Weitere Ausnahmen
Autorennen, verspätete Schadenmeldung, falsche Aussagen zum Schadenhergang oder Unfallflucht – auch in diesen Fällen gilt die Verzichtsklausel nicht.
Kein Versicherungsschutz bei Rennen
Die Klausel gilt auch nicht für Rennen und das entsprechende Training. Solche Fahrten sind ohnehin vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, ebenso die entsprechenden Übungsfahrten. Ausdrücklich ausgeschlossen sind in der Regel auch ungenehmigte Rennen. Das trifft zum Beispiel Jugendliche, die auf den Ausfallstraßen mancher Großstädte Rennen fahren. Nicht davon betroffen – und damit versichert – ist aber zum Beispiel ein Fahrsicherheitstraining (Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Az. 7 U 202/13). Denn dabei kommt es nicht auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit an.
Verspätete Schadenmeldung
Darüber hinaus greift die Verzichtsklausel nur für grobe Fahrlässigkeit beim Verursachen des Schadens, nicht in der Zeit danach. Da ist der Kunde verpflichtet, seinem Versicherer den Schaden rasch zu melden. Meist steht in den Versicherungsbedingungen: „innerhalb einer Woche“. Wer grob fahrlässig dagegen verstößt, kann sich nicht auf die Verzichtsklausel berufen. Nur Kleinschäden, die der Kunde selbst regulieren will, um eine Rückstufung seines Schadenfreiheitsrabatts zu vermeiden, muss er nicht umgehend anzeigen. Vielmehr kann er sie in der Regel noch bis 31. Januar des Folgejahres nachmelden. Wo die Grenze für die Schadenhöhe liegt, ist unterschiedlich. In einigen Tarifen sind es 600 Euro, in anderen bis zu 1 000 Euro.
Fahrer muss wahrheitsgemäß aussagen
Hinzu kommt die Pflicht, zum Unfallhergang auszusagen. Da sind die Versicherungsbedingungen eindeutig, zum Beispiel bei der Huk: „Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadens dienen kann. Dies bedeutet, dass Sie unsere Fragen wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen.“ Das heißt, selbst wenn ein Unfallpilot sich selber damit schadet: Schweigen darf er gegenüber der Polizei – nicht gegenüber dem Versicherer. Wer falsche Angaben macht, um nicht dem Sachbearbeiter Munition für eine Kürzung der Entschädigung zu liefern, riskiert den Versicherungsschutz. Einem Ferrarifahrer, der nach einem Überholmanöver von der Fahrbahn abkam, zahlte die Vollkasko gar nichts. Er hatte angegeben, nur 70 Stundenkilometer schnell gewesen zu sein. Ein Sachverständiger wies nach, dass es mindestens 95 km/h waren (Saarländisches Oberlandesgericht Az. 5 U 78/08). Ähnliches erlebten Kunden, die bei der Frage nach Vorschäden des Autos die Unwahrheit sagten oder einen falschen Kilometerstand angaben (Landgericht Bonn, Az. 10 O 151/13, Landgericht Berlin, Az. 44 O 159/12).
Kein Kaskoschutz nach Unfallflucht
Außerdem darf der Fahrer den Unfallort nicht verlassen. Auch das steht ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen. Wer Unfallflucht begeht, riskiert den Kaskoschutz. Nur bei Bagatellschäden kann es reichen, den Vorfall umgehend der Polizei zu melden. Doch das muss dann wirklich eine Kleinigkeit sein. Schon bei Schäden von 20 bis 30 Euro halten manche Gerichte die Grenze für überschritten. Da kann schon ein verbogenes Nummernschild reichen. Das Oberlandesgericht Brandenburg setzte 50 Euro an (Az. 12 U 205/06). Deshalb bekam ein Unfallfahrer, der nachts vor einer Mauer gelandet war und anschließend zu Fuß nach Hause ging, nichts von seiner Vollkaskoversicherung. Er hatte angenommen, außer dem Achsbruch an seinem Auto sei weiter nichts passiert. Dennoch hätte er vor Ort bleiben und auf die Polizei warten müssen, urteilte das Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 7 U 121/14).
Unfallfahrer belastet sich selbst
Das kann schlimme Folgen haben. Ein Berliner hatte in der Schadenmeldung für seine Versicherung die Wahrheit gesagt, bei der Polizei aber nicht. Das Gericht forderte kurzerhand die Schadenakte der Versicherung an und lud den Sachbearbeiter als Zeugen. Am Ende bekam der Mann wegen Fahrerflucht eine Geldstrafe und drei Monate Fahrverbot. Zwar gibt es den Rechtsgrundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst einer Straftat zu bezichtigen. Aber daraus folgt nicht, dass ein Gericht nicht den Versicherungsmitarbeiter als Zeugen laden darf, erklärte das Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvR 1778/94). Wer zu viel getrunken hat oder zu schnell gefahren ist, müsse sich entscheiden, so die Richter: entweder die Entschädigung der Versicherung zu bekommen und ihr die Wahrheit zu sagen, auch wenn dann ein strafrechtliches Verfahren droht – oder aus Selbstschutz zu schweigen und die Entschädigung durch die Versicherung zu riskieren.