
Unfall. Oft geht der Streit um die Frage, wer schuld hat, sofort danach los. © Getty Images / Andrey Popov
Nicht immer ist sofort klar, wer an einem Autounfall schuld ist. Häufig sprechen Gerichte auch beiden Autofahrern eine Mitschuld zu. Ein Überblick zur rechtlichen Lage.
Nach dem Unfall: Die ersten To-Dos

Es hat gekracht? Das sollten Sie nach einem Verkehrsunfall beachten. © Adobe Stock / Halfpoint
Polizei rufen. Eigentlich muss die Polizei bei einem Blechschaden nicht ausrücken. Wenn Sie aber das Gefühl haben, dass am Unfallhergang etwas faul ist, rufen Sie sie besser trotzdem. Besteht der Verdacht einer Straftat, beispielsweise wegen Unfallbetrugs, wenn der Gegner den Unfall absichtlich herbeigeführt hat, ist ihr Einsatz sogar geboten. Notieren Sie Namen und Dienststelle der Beamten für eventuelle Rückfragen. Beachten Sie: Die Polizisten sind nicht dafür da, bei Schadenersatzansprüchen zu helfen. Oft nehmen sie nur die Personalien auf. Unfallspuren sichern sie nur bei einem begründeten Verdacht auf eine Straftat.
Alles fotografieren. Machen Sie eigene Fotos der Situation – selbst wenn Unfallgegner oder Polizei ebenfalls Bilder anfertigen. Wichtig sind vor allem Übersichtsbilder von der Unfallstelle, am besten aus verschiedenen Perspektiven. Aber auch Bremsspuren und die Position von abgebrochenen Autoteilen, die auf der Fahrbahn liegen, sollten Sie im Bild festhalten.
Straße räumen. Sobald der Unfallhergang dokumentiert ist, sollten Sie Ihr Auto zur Seite schieben oder fahren. Die Straße darf nicht länger als nötig blockiert werden. Denken Sie auch an Warnweste und Warndreieck.
Details ablichten. Fotografieren Sie jetzt die Schäden an Ihrem Auto und am Wagen des Unfallgegners – am besten aus verschiedenen Perspektiven.
Identität feststellen. Notieren Sie das Kennzeichen des Unfallgegners, dessen Namen und Adresse. Lassen sie sich seinen Ausweis zeigen.
Keine Selbstbezichtigung. Geben Sie nie unmittelbar nach einem Unfall eine Schuldanerkenntnis ab. Zwar ist so eine Aussage nicht rechtsverbindlich, sie kann aber zu Problemen mit dem Versicherer führen.
Skizze machen. Fertigen Sie, wenn möglich, eine Unfallskizze an.
Unfall im Ausland? Alles, was Sie dazu wissen müssen, egal ob mit dem eigenen oder einem gemieteten Auto, lesen Sie in unserem Special Unfall im Ausland.
Die richtige Autoversicherung
Was Sie zum Thema Versicherungsschutz wissen müssen, erklären wir in unserem Special Kfz-Versicherung, den günstigsten für Sie passenden Tarif finden Sie mithilfe unseres individuellen Kfz-Versicherungsvergleichs.
In diesen Fällen trifft Sie keine Schuld
Wenn Sie eindeutig unschuldig an einem Unfall sind, beispielsweise weil Ihr ordnungsgemäß geparktes Auto angerempelt wurde, lassen Sie sich nicht von der gegnerischen Versicherung austricksen. In unserem Special Schadensabwicklung finden Sie heraus, wie Sie die Regulierung am besten angehen und Ihre Ansprüche durchsetzen können.
Rückwärtsfahren: Keine Schuld, wenn Sie zeitig halten
Rückwärtsfahrer sind nicht schuld am Unfall, wenn das Auto gar nicht mehr rollt, sondern rechtzeitig gebremst wurde. So war es im Fall einer Frau, die rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt rangiert war. Parallel zur Straße parkte – verdeckt von einem Busch – ein anderer Pkw, dessen Fahrer in diesem Moment losfuhr. Die Frau bremste und kam zum Stehen, was eine Zeugin bestätigte. Der Mann fuhr in ihr Auto rein. Da die Frau stand, spricht weder der Anscheinsbeweis gegen sie, noch hat sie eine Mitschuld (Landgericht Heidelberg, Az. 1 S 6/16).
Rückwärtsfahrer müssen besonders aufmerksam sein
Eigentlich haften zwei Autos, die rückwärts aus Parkbuchten fahren und zusammenstoßen meist beide zur Hälfte. Wenn jedoch einer der Beteiligten vor der Kollision noch schnell anhalten konnte, kann nicht einfach von seiner Mitschuld ausgegangen werden. Durch das Anhalten sei der Fahrer nämlich seiner Pflicht nachgekommen, einen Unfall möglichst zu vermeiden, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 6/15). In vielen anderen Fällen haben Rückwärtsfahrer nach Unfällen jedoch oft schlechte Karten. Vor Gericht spricht der Anscheinsbeweis gegen sie, das heißt, sie hätten besonders aufmerksam sein müssen.
Bei diesen Unfällen tragen beide Schuld

Alkohol. Wenn es in der Kneipe hoch her geht, ist mit Betrunkenen zu rechnen. Entsprechend sorgfältig müssen Autofahrer sein. © Adobe Stock / Milenko Đilas - Veternik; Serbia
Auch wenn es auf den ersten Blick klar scheint, wer schuld am Unfall war – beispielsweise weil einer dem anderen die Vorfahrt genommen hat – kann es passieren, dass in einigen Situationen trotzdem beide Mitschuld bekommen. Dann müssen die Fahrer neben dem Schaden auch die Gutachterkosten anteilig tragen (Bundesgerichtshof, Az. VI ZR 133/11 und VI ZR 249/11).
Rückwärtsfahrende bekommen meist Mitschuld
Wer rückwärts fährt, hat Schuld – das gilt zwar in den meisten Fällen, aber nicht immer. Zum Beispiel dann nicht, wenn beide Autos rückwärts fahren. Der Anscheinsbeweis spricht dann nämlich gegen beide, urteilte das Amtsgericht Heidelberg. Es verteilte die Schuld je zur Hälfte auf eine Frau, die in einer Tiefgarage rückwärts ausparkte, und einen Mann, der auf der Fahrspur rückwärts fuhr. Das Urteil passte der Frau nicht, weil der Mann gegen die Pfeilrichtung fuhr. Doch das Landgericht Heidelberg als nächste Instanz senkte ihre Schuld nur auf ein Drittel. Sie hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass alle in Pfeilrichtung fahren. Fürs Rückwärtsfahren gilt erhöhte Sorgfaltspflicht. Zugleich hätte der Mann mit Ausparkenden rechnen müssen (Az. 2 S 8/14).
An Karneval mit betrunkenen Fußgängern rechnen
Wer in der Nacht nach Rosenmontag mit dem Auto unterwegs ist, muss nicht nur besonders achtsam sein wegen der Dunkelheit, sondern auch wegen der Gefahr, auf betrunkene Karnevalisten zu treffen. Das hat das Oberlandesgericht Köln entschieden. Im verhandelten Fall ging es um einen alkoholisierten Mann im Bärenkostüm, der nachts auf einer Bundesstraße spazierte. Er geriet auf die Fahrbahn, wurde von einem Opel Corsa erfasst und schwer verletzt.
Weil der Bär durch sein Verhalten den Unfall grob fahrlässig selbst herbeiführte, haftet er zu 75 Prozent. Die Restschuld von 25 Prozent trägt jedoch der Autofahrer. Er hätte aufmerksamer sein müssen. Einerseits wegen Nacht und Wetter, andererseits aber auch, weil es nicht unwahrscheinlich sei, während der Karnevalszeit auf betrunkene Fußgänger zu treffen. Daher schuldet er, beziehungsweise seine Kfz-Versicherung, dem Karnevalisten auch ein Schmerzensgeld (Az. 11 U 274/19).
Auch vor Kneipen sind Betrunkene wahrscheinlich
Vor Kneipen gilt: Das Tempo drosseln und bremsbereit sein, rät der Deutsche Anwaltverein (DAV) nach einer Entscheidung des Landgerichts Kaiserslautern. Im vorliegenden Fall war ein Betrunkener aus dem Lokal auf die Fahrbahn gelaufen und dort von einem Auto erfasst und getötet worden. In der Schadenersatzklage der Hinterbliebenen war das Gericht der Ansicht, dass der Autofahrer keine Schuld an dem Unfall hat, aber dennoch 25 Prozent der Schadenssumme tragen muss. Der Unfall war laut Gericht kein unabwendbares Ereignis, da an der Leuchtreklame erkennbar war, dass sich dort eine Gaststätte befand (Az. 2 S 97/00).
Raser tragen meist grundsätzlich eine Mitschuld
Mit 200 Sachen unterwegs. Raser, die schneller als die Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern fahren, müssen einen Teil des Schadens selber zahlen, auch wenn sie ohne eigenes Verschulden in einen Unfall verwickelt werden. Das Landgericht Coburg verurteilte beispielsweise einen Fahrer, der mit 200 Stundenkilometern unterwegs war, dazu, 20 Prozent seines Schadens selbst zu zahlen, obwohl ihn am eigentlichen Unfallhergang gar keine Schuld traf. Der Raser war beim Überholen auf ein langsameres Auto geprallt, das plötzlich von der rechten auf die linke Fahrbahn fuhr, um selbst ein Fahrzeug zu überholen. Wenn der Raser die Richtgeschwindigkeit eingehalten hätte, wäre der Unfall zu vermeiden gewesen, sagten die Richter (Az. 12 O 421/05).
Kein Spielraum zur Unfallvermeidung. Ähnlich sah es das Oberlandesgericht Koblenz, als ein langsamer Fahrer grob verkehrswidrig plötzlich auf die linke Spur wechselte, konnte ein Raser nicht rechtzeitig bremsen. Der Spurwechsler bekam zwar die volle Schuld, der Raser musste dennoch 40 Prozent des Schadens übernehmen. Begründung: Der Fahrer habe die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h um rund 60 Prozent überschritten. Der Spielraum zur Vermeidung eines Unfalls sei damit nahezu gegen Null gegangen, befanden die Richter (Az. 12 U 313/13).
In geschlossenen Ortschaften droht Rasern Gefängnis
Ein Raser, der innerorts 109 statt der erlaubten 50 km/h fuhr und daher nicht rechtzeitig reagieren konnte, als vor ihm ein Auto blinkte und die Spur wechselte, trug bei einem Unfall nicht nur die volle Schuld, sondern wurde auch zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt (Bundesgerichtshof, Az. 4 StR 501/16).
Autofahrer bekommen oft eine Mitschuld bei Radunfällen
Autofahrer müssen mit regelwidrigem Verhalten von Radfahrern rechnen und sich auch darauf einstellen. Benutzt ein Radler den Fahrradweg entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung, ist er nicht allein an einem Unfall schuld, sondern zur Hälfte auch der Autofahrer. Er hätte den „Geisterradfahrer“ einkalkulieren müssen und wäre deshalb auch verpflichtet gewesen, in beide Richtungen zu schauen (OLG Hamm, Az: 9 U 12/98). In einem ähnlichen Fall gab das Oberlandesgericht München einem Autofahrer eine Mitschuld von 25 Prozent. Der Radfahrer war auf dem Radweg in falscher Richtung unterwegs, als das Auto aus einer Seitenstraße kam. Zwar haftet der Radfahrer zu 75 Prozent selbst für den dadurch verursachten Unfall, die restlichen 25 Prozent trägt jedoch der Autofahrer, da ihn laut Gericht auch ein geringer Sorgfaltsverstoß trifft (Az. 10 U 4616/15).
Wer radikal auf seinem Recht beharrt, ist mitschuldig
Verkehrsteilnehmer müssen versuchen, Unfälle zu vermeiden – das gilt auch, wenn sie beispielsweise eigentlich Vorfahrt haben. Wer dagegen auf seinem Recht besteht, haftet mit, entschied das Amtsgericht München. Einem Mercedes-Fahrer war in einer engen Straße, in der nur auf seiner Seite Autos parkten, ein Porsche entgegengekommen. Beide stoppten. Obwohl der Porsche-Fahrer rechts noch Platz hatte, bestand er darauf, dass sein Kontrahent den Rückwärtsgang einlegte. Doch der quetschte sich zwischen ihm und den geparkten Autos hindurch und holte sich böse Schrammen. Nun soll der Porsche-Fahrer zwei Drittel des Schadens tragen. Denn er konnte den Mercedes schon beim Einbiegen sehen und hätte schon da warten können. Außerdem konnte der Mercedes nicht zurückfahren, da hinter ihm andere Autos waren, während hinter dem Porsche alles frei war (Az. 343 C 3667/09).
Wer sich allein auf Blinker verlässt, hat eine Mitschuld
Im Straßenverkehr darf man sich nie nur auf das Blinken eines anderen Fahrzeugs verlassen. Eine Motorradfahrerin wartete vor einem Stoppschild und wollte links in eine Vorfahrtsstraße einbiegen. Von rechts kam ein Auto, das blinkte. Sie dachte, dass es abbiegen würde und fuhr los. Das Auto fuhr jedoch geradeaus weiter. Für den Unfall haftet die Frau zu zwei Dritteln, so das Oberlandesgericht Dresden. Trotz des Blinkens hatte der Pkw Vorfahrt. Das Gericht machte klar: Auf das Blinken darf man nur vertrauen, wenn ein anderer Faktor hinzukommt – etwa, dass der andere beginnt abzubiegen oder viel langsamer wird. In dem Fall fuhr das Auto noch 40 Stundenkilometer, erlaubt waren 70. Das reichte dem Gericht nicht. (Az. 4 U 1354/19).
Zwei Fahrer biegen in dieselbe Straße ein – geteilte Schuld
Kollidieren zwei Fahrzeuge, die aus gegenüberliegenden Ausfahrten auf eine Straße einbiegen, sind beide Fahrer für den Unfall gleichermaßen verantwortlich. Es sei denn, es lässt sich nachweisen, dass eine Seite mehr Schuld hat. Vorfahrt hat der fließende Verkehr auf der Straße, aber nicht ein von der gegenüberliegenden Seite ebenfalls einfahrendes Fahrzeug (Oberlandesgericht Karlsruhe, Az. 9 U 64/14).
Übrigens: Knallt es auf Parkplätzen, sind oft beide Fahrer schuld, wenn einer sich nicht an die Vorfahrtsregeln hält. Grund dafür ist, dass es dort trotz geltender Straßenverkehrsordnung streng genommen keine „Rechts-vor-Links“ Regelung gibt. Was es damit genau auf sich hat, lesen Sie in unserem Special Parkplatzunfälle.
Bei solchen Unfällen sind Sie alleine schuld

Auffahrunfall. Wer hat Schuld? In vielen Fällen gilt tatsächlich: Der, der aufgefahren ist. © Adobe Stock / Benjamin Nolte
Ein Auffahrunfall und ein Schuldbekenntnis
Nur kurz nicht aufgepasst und schon ist es passiert. Doch auch wenn ein Fahrer direkt nach einem Unfall alle Schuld auf sich nimmt, hat das für die Klärung der Schuldfrage wenig Bedeutung. Das entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf. In dem Fall hatte ein 77-Jähriger aufgrund eines Irrtums heftig gebremst. Es kam zum Auffahrunfall. Anschließend bezeichnete sich der vordere Fahrer als „Verursacher“ und nahm alle Schuld auf sich. Später ermittelte das Gericht jedoch, dass der Hintermann zu dicht dran war – und zwei Drittel des Schadens selbst tragen muss. Das Schuldanerkenntnis des 77-Jährigen berücksichtigte das Gericht nicht. Ein Anerkenntnis könne im Verfahren lediglich als Indiz für ein Fehlverhalten taugen, so das Urteil (Az. I-1 U 246/07).
Tipp: Auch wenn der erste Schreck groß ist und ein Schuldbekenntnis nicht verbindlich ist, sagen Sie am Unfallort lieber nichts zur Schuldfrage.
Geöffnete Türen: Schuld ist meist das parkende Auto

Unfallgefahr. Wer aussteigt, muss sich umsehen. © Picture-Alliance / dpa
Öffnet jemand seine Autotür, um ein- oder auszusteigen, ist er schuld an einem dadurch ausgelösten Unfall. Wer unachtsam die Fahrertür öffnet, verhält sich nämlich so fahrlässig, dass ihn im Regelfall die Alleinschuld trifft. Autofahrer, die mit angemessenem Tempo und regelgerechtem Abstand vorbeifahren, dürfen darauf vertrauen, dass sich nicht unerwartet eine Autotür öffnet (Landgericht Stuttgart, Az. 13 S 172/14). Ein halber Meter Sicherheitsabstand stellt sicher, dass parkende Autofahrer vor dem Aussteigen vorsichtig ihre Tür einen Spalt weit öffnen können, um den rückwärtigen Verkehr zu sehen. Der Einsteigende muss sich so verhalten, dass eine Gefahr für den fließenden Verkehr ausgeschlossen ist (Landgericht Hagen, Az. 3 S 46/17). Auch Taxi-Fahrgäste müssen beim Ein- und Aussteigen auf den fließenden Verkehr achten. So haftete ein aussteigender Fahrgast etwa zu 75 Prozent für eine Kollision mit einem vorbeifahrenden Pkw, obwohl dieser zu schnell unterwegs war (Landgericht Saarbrücken, Az. 13 S 135/21).
Beispiel. Eine Frau hatte ihr Auto in einer Parkbucht am Rand einer Straße geparkt. Auf der Straße herrschte stockender Verkehr. Sie stieg ein. Neben ihr stand ein Lkw. Als sie auf dem Fahrersitz Platz nahm, fuhr der Lkw an und erfasste mit seinem hinteren Teil die Pkw-Tür. Es entstand ein Schaden von 3 500 Euro, den die Frau ersetzt haben wollte. Sie muss jedoch selbst zahlen, entschied das Amtsgericht München (Az. A. 331 C 12987/13).
Übrigens: Erst nach 30 Metern befindet sich ein ausparkendes Auto vollständig im fließenden Verkehr. Geschieht der Unfall auf diesen 30 Metern, spricht der Anscheinsbeweis gegen den Ausparkenden (Amtsgericht München, Az. 344 C 8222/11).
Wer auf dem Seitenstreifen fährt, bekommt die Alleinschuld
Autofahrer, die im Stau auf der Autobahn schneller vorwärtskommen wollen und deswegen auf dem Seitenstreifen fahren, tragen bei einem Unfall die volle Schuld. In einem Fall war ein VW-Fahrer auf dem Seitenstreifen einer dreispurigen Autobahn mit einem Lastwagen zusammengestoßen. Der LKW-Fahrer gab an, er sei nur ein wenig nach rechts ausgewichen, um Platz zu machen für eine Rettungsgasse. Das Amtsgericht Recklinghausen meinte, der Lkw-Fahrer hätte zwar vor dem Ausscheren in den rechten Außenspiegel schauen müssen. Dann hätte er gesehen, dass mehrere Autos ihn langsam rechts überholten. Aber dieser Fehler trat nach Ansicht des Gerichts zurück hinter dem doppelten Verstoß des VW-Fahrers: Das Befahren des Seitenstreifens ist ebenso verboten, wie rechts zu überholen. Deshalb bekam der Autofahrer die alleinige Schuld (Az. 55 C 210/13).
Tiefer gelegt? Selber schuld!
Extrem tiefer gelegte Autos können teuer werden. Ein Mann, dessen BMW-Coupé mit nur sieben Zentimeter Bodenabstand an einer Torschiene auf dem Firmengelände seines Arbeitgebers hängen geblieben war, konnte von seinem Chef keine Reparaturkosten verlangen. Der Firmeninhaber habe keine Schuld an dem Unfall, da Autos mit normalem Bodenabstand kein Problem mit der Torschiene hätten, entschied das Landesgericht Coburg (Az. 32 S 87/03). Er musste auch nicht vor der Schiene warnen. Der Fahrer muss selbst beurteilen, ob er das Hindernis bewältigen kann.
Provozierte Unfälle: Achtung vor Betrug
Wer bei einem Autounfall die Schuld bekommt, hat manchmal einfach Pech gehabt, denn mitunter fahren Betrüger ihren Opfern nur ins Auto, um die Versicherung abzukassieren. Der Volksmund spricht dann auch von „Autobumsern“. Oft bleiben diese Betrüger über Jahre unentdeckt und treiben ihr Unwesen. Das sind Indizien, die für einen vorsätzlich provozierten Unfall sprechen.
So machen Betrüger Jagd auf ihre Opfer
Vorsichtig tastet sich die 18-Jährige in die Kreuzung hinein. Sieht nach rechts. Sieht nach links. Dann kracht ein Mercedes in ihren Wagen. Auf den ersten Blick ein klarer Fall: Der Mann hatte Vorfahrt. Wenige Tage später erwischt derselbe Mercedes ein Auto, das gerade ausparkt. Kurz darauf nimmt er auf einem Parkplatz einen weiteren Pkw ins Visier. Doch diesmal konnte ein Zeuge rechtzeitig eingreifen. Er hatte gesehen, dass der Mercedes schon geraume Zeit auf dem Parkplatz spazieren fuhr. Warum, wurde klar, als der Fall vor Gericht ging. „Der Fahrer war darauf aus, Blechschäden zu provozieren“, erzählt Markus Fillinger, Richter am Landgericht Weiden. 23 vorsätzliche Unfälle wies das Gericht dem Täter nach. Innerhalb von drei Jahren hatte er 100 000 Euro von Versicherungen kassiert. Das Urteil: fünfeinhalb Jahre Haft.
So funktioniert die „Autobumser-Masche“
Für die Täter ist die perfide Masche lukrativ: Sie rechnen fiktiv ab, das heißt sie legen ein Gutachten vor, das die Reparaturkosten beziffert und lassen sich den Betrag vom Versicherer auszahlen. Das ist legal. Statt das Auto in die Werkstatt zu geben, dürfen sie auch das Geld einstecken. Mit dem Wagen bauen sie dann den nächsten Unfall. Versierte Täter wählen Stellen, an denen alles für sie spricht: Rechts-vor-links-Ecken oder Parkplätze beispielsweise. Unfallgutachter Professor Hans Bäumler: „Mitunter lauern sie hinter dem Häuschen für Einkaufswagen.“ Oder sie geben dem Opfer Handzeichen vorbeizufahren und drücken dann aufs Gaspedal.
Häufige Indizien für einen vorsätzlichen Crash
Typisch ist, dass die Opfer sich nicht erklären können, woher das andere Auto so plötzlich kam. Da der andere Vorfahrt hatte, suchen sie den Fehler meist bei sich – an Betrug denken die wenigsten. Dabei gibt es eine Reihe von Indizien:
- Die Unfallsituation ist eindeutig, der Unfall selbst aber unerklärlich. Beim Ausparken, einem Spurwechsel oder Linksabbiegen fahren die Betrüger so langsam, dass dem Opfer Zeit zum Abbiegen bleibt. Dann geben sie Gas.
- Der Unfall passiert an einer Ampel: Springt sie auf Gelb, legt der Täter abrupt eine Vollbremsung hin. Ähnlich läuft es an Zebrastreifen, den ein Komplize als Fußgänger unvermittelt überquert.
- Der Unfallgegner fährt ein teures Auto, etwa einen S-Klasse-Mercedes. Das hat zwar schon diverse Buckel und Dellen, dennoch ergeben Gutachten hohe Reparaturkosten.
- Das Opfer sitzt allein am Steuer. Täter suchen auch gern junge, unerfahrene Fahrer aus oder ältere. Einige Betrüger verfolgen systematisch ortsfremde Fahrer.
- Der Gegner wirkt nach dem Zusammenstoß ruhig und routiniert, wie jemand, der das nicht zum ersten Mal erlebt.
- Aus dem Nichts tauchen Zeugen auf, die den Unfallgegner zu kennen scheinen.
Bei Verdacht an die Versicherung wenden
Wer glaubt, Opfer eines Unfallbetrügers geworden zu sein, sollte das dem Versicherer melden. „Unsere Betrugsprävention geht solchen Hinweisen nach, unter anderem mit Ortsterminen und Rekonstruktionsgutachten“, sagt Christian Krause, Sprecher der Generali-Versicherungen. VHV-Sprecher Lutter betont: „Auch wenn der Kunde keinen Verdacht hegt, prüfen wir Ungereimtheiten in Unfallberichten.“ Allianz-Sprecherin Susanne Seemann berichtet von einem Kunden, den der Unfallgegner massiv zu einem Schuldeingeständnis drängte. Die Polizei ermittelte später, dass der Täter 30 Unfälle in vier Jahren hatte. Er bekam zwei Jahre Haft.
Darum bleiben manche Betrüger viele Jahre unentdeckt
Dass es den Betrügern oft gelingt, jahrelang unentdeckt ihr Unwesen zu treiben, hat einen simplen Grund: Die Opfer sind meist bei verschiedenen Gesellschaften versichert. So fällt die Häufung der Schäden zunächst nicht auf. Auch das Hinweis- und Informationssystem (HIS) des GDV ändert daran wenig: Es sammelt zwar seit 2011 alle Fälle von fiktiven Abrechnungen. Erfasst wird aber nur das Auto, bei dem die Reparatur fällig war. Angaben zum Halter bleiben hingegen meist geheim: Datenschutz.
Die Absicht des Unfallgegners ist nachweisbar
Viele Betrüger sind in Banden organisiert, doch es gibt auch Einzeltäter. Ein Essener Taxifahrer etwa baute in neun Monaten sieben Unfälle. Erst beim letzten konnte das Landgericht Essen Vorsatz nachweisen (Az. 12 O 141/11). Gutachter Professor Karl-Heinz Schimmelpfennig errechnete, dass der Mann 2,3 Sekunden Zeit hatte, um einen Crash zu vermeiden. Doch er lenkte auf den anderen Pkw zu. Das zeigte der Kollisionswinkel. „Absicht lässt sich in der Regel nachweisen“, so der Experte.
Betrüger weichen nicht aus
Höhenunterschiede bei Beulen belegen etwa, dass der Täter entgegen eigener Aussage eine Vollbremsung hinlegte. In solchen Fällen hebt sich das Heck. Bei Streifkollisionen zeigen Kratzer und die Position der Autos, dass ein Wagen langsamer fuhr als angegeben. Meist um zielen zu können. Auch das Reaktionsverhalten verrät viel. Normale Fahrer weichen aus – Betrüger nicht. Schimmelpfennig weiß: „Täter, die mehrere Unfälle gebaut haben, sind bald so von sich überzeugt, dass sie übermütig werden. Irgendwann haben wir sie dann.“
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@Anna0876: Man findet oft Zeugensuchen in Form von Zetteln an Laternen etc. in der Nähe der Unfallstelle oder auch in regionalen Anzeigenblättern. Welchen Erfolg diese Suchen haben, wissen wir nicht. Wurde beim Unfall jemand verletzt ("Personenschaden") ermittelt die Polizei selbständig. Wo es Verkehrsüberwachungs-Kameras gibt, kann man Ihnen sicher bei der Polizei sagen. Für private Verfahren können Sie diese Informationen aber nicht nutzen. Wer glaubt, Opfer eines Unfallbetrügers geworden zu sein, sollte das dem Versicherer melden. Diese gehen solchen Hinweisen nach, unter anderem mit Ortsterminen und Rekonstruktionsgutachten. Zahlreiche Tipps, wie Sie sich nach einem Unfall richtig verhalten, finden Sie im obigen Artikel.
Hallo. Ich würde gern wissen wie ich ein Zeuge für einen Unfall finde. Es wäre schön wenn jemand helfen könnte. Wie kann man wissen ob eine funktionierende Verkehrskamera gibt.
Ich bedanke mich schon für jede Hilfe.