BGH urteilt verbraucherunfreundlich Umzug kein Kündigungs­grund

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BGH urteilt verbraucherunfreundlich - Umzug kein Kündigungs­grund

Nach dem Umzug keine DSL-Verbindung am neuen Wohn­ort? Pech gehabt. Der bisherige Vertrag läuft trotzdem weiter. Das hat der Bundes­gerichts­hof entschieden. Umzug ist kein wichtiger Kündigungs­grund mehr. Dieses Urteil werden sich auch andere Sparten zunutze machen. test.de gibt Rat.

Lang­fristige Verträge

DSL-Anbieter kämpfen mit harten Bandagen. Neue Kunden locken sie mit nied­rigen Monats­gebühren, Gutschriften sowie kostenlosen Geräten. Einzige Bedingung: Die Kunden müssen sich mindestens für zwei Jahre binden. Vorzeitige Kündigungen waren bisher nur bei wichtigen Gründen möglich. Zum Beispiel beim Umzug an einen Wohn­ort ohne DSL-Verbindung.

Neue Recht­sprechung

Damit ist jetzt Schluss. Der Bundes­gerichts­hof entschied, dass ein Umzug kein wichtiger Kündigungs­grund sei. Das Gericht schrieb: „Ein solcher Grund besteht grund­sätzlich nicht, wenn er aus Vorgängen hergeleitet wird, die dem Einfluss des anderen Vertrags­part­ners entzogen sind und der Interes­sensphäre des Kündigenden entstammen.“ Wer lang­fristige Verträge abschließt, trage das Risiko, diese aufgrund veränderter persönlicher Verhält­nisse nicht mehr nutzen zu können.

Zahlen ohne Leistung

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger im Mai 2007 einen DSL-Vertrag mit zweijäh­riger Lauf­zeit abge­schlossen. Im November 2007 verzog er in einen anderen Ort im selben Land­kreis. Dort liegen jedoch keine DSL-fähigen Leitungen. Der Internetanbieter teilte ihm mit, dass er keinen schnellen Anschluss installieren könne. Darauf­hin wollte der Kläger seinen Vertrag per Sonderkündigungs­recht beenden. Der Internetanbieter stellte sich quer und bestand auf der monatlichen Grund­gebühr bis zum Ende der Lauf­zeit.

Kürzere Lauf­zeit

Das Gericht wies darauf hin, dass sich die Anfangs­investitionen des DSL-Anbieters erst im zweiten Vertrags­jahr amortisieren würden. Der Kunde hätte einen Vertrag mit kürzerer Lauf­zeit zu höheren Kosten abschließen können. Solche Verträge gibt es tatsäch­lich: zum Beispiel bei Alice und 1&1. Bei Letzterem gibt es das Surf & Phone Flat Special mit 16 000 kBit/s, kostenlosem Modem und zwei Jahren Lauf­zeit für 19,99 Euro im Monat. Ohne Mindest­vertrags­lauf­zeit und mit dreimonatiger Kündigungs­frist kostet das gleiche Paket monatlich 29,99 Euro. Das Modem kostet 49,99 Euro. Unterschied: 289,99 Euro in den ersten zwei Jahren.

Verträge prüfen

Auch andere Anbieter von Lauf­zeit­verträgen könnten das BGH-Urteil zu ihren Gunsten interpretieren. Fitness­studios etwa, Stromanbieter oder Verkehrs­unternehmen, die Jahres­karten verkaufen. Nur wenn im Vertrag steht, dass der Kunde bei Umzug kündigen darf, wiegt der Vertrag schwerer als das BGH-Urteil. Für alle anderen Verträge gilt: Umzug ist kein wichtiger Kündigungs­grund. Wer während der Lauf­zeit möglicher­weise umziehen muss, sollte keine lang­fristigen Verträge mehr abschließen. Darüber hinaus sollte jeder seine Verträge prüfen, der einen Umzug plant.

Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 11. November 2010
Aktenzeichen: III ZR 57/10

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theWhip am 30.01.2011 um 22:26 Uhr
ja richtig aber...

... business kunden nicht. Weil ich auch keine Änderung der Leistungen beim Umzug beantragt hätte, deswegen würde sich mein Vertrag nicht um weitere 24 Monate verlängern. Das wäre der Unterschied zwischen Business und Bestandskunden. Online in meinem Account stand aber 24 Monate. Vodafone Support, dies sei ein Fehler welcher in den nächsten Tagen behoben wird. Von hier aus liebe Grüße an Herrn Schilke von Arcor Business Kunden Support.

theWhip am 30.01.2011 um 22:05 Uhr
ja richtig aber...

.... wenn man nach zwei Jahren plötzlich umzieht, die 2 Jahre Vertrag brav erfüllt, laut Vertrag, diesen 2 oder 3 Monate vor Ablauf rechtzeitig kündigen muss aber den Umzug zum Zeitpunkt der Kündigungsfrist nicht plante und auf Kulanz hofft hat verloren. Anruf bei Arcor mit der Frage ob die Leistung am neuem Standort möglich sei wird verneint und man empfiehlt mir die Sonderkündigung. Ich schrieb diese und schickte diese raus. Arcor/Vodafone lässt sich mächtig Zeit, 8-12 Wochen und teilt mit man könne nun doch an neuer Adresse den Anschluss realisieren. Dafür benötigte man bei denen 2 Monate und mehrere meiner Anrufe mit etwaigem Erklären des Sachverhaltes. Arcor hat aber auch einer Kündigung entsprochen mit einer Ausgleichszahlung. Dies wollte ich nicht weil noch um die 450,-€ wären. Also sagte ich ok dann bitte schalten an neuem Standort. In diesem Zeitraum sagte nie jemand das ein Umzug einer Verlängerung gleicht. Weiß ich AGB's lesen. aber laut Auskunft hotl. geht dies bei...

die_zwei_alten am 03.12.2010 um 21:12 Uhr
P. S.

Juristisch gesehen geht es um die Frage aus wessen Sphäre der Umstand, der zur Kündigung führt, kommt und wer dieses Risiko tragen muss. Es ist also eine Frage der Zumutbarkeit und der ganz konkreten Interessenabwägung.

die_zwei_alten am 03.12.2010 um 21:07 Uhr
unbesehene Schlüsse sind immer gefährlich!

Soweit ich diesen Kurzbericht verstanden habe, war das Hauptargument, dass der Kunde ja die Möglichkeit hat einen anderen Anbieter ohne (!) Mindestlaufzeit zu wählen. Das mag mit Einschränkungen bei Telefon-/Handyverträgen der Fall sein (wobei dort der Kundenservice meist noch schlechter ist), bei Fitnessstudios z. B. ist das meiner Kenntnis nach gerade nicht der Fall. Darum sollte man - bevor solch pauschale Bewertungen veröffentlicht werden - das Urteil lesen und zudem berücksichtigen, dass jedes (!) Urteil nur über genau diesen konkreten Einzelfall entscheidet.

Testibus am 15.11.2010 um 19:59 Uhr
Ein unmögliches Urteil !

Finde ich. Wenn eine Leistung Wohnort bezogen gebucht ist, und nicht auf den neuen übertragen werden kann, wenigstens in etwa, muss ein Sonderkündigungsrecht wegen totalem Wegfall der Vertragsgrundlage möglich sein.
TB