
Auto sauber, aber kaputt. Das passierte in einer Waschstraße im Weserbergland. © Adobe Stock / PixPartout
Waschanlagen sollen Autos sauber und ansehnlich machen. Manchmal geht das gründlich schief, der Wagen hat frische Kratzer oder Beulen. test.de sagt, was dann zu tun ist.
„Endlich Frühling“, freut sich Birte Bräutigam an einem der ersten warmen Tage im April. Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause fährt sie ihren anthrazitfarbenen Skoda Octavia zur Feier des Tages in die Waschanlage ihrer Stamm-Tankstelle in Oberhaching. Da allerdings ist es vorbei mit der guten Laune. Als Bräutigam das Ergebnis der Wäsche begutachten will, ist sie entsetzt. Staub und Schmutz sind zwar verschwunden, dafür aber prangen auf dem Kotflügel ihres Wagens tiefe Kratzer, die vor der Wäsche noch nicht da waren.
Schnell reagieren
„Das kann schon mal passieren“, weiß Carsten Graf, Technikexperte des ADAC. Eigentlich funktionierten moderne Waschanlagen zuverlässig. Doch natürlich könne stets etwas kaputtgehen. So bestehe die Gefahr, dass sich abgerissene Wischerblätter, Antennen oder Zierleisten des Vorgängerautos in den Bürsten verfangen – und bei der Folgewäsche Schäden anrichten. Kunden sollten dann schnell reagieren.
Kontrolle gleich nach der Wäsche
Grundsätzlich gilt: Wenn feststeht, dass ein Schaden beim Waschen entstanden und ein Mitverschulden des Kunden ausgeschlossen ist, haftet der Inhaber der Anlage. Ausnahme: Der Betreiber belegt, dass ihn kein Verschulden trifft. Das aber klappt nur selten. Wichtig ist deshalb, den Wagen gleich nach der Wäsche zu kontrollieren. Wer Kratzer oder Ähnliches entdeckt, sollte sofort einen Mitarbeiter der Anlage bitten, den Schaden zu dokumentieren. Der Grund: Je später Autobesitzer Schäden reklamieren, desto schwieriger lässt sich nachweisen, dass die Läsionen wirklich beim Waschen entstanden sind.
Fotos und Zeugen
Birte Bräutigam hat das alles richtig gemacht. Nachdem der erste Ärger verflogen war, füllte sie zusammen mit einem Mitarbeiter der Tankstelle ein Formular für die Haftpflichtversicherung des Unternehmens aus. Das Original ging an den Versicherer. Sie erhielt den Durchschlag. Außerdem trug man ihr auf, einen Kostenvoranschlag für die Reparatur des Kotflügels einzuholen und an die Versicherung zu schicken. Die werde sich dann melden. Doch was passiert, wenn die Mitarbeiter der Waschanlage sich weigern, den Fall zu dokumentieren? Dann müssen Betroffene selbst aktiv werden, Fotos machen und den Schaden am besten auch Dritten zeigen, die später als Zeugen aussagen können.
Antenne und Aufbauten entfernen
Umgekehrt gilt: Wenn Autofahrer ihrerseits in der Waschanlage etwas kaputtmachen, müssen sie dafür geradestehen. So kommt es immer wieder vor, dass Kunden entgegen den Anweisungen während des Waschvorgangs auf die Bremse treten oder den Wagen falsch in die Anlage fahren. Manche versäumen es auch, die Antenne oder Aufbauten zu entfernen, die dann abbrechen und Schäden verursachen können. Die Haftungsregeln sind aber weniger streng als im Straßenverkehr. Dort müssen Autofahrer bereits zahlen, wenn beim Betrieb ihres Wagens ein Schaden entsteht – ob sie etwas dafürkönnen oder nicht, ist unerheblich. In der Waschstraße dagegen gilt: Geld fließt nur, wenn der Inhaber der Anlage dem Kunden Verschulden nachweist.
Amtsgericht Köln, Urteil vom 26.06.2012
Aktenzeichen: 272 C 33/12
Zur Sicherheit abschließen
Ohnehin wird in den meisten Fällen erbittert darüber gestritten, wer für einen Schaden verantwortlich ist. So hatte das Landgericht Coburg einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Autofahrer 7 600 Euro Schadenersatz verlangte. Grund: In der Trockenhalle der Anlage hatte sich der Kofferraumdeckel seines Wagens geöffnet und war verbogen worden. Der Mann konnte aber nicht beweisen, dass dieser Vorgang auf einen Defekt der Anlage zurückging – und ging leer aus. ADAC und test.de empfehlen: Schließen Sie Türen und Heckklappe ab, bevor Sie in die Waschanlage fahren.
Landgericht Coburg, Urteil vom 10.02.2009
Aktenzeichen: 11 O 440/08
Haftung nicht beliebig einschränkbar
In den allgemeinen Geschäftsbedingungen können Waschanlagen-Unternehmer die Haftung nicht beliebig reduzieren. Unzulässig ist es etwa, die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken. So hat es der Bundesgerichtshof entschieden. Die Betreiber müssen auch für die Folgen einfacher Fahrlässigkeit einstehen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.11.2004
Aktenzeichen: X ZR 133/03
Ersatz für Anbauteile schwierig
Dennoch ist es oft schwierig, Ersatz für Schäden an Anbauteilen wie Spiegeln oder Spoilern zu bekommen. Wenn ein Gutachter bestätigt, dass die Waschanlage zur Zeit des Schadens einwandfrei funktionierte, haben Kunden schlechte Karten. So argumentierte das Amtsgericht Haldensleben: Es sei bekannt, dass auch ab Werk montierte Spoiler in automatischen Waschanlagen abreißen können. Wenn der Betreiber die Haftung für solche besonders gefährdeten Teile einschränke, erfolge die Nutzung der Anlage auf eigene Gefahr, urteilte das Gericht trotz der Vorgaben des Bundesgerichtshofs.
Amtsgericht Haldensleben, Urteil vom 24.08.2011
Aktenzeichen: 17 C 631/10
Ärger am besten vermeiden
Die beste Strategie beim Autowaschen ist es ohnehin, Schäden zu vermeiden und schon im Vorfeld genau hinzusehen. Macht eine Waschanlage einen ungepflegten Eindruck, sei kaum zu erwarten, dass sie gut reinige und perfekt gewartet sei, sagt ADAC-Experte Carsten Graf. Auch wenn es nach Moder oder zu viel Reinigungsmittel rieche, sei Vorsicht geboten. Beides deute darauf hin, dass das Wasser bereits zu lange in der Anlage zirkuliere. Sinnvoll sei auch vor der Wäsche des eigenen Wagens zu schauen, wie sauber andere Autos nach der Wäsche aus der Anlage kommen.
Selber waschen keine Alternative
Auf jeden Fall empfiehlt Graf eine gründliche Vorwäsche, zum Beispiel mit Hochdruckreiniger. Klebt nämlich am Wagen noch grober Dreck mit Sandkörnern, sind Lackschäden wahrscheinlich, wenn die Bürsten den Schmutz abreiben. Das Auto per Hand zu Hause zu waschen, wie es früher üblich war, ist dagegen keine Option. Dieses Verfahren ist nicht nur mühsam, es verbraucht auch Unmengen Wasser, gefährdet die Umwelt und ist in den meisten Kommunen verboten. Zulässig ist hingegen, den automatisch gereinigten Wagen selbst einzuwachsen und auf Hochglanz zu polieren.
Tipps
- Vorsicht. Lesen Sie, bevor Sie in die Autowaschanlage fahren, die Bedienungsanleitung durch. Befolgen Sie sie genau. Fragen Sie beim Betreiber nach, wenn Sie nicht sicher sind, ob Ihr Wagen ohne Weiteres in die Anlage darf.
- Kontrolle. Prüfen Sie direkt nach der Wäsche, ob an Ihrem Auto alles in Ordnung ist. Wenn Sie Kratzer, verbogene Teile oder andere Schäden finden, zeigen Sie diese sofort Mitarbeitern der Anlage. Bestehen Sie auf eine schriftliche Dokumentation Ihrer Schadensmeldung und verlangen Sie eine Kopie des Schreibens. Machen Sie selbst Fotos und ziehen Sie Zeugen hinzu, wenn die Mitarbeiter der Anlage sich weigern.
- Ausgleich. Verlangen Sie Schadenersatz, wenn Sie kein Verschulden trifft. Beauftragen Sie einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung Ihrer Interessen, wenn der Inhaber der Autowaschanlage oder seine Versicherung nicht von sich aus zahlen. Suchen Sie nach einem Rechtsanwalt, der schon erfolgreich Schadenersatzansprüche wegen Schäden in der Waschanlage durchgesetzt hat.
Weitere Urteile zu Autowaschstraßen
Verschulden vor Schutzpflicht. Betreiber von Waschstraßen oder sonstigen Autowaschanlagen haften nicht für Schäden, die andere Autofahrer zu verantworten haben. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Geklagt hatte der Besitzer eines BMW. Sein Wagen war in der Waschanlage gegen den Mercedes vor ihm gestoßen. Dessen Fahrer hatte gebremst und sein Wagen sprang dadurch aus der Führungsschiene der Waschstraße heraus und blieb stehen. Zwar habe der Anlagenbetreiber eine Schutzpflicht, aber er müsse nicht für jeden denkbaren Fall Vorsorge treffen, begründeten die Bundesrichter ihr Urteil. Es reiche aus, wenn er Autofahrer klar und deutlich über die Benutzung informiere. Mache ein Autofahrer dennoch etwas falsch, hafte er für den daraus folgenden Schaden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.07.2018
Aktenzeichen: VII ZR 251/17
Achtung, Automatik! Einige Waschstraßen sind noch nicht auf moderne Pkw mit Automatikgetriebe eingestellt. In München stand an einer Anlage nur der Hinweis: „Gang raus, Automatik N, Motor abstellen, nicht lenken, nicht bremsen.“ Ein Autofahrer hielt sich daran. Dennoch wurde sein BMW aus der Schleppkette gehoben. Was er nicht wusste: Bei ausgeschaltetem Motor gehen viele moderne Automatikgetriebe automatisch in Stellung P. Die Parksperre greift, die Räder blockieren, die Zugkette der Waschanlage zieht vergebens. Fahrer sollten den Motor laufen oder die Zündung anlassen. Dieser Hinweis fehlte.
Amtsgericht München, Urteil vom 06.09.2018
Aktenzeichen: 213 C 9522/16
Keine Haftung ohne Verschulden. Im Straßenverkehr haften Autohalter grundsätzlich unabhängig vom Verschulden, wenn beim Betrieb ihres Fahrzeugs ein Schaden entsteht. Bei einem Unfall in der Waschstraße gilt das nicht. Geklagt hatte ein Autobesitzer, dessen Wagen in der Waschstraße einen 4 500 Euro teuren Schaden erlitten hatte. Der Wagen vor ihm war aus dem Förderband gerutscht und blieb stehen. Um den Zusammenstoß zu vermeiden, bremste der Fahrer des nachfolgenden Wagens. Das Trockengebläse drückte daraufhin auf das Heck seines Wagens und beschädigte es. Der Eigner des aus dem Förderband gerutschten Wagens haftet nicht, entschieden die Richter am Oberlandesgericht Koblenz. Sein Auto war in der Waschanlage nicht im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes im Betrieb, begründeten sie ihr Urteil. Wenn eine Fehlfunktion der Waschanlage vorlag, haftet allerdings ihr Betreiber.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 05.08.2019
Aktenzeichen: 12 U 57/19
Aufschiebeunfall 1. Bekommt ein Fahrer sein Auto am Ende einer Waschstraße nicht gestartet, haftet er für den Schaden an einem aus diesem Grund hinter ihm bremsenden und dadurch aus der Spur des Förderbandes ausscherenden Wagens, auf den ein dritter Fahrer dahinter auffährt. Das hat das Landgericht Kleve entschieden. Der Fahrer des ersten Wagens hafte allein aufgrund der Betriebsgefahr seines Autos. Bei einem Auto in Betrieb ist der Halter immer für Schäden verantwortlich, die durch seinen Wagen verursacht werden – selbst wenn das Fahrzeug wie hier gar nicht fahre, weil es nicht angesprungen sei. Nicht in Betrieb sei der Wagen nur während des Waschvorgangs gewesen, als er ausgeschaltet auf dem Förderband stand. Am Ende der Waschstraße sei er wieder in Betrieb genommen worden, nur nicht losgekommen.
Landgericht Kleve, Urteil vom 23.12.2016
Aktenzeichen: 5 S 146/15
Aufschiebeunfall 2. Wenn eine Waschstraße ein Auto gegen einen vor der Anlage stehenden Wagen schiebt, haftet der Betreiber der Anlage für Schäden, die dabei entstanden sind. Solange die Anlage das Auto schiebt, trägt allein der Betreiber die Verantwortung. Er muss deshalb sicherstellen, dass dabei keine Schäden entstehen. Die Anlage muss stoppen, wenn der Bereich am Ende der Waschstraße nicht frei ist. Ein Autobesitzer hatte den Inhaber einer Waschanlage im Weserbergland verklagt, nachdem der Schiebeunfall an seinem Wagen zu Schäden in Höhe von 3 700 Euro geführt hatte.
Zu beachten: Wenn der Besitzer eines die Ausfahrt der Anlage blockierenden Autos ein Verschulden trifft, dann haftet der und nicht der Waschstraßenbetreiber (siehe Punkt „Verschulden vor Schutzpflicht“). Noch keine höchstrichterlichen Ansagen gibt es dazu, was gilt, wenn den Autofahrer vor der Ausfahrt zwar kein Verschulden trifft, er aber wegen der Betriebsgefahr (auch) für den Schaden haftet (siehe oben „Aufschiebeunfall 1“). Die test.de-Juristen meinen: Dem geschädigten Autofahrer gegenüber haftet sowohl der Betreiber der Waschanlage wegen der Verletzung seiner Schutzpflicht als auch der Autofahrer, dem es nicht gelungen ist, seinen Wagen wegzufahren. Wenn einer von beiden den Schaden zahlt, kann er versuchen, sich einen Teil des Geldes vom anderen Verantwortlichen zurückzuholen.
Landgericht Paderborn, Urteil vom 20.01.2021
Aktenzeichen: 1 S 63/20
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