
Naturvölker wie die Inuit machen es seit Menschengedenken: Sie packen ihre Babys fest ein. Auch in unserem Kulturkreis wird das Pucken angewandt. Es soll das Kind beruhigen und beim Einschlafen helfen. Einige Ärzte sehen das straffe Wickeln in Tücher kritisch. Ihre Bedenken: Beim klassischen Pucken würden die Beine in Streckstellung gebracht, das gefährde die gesunde Entwicklung der Hüfte. Sollten Mütter aufs Pucken verzichten? Was sagen Hebammen? test.de erklärt die Hintergründe.
Pucken soll die Hüfte schädigen können
Pucken beeinträchtige das natürliche Reifen der Hüfte von Säuglingen, warnt die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (Degum) in einer aktuellen Pressemitteilung (Hüftfehlstellungen früh erkennen und behandeln). „Beim klassischen Pucken werden die Beine in Streckstellung aneinander gebunden“, erläutert Tamara Seidl von der Degum. Je nach Dauer des Puckens würden Kräfte wirken, die das Wachstum der Hüfte verändern oder verlangsamen, so die Oberärztin der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie am Franziskus Hospital in Bielefeld. Folge könne eine Hüftdysplasie sein: Gelenkkopf und -pfanne passen dann nicht aufeinander.
Späte Hüftdysplasie schwerer zu kurieren
Bei zwei bis vier Prozent der Säuglinge ist die Hüftdysplasie angeboren, Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen. Eine Ultraschalluntersuchung der Hüften gehört in Deutschland zum Standardprogramm und wird im Rahmen der Früherkennungsuntersuchung U3 gemacht, wenn die Babys vier bis fünf Wochen alt sind. Bei Babys aus genetisch vorbelasteten Familien kann die Ultraschalluntersuchung noch früher vorgenommen werden. Liegt eine Hüftfehlstellung vor, kann sie durch das Tragen einer Spreizhose gut behandelt werden. Bedenklicher ist aus Sicht der Ärzte eine sekundäre, also nicht angeborene und später auftretende Dysplasie, wie sie etwa durch falsches Pucken entstehen könnte. Diese ist schwerer und aufwendiger zu therapieren, manchmal nur durch Operationen. Bleibt sie unbehandelt, wird das betreffende Kind später hinken. Auch das Risiko für frühe Gelenkerkrankungen (Osteoarthritis) ist bei Betroffenen höher.
Studien mangelt es an klaren Belegen
Studien belegen, dass die Zahl der später auftretenden Dysplasien in mehreren Ländern leicht angestiegen ist – obwohl es keine Änderungen am Früherkennungsprogramm gegeben hat. Als mögliche Ursache sehen die Studien einen Zusammenhang mit dem Pucken, eindeutig belegen können sie das aber nicht. Selten ist der Zusammenhang zwischen Pucken und Hüfterkrankungen so klar nachweisbar gewesen wie bei den amerikanischen Navajo-Indianern: In den 1950er Jahren fiel auf, dass deren Babys sechsmal häufiger an Hüftdysplasien litten als der US-Durchschnitt. Grund: Die Kinder werden straff auf ein Brett gebunden. Eine aktuelle Analyse von Daten aus Australien zeigt hingegen, dass für das Entstehen einer späten Hüftfehlstellung viele Faktoren zusammenspielen.
Haupt-Risikofaktoren:
- die Geburt in einem ländlichen Krankenhaus
- als Mädchen geboren zu werden
- das zweitgeborene Kind zu sein.
Tuch locker um die Hüfte schlagen
Es sind Hebammen, die frischgebackenen Müttern bei Interesse das Pucken näher bringen. Die Geburtshelferinnen lernen das Pucken im Rahmen ihrer Ausbildung. Das klassische, sprich: straffe Pucken wird dabei hierzulande aber nicht gelehrt. „Es gibt zwei Techniken: mit und ohne eingewickelte Arme“, erläutert die Hebamme Christiane Schwarz. „Das Tuch oder die Decke wird locker um die Hüfte gelegt, damit die Kinder die Beine anhocken können“. Richtig angewandt ist das Pucken also unproblematisch. Schwarz rät: „Pucken sollte niemals etwas Gewaltsames, sondern etwas Liebevolles sein. Mütter sollten den gesunden Menschenverstand anwenden und einfach gucken, wie es ihrem Kind damit geht“. Aus Erfahrung weiß sie: Mütter wickeln ihr Kind eher zu locker als zu fest.
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Auf die Frage, ob eine solche "Zwangsjacke" einem Kind unangenehm ist, es psychisch schädigen kann, sind offenbar weder Experten noch der Verfasser gekommen.