reaktionen auf unseren Balsamico-Test im Jahr 2011. Damals titelten wir: Der große Bluff. Neun Produkte erfüllten die Anforderungen nicht und waren mangelhaft. In einigen wiesen wir Essig­säure aus Zuckerrübe nach, darunter Giusti. Uns erreichte Miss­mut und Unver­ständnis, selbst das italienische Land­wirt­schafts­ministerium beschäftigte sich mit dem Test.

Heute bessere Qualität als 2011

„Am kompliziertesten ist zu über­prüfen, ob Essig und Zucker tatsäch­lich nur aus Trauben stammen“, sagt Testleiter Jochen Wettach. „Dafür wenden wir die Isotopen­analyse an.“ Sie kann die Menge an leichten und schweren Kohlen­stoff- und Wasser­stoffisotopen von Pflanzen messen, so Traube von Zuckerrübe unterscheiden.

Im Vergleich zum Test 2011 hat sich die Qualität verbessert. Diesmal fanden wir keine Hinweise, dass Essig und Zucker nicht aus Trauben stammen. Auch Vorgaben wie den Mindest­säuregehalt von 6 Prozent halten alle Dunklen ein. Keiner nennt sich zu Unrecht „Aceto Balsamico di Modena“.

Drei Weiße enttäuschen

Für Bianchi gibt es deutlich weniger Anforderungen als für dunklen Balsam­essig. Um sie vergleichen zu können, prüften wir ihre Zusammenset­zung nach identischen Kriterien. Most wird für Bianchi bei nied­riger Temperatur konzentriert und mit Weiß­wein­essig versetzt. So entsteht heller, nicht ganz so saurer Essig. Im Test über­zeugte keiner voll­ends im Geschmack oder der Zusammenset­zung. Verlierer sind die güns­tigen von Edeka, Lidl und Penny. Grund: ihr Traubenmost­anteil. Ihn können wir auf zwei Wegen berechnen: über den Zucker­gehalt und über die Analyse weiterer, most­typischer Stoffe. Letztere ergab: Die drei enthalten etwa auffällig wenig Weinsäure – und folg­lich wenig Traubenmost.

Wohl­gehütetes Allheil­mittel

Dunkler Balsamico soll eine tiefbraune, klar leuchtende Farbe haben. Die meisten im Test erreichen das ohne Hilfs­mittel – außer Hengs­tenberg, Kühne, Mazzetti Tino Tipico, Penny und beide Produkte von Rewe. Ihnen wurde der Farb­stoff Zuckerkulör zugesetzt. Das ist erlaubt, aber unnötig.

Schon vor Jahr­hunderten wurde in und um Modena Balsam­essig hergestellt, ganz ohne Farb­stoffe. Alten Quellen zufolge kamen nur Herzöge und Patrizier­familien in seinen Genuss. Ihre Rezepte, basierend auf Wein­essig, Most, Gewürzen wie Süßholz und Zimt, hüteten sie wie einen Schatz.

Dem Wein­essig gab die Elite den Zusatz „balsamico“, was Balsam oder Linderung bedeutet. Er galt als Allheil­mittel – bei Hals­schmerzen, Husten, Atem- oder Verdauungs­beschwerden. Balsamisch könnte auch im Sinne von duftend, wohl­riechend oder schmack­haft verstanden werden.

Tradizionale, eine eigene Kategorie

Der Balsam von einst ist am ehesten mit traditionell hergestelltem Balsamico vergleich­bar, dem „Tradizionale“. 100 Milliliter der Rarität kosten mindestens 50 Euro. Er muss zwölf Jahre reifen – meist auf Dachböden von Familien, die ihn seit Generationen pflegen. Bei uns hat er keine Markt­bedeutung, im Test ist er darum nicht vertreten. Neugierige können ihn im Fein­kost­laden oder übers Internet beziehen und probieren, ob er für sie Balsam ist.

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38 Kommentare Diskutieren Sie mit

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H1berg am 27.02.2020 um 02:32 Uhr
"Test"- Leserin seit Jahrzehnten

Seit mehreren Jahrzehnten verlasse ich mich auf ihre Test-Ergebnisse. Ich bin ie enttäuscht worden. Danke!

Profilbild Stiftung_Warentest am 26.02.2020 um 17:53 Uhr
Verlinkung

Aufgrund eines technischen Problems war das aktuelle PDF heute vorübergehend nicht erreichbar. Wir bitten dies zu entschuldigen. (SL)

zypressede am 26.02.2020 um 12:05 Uhr
@ Bodenseepferd--

Dieser Beitrag ist klasse.
Ich kann AUCH selbst entscheiden, was ich aus dem NEUTRALEN und UNABHÄNGIGEN Tests für mich als wichtig entnehme und danach einkaufen. Und übrigens habe ich einen Tunnelblick. Ob andre den super teuren Balsamico Aceto Gusto nehmen oder den von Lidl..o.a., ist mir selbst schnurz...ich muss Produkt genießen können.und mich daran erfreuen! Nur wenn es objektive Beiträge sind über Erfahrungen mit dem Produkt, interessiert mich das, was andre hier schreiben.
Und natürlich erfahre ich mehr über die jeweiligen getesteten Produkte-
Anwendung usw..Zu Welcher Speise passt welcher Balsamico..usw.
Wichtig an den Tests finde ich auf jeden Fall, dass man erfährt, ob es was Gepanschtes ist das womöglich schädlich ist!
Wie bei den Tests mit Olivenölen..."Lampa " der letzte Dreck als" Nativ "verkauft...wie soll ich als Normalverbraucher so etwas erkennen. Deshalb ist Stiftung Warentest als UNABHÄNGIGER Tester so wichtig!!
Danke für Ihre Arbeit !!!

MacNehl am 26.02.2020 um 11:30 Uhr
Leider haben Sie den Artikel falsch verlinkt...

Der Link bei "Artikel als PDF (9 Seiten)
https://www.test.de/filestore/4241499_t201106022.pdf?path=/protected/c3/41/4f162a00-cb44-4113-b15e-0c3c5fd47b2c-protectedfile.pdf&key=D31C9046619A9AC4755F263FF8AFA89982FB043C
führt zum Test "Bluff aus Modena" aus 6/2011...
Gruß aus Berlin
Friedrich-Wilhelm Nehl

Ufemic am 05.11.2015 um 23:23 Uhr
wann kommt ein Test der "echten" Balsamicos

Was wir hier (in Deutschland) angeboten bekommen, ist ja nur mit Zusatzstoffen gepanscht.
Wann wird denn mal "echte" Balsamicos getestet, die 15 Jahre und älter sind?
Den von Rewe habe ich noch im Gebrauch, aber mit Zuckerkolör gefärbt und mit Sulfit haltbar gemacht?