
„Schläft euer Kleiner noch nicht durch?“ Kein Grund, sich für ein „Nein“ zu schämen. Babys müssen schlafen lernen, so wie sprechen oder laufen. Hier erklären wir, wie leidgeplagte Mütter und Väter gemeinsam mit ihrem Kind einen guten Tag-Nacht-Rhythmus finden.
Übrigens: Ob Baby-Brei, Kinderwagen oder Autokindersitz – Die Stiftung Warentest testet regelmäßig alles, was die Kleinen brauchen.
Das Wichtigste in Kürze
So kommt Ihr Kind Schritt für Schritt zur Ruhe
Müdigkeit erkennen. Ihr Baby gähnt, reibt sich die Augen, starrt ins Leere, wendet den Kopf ab oder findet sein liebstes Spielzeug plötzlich uninteressant? Dann ist es höchste Zeit fürs Bett. Übermüdete Kinder schlafen schwerer ein als andere.
Ruhe ausstrahlen. Wenn Sie Ihr Kind nachts füttern, tun Sie das ganz ruhig: leise, bei wenig Licht und wenig Bewegung. Heben Sie es zum Trösten nicht sofort aus dem Bett. Streicheln Sie es stattdessen.
Rituale einführen. Schon in den ersten Monaten lohnt es sich, feste Schlafrituale einzuführen. Zum Beispiel: Baden, Wickeln, Schmusen, dann Gute-Nacht-Lied und -Kuss zum Schluss. Mit immer gleichen Abläufen zur gleichen Zeit kommen Babys leichter zur Ruhe.
Musik einsetzen. Auch die beruhigende, sich abendlich wiederholende Melodie einer Spieluhr kann Babys helfen, allein in den Schlaf zu finden – und ihre Eltern als Schlafhelfer nach und nach ablösen. Aber Achtung bei sprechenden Spielzeugen, unser Test (Test sprechende Spielzeuge) hat ergeben, dass viele dieser Spielzeuge Schadstoffe enthalten.
Schlafbereich gestalten. 16 bis 18 Grad mit wenig Licht und Lärm sind ideal. Sicher und geruhsam schlafen Babys im Schlafsack in Rückenlage in einem rauchfreien Zimmer. Auf Kissen, Schmusetiere und Bettumrandung („Nestchen“) sollten Sie aus Sicherheitsgründen verzichten. Die besten Matratzen extra für Babys finden Sie in unserem Test Kindermatratzen.
Darum schlafen Babys nicht durch
Nachts schläft das Kind? Von wegen!
Das Baby vor der Tür spazieren fahren, es im Zimmer herumtragen, massieren: Isabella Eigner probierte viel aus, um ihrer neugeborenen Tochter Paulina in den Schlaf zu helfen. Aber die Kleine forderte ihre Eltern die ersten Monate mächtig heraus. „Ich dachte anfangs, ein Kind hält am Tag zwei Nickerchen und schläft vor allem nachts. Aber das war nicht so“, erinnert sich die 44-jährige Journalistin, die bei der Stiftung Warentest arbeitet. Paulina war nachts alle zwei bis drei Stunden wach – und mit ihr die Mutter. „Ich war so übermüdet“, sagt sie. Zweifel kamen in ihr hoch: Warum ist das so? Muss das so sein? Geht es Paulina gut?
Die meisten Babys wachen nachts mehrmals auf
Solche Fragen quälen viele Eltern. Eine Forsa-Umfrage unter mehr als 1 000 Eltern von Kindern bis fünf Jahre ergab: Acht von zehn Babys wachen im ersten Jahr bis zu viermal pro Nacht auf. Das schlaucht, ist aber kein Grund zu verzweifeln. Alles, was es über das erste Jahr mit Baby zu wissen gibt, finden Eltern in unserem Buch „Babys für Einsteiger“ mit 365 Tipps fürs erste Jahr.
Normaler Schritt der Entwicklung
Kleine müssen erst lernen, im Einklang mit Tag und Nacht zu schlafen. Durchschlafen ist ein Schritt im Entwicklungsprozess eines Kindes – wie laufen oder sprechen. Dem niedergelassenen Kinderarzt Hermann Josef Kahl aus Düsseldorf sind die Sorgen der Mütter und Väter vertraut. „Drei- bis viermal pro Woche kommen Eltern in meine Praxis und klagen ihr Leid über die unruhigen Nächte mit ihren Jüngsten.“ Als Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte sagt er: „Jeder Kinderarzt kennt das Thema Babyschlaf.“ Es beschäftige viele Eltern, teils auch noch bei älterem Nachwuchs. Von den Zwei- bis Dreijährigen schlafen nur 43 Prozent regelmäßig durch. „Je kleiner das Kind ist, desto weniger können Eltern da tun“, beruhigt Kahl. „Denn den Kindern geht es meistens gut, sie zeigen fast immer ein normales Verhalten.“
So entwickelt sich unser Schlaf
Neugeborene kennen den Unterschied zwischen Tag und Nacht noch nicht. In den ersten Monaten schlafen sie in vielen kleinen Etappen – und wachen nachts mehrfach auf. Mit der Zeit verschmelzen die Schlafenszeiten zunehmend, verlagern sich nach und nach auf die Nacht.

Selten steckt Schlafstörung dahinter
Nur selten steckt eine echte Schlafstörung dahinter, zum Beispiel eine Atemstörung. In den ersten drei bis vier Monaten haben die Kleinen einfach keinen Tag-Nacht-Rhythmus. Sie leben in einem etwa zweistündigen Wechsel von Wachen und Schlafen; der typische Wecker ist der Hunger. „Die Erkenntnis hat mich sehr erleichtert“, erinnert sich Isabella Eigner. In einem Babybuch erfuhr sie, dass sich ihre Tochter nur entwickelt. „Ich bin danach viel gelassener mit den kurzen Nächten umgegangen.“ Sie vertraute nun darauf, dass die schwierige Zeit dazugehört – und vorübergeht.
So lernen Babys das Durchschlafen
Vier Stunden am Stück sind ein Erfolg
So wie etwa beim Sprechen verläuft der Lernprozess fürs Schlafen bei manchen Kindern rapide, bei anderen dauert er länger. Allen gemeinsam ist: Die Schlafetappen verschmelzen zunehmend und verlagern sich mehr und mehr in die Nacht (siehe Grafik). Wenn Babys beginnen, ab etwa einem halben Jahr nachts erstmals durchzuschlafen, kommen sie zunächst oft nur auf vier oder fünf, manchmal sechs Stunden am Stück. Und das auch noch nicht jede Nacht.
Vorübergehende Rückschritte sind normal
Vor allem in dieser Zeit kann es immer wieder ein paar Rückschritte geben. Eben hat das Baby noch durchgeschlummert, da fällt es plötzlich in frühere Muster zurück. Das kommt vor, wenn Kinder erkältet sind, zahnen oder im Alltag viel los ist. Jeder kennt das von sich selbst: Wenn der Tag zu stressig ist, dann fällt die Nachtruhe schwerer. Die Schwelle von Babys ist niedriger, weil alles neu und der Schlafrhythmus noch nicht gefestigt ist.
Zu-Bett-Gehen bewusst gestalten
Eltern können ihre Kinder dabei unterstützen, einen Rhythmus zu entwickeln: Ein geregelter Tagesablauf mit den gleichen Zeiten für Essen und Schlafen hilft sehr. Das Zu-Bett-Gehen und die Stunde davor sollte mit einem Ritual gestaltet werden, rät die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Eltern leben ihren Kindern vor, wie unterschiedlich Tag und Nacht ablaufen: Am Tag herrschen Aktivität, Licht, normale Lautstärke. Abends und vor allem nachts gibt es keine Aufregung mehr, alles ist sachter und leiser, das Licht gedimmt (siehe unten). Auch Isabella Eigner hat irgendwann aufgehört, ihre Kleine zum Stillen aus dem Bettchen zu nehmen. Abhilfe schuf ein Stubenwagen, der sich am Elternbett anhängen ließ. Dorthin hat sie ihre Tochter nach dem Füttern zurückgelegt. Ohne Licht, ohne Wege. „Das hat mir wertvollen Schlaf geschenkt.“
Schlafbedarf: Von 13 bis 18 Stunden am Tag
Schon bei Neugeborenen gibt es Lang- und Kurzschläfer. Üblicherweise brauchen Kinder im ersten Jahr etwa 16 Stunden Schlaf pro Tag. „Die Varianz ist jedoch groß. Einigen reichen mit sechs Monaten 13 Stunden, andere brauchen noch bis zu 18“, sagt Schlafmediziner Thomas Erler von der Kinder- und Jugendklinik Westbrandenburg. Viele überschätzen den Schlafbedarf ihres Kindes. „Ein Schlaftagebuch kann klären, wie viel Ruhe ein Kind tatsächlich benötigt“, rät Erler. Drei Wochen lang notieren Eltern, wann ihr Kleines wie lange schläft. Manche stellen fest, dass es nachts schlecht schläft, weil es zu lange Mittagsschlaf hält.
Im Zweifel Kinderarzt ansprechen
Wenn Eltern nicht mehr weiterwissen, sollten sie den Kinderarzt ansprechen. Experte Kahl rät zudem: „Suchen Sie sich jemand, der Sie am Tag entlastet. Gibt es Großeltern oder Freunde, die das Kind ein paar Stunden betreuen können? Dann bitten Sie sie um Hilfe, holen Sie Schlaf nach.“ Schlafentzug gelte nicht ohne Grund als Foltermethode. Partner sollten sich nachts abwechseln. Isabella Eigner weiß heute: „Ich würde mich auch tagsüber sofort hinlegen, sobald das Kind schläft – statt Wäsche aufzuhängen oder zu telefonieren.“
Manch fürsorglich gemeinte Schlafhelfer bezwecken das Gegenteil
Heute weiß sie auch: Manch fürsorglich gemeinte Maßnahme verzögert den Weg zum regulären Schlaf. Auf dem Arm wiegen, an der Brust eindösen lassen, im Auto herumfahren – diese Schlafhelfer sind gelegentlich angewandt unproblematisch, auf Dauer aber ungünstig. Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind nachts lautstark nach seinen Eltern ruft – auch ohne Hunger oder Schmerzen zu haben.
Schlechte Angewohnheiten verlernen
Der Grund: „Jeder Mensch wird nachts mehrfach wach, groß und klein. Das ist ein uralter Schutzmechanismus“, sagt Schlafmediziner Erler. Dabei prüfen wir, ob sich in der Umgebung etwas verändert hat. Ist alles wie beim Einschlafen, schlummern wir weiter. Ist etwas anders, werden wir richtig wach. So auch Babys. Dösen sie bei Motorgeräusch ein und wachen nach zwei Stunden ohne Brummen auf, schlagen sie Alarm. Die Marotte lässt sich wieder verlernen, aber nur mit Geduld.
Kein Allheilmittel: Schlafprogramme
Schlaflernprogramme für Babys gibt es zuhauf. Ein Allheilmittel sind sie alle nicht. „Die einen ermuntern die Eltern dazu, das Kind schreien zu lassen, die anderen raten zu intensiver Zuwendung bei jedem Mucks. In der Mitte liegt wohl die Wahrheit“, kommentiert Schlafmediziner Erler.
Oft hilft ein Schlaflied
Isabella Eigner und ihr Mann haben sich gegen das „Schreien lassen“ entschieden. Wenn Paulina nachts wach wurde, haben sie ein Lied gesungen, sie gestreichelt. Die Nächte wurden geruhsamer – nach einem Jahr war der Spuk vorbei. Paulina, heute ein Schulkind, hatte schlafen gelernt.
Das sagt der Schlafmediziner

Prof. Dr. Thomas Erler
Auch wenn kleine Kinder nachts nicht durchschlafen – eine echte Störung haben die wenigsten. Das ist Thomas Erler wichtig zu betonen. Der Kinderarzt und Schlafmediziner macht Mama und Papa Hoffnung: Auch wenn es anfangs unerträglich scheint – es wird besser. Lesen Sie hier, welche Tipps der ärztliche Direktor der Kinder- und Jugendklinik Westbrandenburg für übernächtigte Eltern hat.
Nur jedes zehnte Kind hat ein echtes Schlafproblem
Wie viele Kinder haben Schlafstörungen?
Die wenigsten. Von den Kindern, die in unsere Schlafambulanz kommen, hat nur etwa jedes zehnte ein echtes Schlafproblem, wie etwa eine Atemstörung oder Schlaflosigkeit. Alle anderen sind gesund.
Aber viele Eltern klagen über durchwachte Nächte und sorgen sich um ihr Kind.
Das stimmt. Doch die Sorge ist meist unbegründet, das Kind steckt einfach in einem natürlichen Entwicklungsprozess: Es ist normal, dass Kinder in den ersten Monaten nach der Geburt nachts nicht durchschlafen. Sie können das noch nicht.
Wach sein wird durch den Hunger reguliert
Weshalb ist das so?
Neugeborene kennen den Unterschied zwischen Tag und Nacht noch nicht. Ihr Schlafen und Wachsein wird zunächst durch den Hunger reguliert – und der kommt nicht nur tagsüber. Die Kinder wachen dann auch nachts mehrfach auf. Das kollidiert mit dem Rhythmus der Eltern, die oft Schlafmangel erleiden.
Und die fragen sich: Wann hört das auf?
Das ist die gute Nachricht: Es wird besser. Nach sechs Monaten beginnt der Körper der Kleinen sich mehr an Tag und Nacht zu orientieren, also an hell und dunkel. Bei manchen Kindern klappt das früher, andere brauchen länger. Mit einem Jahr schlafen viele Kinder bereits nachts durch.
Dann können Eltern also auf eine echte Nachtruhe hoffen?
Naja, durchschlafen heißt nicht wie bei uns 22 Uhr bis 6 Uhr morgens. Vielmehr sind es anfangs oft nur vier bis sechs Stunden am Stück. Vor allem wenn Kinder von Milch auf Brei umsteigen, dann werden auch die Nächte zunehmend länger.
Ungünstige Schlafgewohnheiten
Und wenn nicht?
Oftmals sind dann ungünstige Schlafgewohnheiten der Grund dafür. Dazu zählt: das Einschlafen auf dem Arm oder an der Brust, bei nächtlichen Spaziergängen oder Autofahrten. Die Kinder gewöhnen sich an diese Schlafhelfer. Und fordern sie nachts lautstark ein.
Wann sollten Eltern sich Hilfe suchen?
Sobald die ganze Familie unter der Schlaflosigkeit eines Kindes leidet. Aber auch wenn Eltern sich erschöpft, unsicher oder überfordert fühlen, wenn Partnerkonflikte sich verschärfen oder die Beziehung zum Kind leidet, dann sollten sie sich Rat und Unterstützung holen. Kinderärzte sind dann die ersten Ansprechpartner.
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